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25.06.2014

Ursula Hammann: Kosten für den Rückbau des AKW Biblis

Herr Präsident – vielmehr jetzt Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kollegin Schott, das war schon starker Tobak, den Sie hier vorgetragen haben.

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Ihr Engagement in allen Ehren, aber was Sie hier in Ihrem Antrag praktizieren, ist für mich Populismus. Wenn man bestimmte Dinge weiß, sich aber anders verhält und anders darstellt, dann kann man das nur in die Ecke Populismus stellen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Wer sagt denn, dass das Ministerium kein Interesse an Aufklärung hat?

(Zuruf der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Wir haben vor über zwei Monaten eine Große Anfrage der SPD beantwortet bekommen. Daraus können Sie erkennen, dass das Ministerium im Hinblick auf die Kosten nachgefragt hat. Die Antwort ist eindeutig, RWE hat sich auf Anfrage zu den anfallenden Kosten nicht geäußert. Ich nenne die Drucksache, falls Sie es nachlesen wollen: Drucks. 19/335.

Warum konnte sich RWE entziehen? – RWE konnte es deshalb, weil eben keine Rechtsgrundlage für das Land besteht, diese Nachfragen zu stellen. Das ist Fakt, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Tun Sie deshalb nicht so, als wenn die Landesregierung kein Interesse an der Aufklärung hätte.

Lieber Kollege Schmitt, wenn Sie hier immer wieder auf Schwarz-Grün verweisen, was wir alles tun könnten: Wer bitte stellt denn auf Bundesebene die Umweltministerin und wer bitte den Energieminister? Ich frage Sie allen Ernstes, warum es von Ihrem Parteimitglied und Minister Sigmar Gabriel keine Gesetzesvorlage gibt, die genau dies beinhalten könnte.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Über eine Gesetzesvorlage wäre es nämlich möglich, darzustellen, wie die Rückstellungen zu leisten sind. Sie könnte eine Auskunftspflicht gegenüber den Ländern, beispielsweise auch der hessischen Atomaufsicht, beinhalten, und sie könnte eine Überprüfungspflicht beinhalten, was die Werterhaltung betrifft und was der Bundesrechnungshof auch schon gefordert hat.

Stellen Sie sich deshalb nicht hin und zeigen mit dem Finger auf Schwarz-Grün, wenn Sie die Möglichkeit haben, auf Bundesebene etwas auf den Weg zu bringen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Manfred Pentz (CDU) – Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

– Nein, das sind keine zwei verschiedenen Dinge. Das Land Hessen praktiziert hier all das, was machbar ist. Sie können uns abnehmen, dass uns GRÜNE und auch der CDU wichtig ist, es umzusetzen, Herr Kollege Schmitt.

(Zuruf der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Wir haben am 21. Mai hier im Plenum über die Kosten der Atomkraft diskutiert, d. h. was die Kosten im Hinblick auf Abriss und Lagerung der radioaktiven Abfälle angeht. Wir haben auch bereits über die Problematik der Rückstellung der vier großen Energieversorgungsunternehmen – ich nenne sie noch einmal: E.ON, EnBW, Vattenfall und RWE – diskutiert.

Wir waren uns doch damals hier einig. Wir hatten parteiübergreifend festgestellt, dass die Verantwortung für diese Kosten, für den Abriss, für die Endlagerung dieser radioaktiven Abfälle, bei den Energieversorgungsunternehmen liegt. Man sollte jetzt auch nicht die Energieversorgungsunternehmen auf falsche Gedanken bringen, wie das im Antrag der LINKEN suggeriert wird. Man sollte RWE prüfen, ob sie materiell und auch organisatorisch in der Lage ist, so etwas umzusetzen.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Ich sage Ihnen ganz deutlich, und da stimme ich mit unserer Ministerin total überein: RWE hat das Atomkraftwerk gebaut. RWE ist dafür zuständig, dass es wieder abgebaut wird. Und sie ist auch für die Lagerung der radioaktiven Abfälle voll finanziell zuständig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Horst Klee (CDU))

Ich denke, wir haben damals ein sehr gutes Signal gegeben. Es war ein Antrag der SPD. Wir konnten in Teilen diesem Antrag dann auch zustimmen, weil es uns wichtig war, dass dieses Signal an die Energieversorgungsunternehmen geht.

Es ist notwendig, dass die Energieversorgungsunternehmen ihre Verantwortung wahrnehmen und nicht auf eine Bad Bank oder sonstige Lösungen schielen, die sie vielleicht von den Lasten für die Zukunft befreien könnten. Da macht, darin sind wir uns alle einig, keiner von uns mit, die hier im Parlament sitzen.

Meine Damen und Herren, ich will die Diskussion vom Mai nicht wiederholen. Aber auf einiges möchte ich doch noch einmal eingehen. Wir haben schon vor einigen Jahren, gesagt, wir sind für eine Sicherung der Rückstellung der Atomwirtschaft, etwas, was auch der Bundesrechnungshof immer wieder eingefordert hat. Wir wollten, dass die Rückstellungen insolvenzsicher gestaltet werden. Wir haben dabei auch Lösungsmöglichkeiten genannt, d. h. Überführung der Rücklagen in einen öffentlich kontrollierten Fonds.

Wir haben auf bestehende Fondslösungen hingewiesen. Ich erinnere Sie nur an das Beispiel Schweiz oder auch Schweden. Es gibt Systeme oder Fondslösungen, die funktionieren. Nun liegt dieser Antrag der LINKEN vor, der die Problematik erneut aufgreift. Wieder enthält er Forderungen gegenüber der Landesregierung, wo Sie doch aufgrund der Maidebatte eigentlich wissen müssen, dass die Landesregierung diese Forderungen gar nicht erfüllen kann, liebe Frau Kollegin Schott.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Sie wollen, dass der Landtag feststellt, dass überprüft werden muss, ob RWE Power materiell und organisatorisch in der Lage ist, einen sicheren Rückbau zu gewährleisten. Ich frage Sie: Stellen Sie ernsthaft diese Frage? – Das ist so etwas von ganz klar, dass hier RWE in der Pflicht ist und niemand anders an dieser Stelle. RWE hat dies umzusetzen. Da gibt es überhaupt kein vertun. RWE hat den sicheren Rückbau organisatorisch wie auch materiell zu stemmen.

Sie wollen, liebe Kolleginnen und Kollegen der LINKEN-Fraktion, was gar nicht geht. Das ist Ihre Forderung, dass das Land eine Kostenaufstellung für die Stilllegung und den vollständigen Rückbau des AKW Biblis zu erstellen hat. Dazu fordern Sie noch eine begründete Abschätzung der sogenannten Ewigkeitskosten von der Landesregierung.

Bei allem Verständnis, meine lieben Kolleginnen und Kollegen der LINKEN, die Forderung geht wieder an die falsche Adresse.

(Marjana Schott (DIE LINKE): Sie bleiben immer ahnungslos! – Gegenruf des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Es ist doch nicht so, dass uns das nicht interessieren würde. Aber diese Frage ist doch nicht von der Landesregierung zu beantworten, Frau Kollegin Schott.

(Lachen der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE): Sie bleiben lieber ahnungslos! – Zuruf von der CDU)

– Nein, wir wollen nicht ahnungslos bleiben. Das können Sie uns auf keinen Fall unterstellen. Sie haben vorhin z. B. auch die Initiativen der Bundestagsfraktionen genannt. Daran sehen Sie, dass uns das sehr wichtig ist, dass wir hier eine rechtliche Grundlage hinbekommen, um dieses zu bekommen.

(Zuruf der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

– Frau Schott, Sie können sich nachher noch einmal melden. – Meine Damen und Herren, ja, auch wir haben berechtigte Zweifel, ob die Rückstellungen für Abrisse und Entsorgung der atomaren Abfälle ausreichend sind. Es stellt sich natürlich auch die Frage, ob sie noch werthaltig sind, denn es ist nicht ausgeschlossen, dass die Rücklagen – Sie wissen auch, die sind z. B. von den Atomkraftwerkbetreibern in Kraftwerke und auch in Netze geflossen – möglicherweise nicht mehr werthaltig sind.

Aber diese Fragen – das sage ich noch einmal – müssen auf Bundesebene geklärt werden. Wir haben das Atom- und Strahlenschutzrecht. Dies enthält keine explizite Bestimmung, nach der der Betreiber der Kernkraftwerkanlage der atomrechtlichen Genehmigung der Aufsichtsbehörde die Höhe der Rückstellung für den Abbau der Anlagen mitteilen müsse.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Die aktuelle Forderung, die Sie in Ihrem Antrag formuliert haben, ist für mich aber aufgrund der letzten Debatte absolut unverständlich. Ich spreche jetzt Frau Kollegin Wissler an. Sie hatten in dieser Debatte das Wort ergriffen. Sie haben in der Debatte der SPD vorgeworfen, Forderungen zu erheben, die nicht vom Land zu leisten sind, sondern eindeutig die Bundesregierung erfüllen müssten.

Frau Kollegin Wissler, ich möchte Sie an Ihre Worte gegenüber der SPD erinnern. Sie sagten am 21.05. an die Adresse der SPD – ich zitiere aus dem Plenarprotokoll –:

Sie sollten nicht vergessen, dass Sie an der Bundesregierung beteiligt sind und dass Sie mit Ihrem Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel den zuständigen Wirtschafts- und Energieminister stellen. Zudem stellen Sie auch die Umweltministerin. Ich gebe zu, deshalb erschließt es sich mir nicht ganz, warum die Hessische Landesregierung jetzt ein Konzept zur Sicherung der Rückstellungen erarbeiten soll.

So Ihre Worte, Frau Wissler.

(Beifall des Abg. Peter Stephan (CDU) – Lachen der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Deshalb wundert es mich, dass Sie genau solche Forderungen jetzt in Ihrem Antrag haben, wo Sie ganz genau wissen, dass es die Landesregierung nicht richten kann, aber natürlich auf Bundesebene dieses zu richten wäre über gesetzliche Veränderungen, indem die Rechtsgrundlage verändert wird.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE) und Norbert Schmitt (SPD))

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, offensichtlich wollen Sie bewusst die Realität, nämlich die fehlende Rechtsgrundlage, ignorieren.

(Zuruf des Abg. Manfred Pentz (CDU))

Ich sage Ihnen ganz deutlich: Populistisches Agieren hilft hier doch nicht. Wir sind uns doch darüber einig, dass hier Transparenz hineinkommen muss.

(Zuruf von der LINKEN)

– Das ist nicht „unglaublich“. Ich kritisiere nur den Weg, den Sie vorgeben wollen.

Wir wollen, dass eine rechtliche Grundlage geschaffen wird. Das ist etwas anderes. Das können wir hier nicht machen. Das kann nur auf Bundesebene erfolgen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Wir erwarten, dass die Betreiber der Atomkraftwerke eine realistische Kostenschätzung für den Abbau und die Entsorgung der Abfälle vornehmen, dass die Rückstellungen entsprechend der zu erwartenden Kosten bemessen werden und vor Insolvenz abgesichert werden. Wir verlangen eine transparente Politik gegenüber der Öffentlichkeit. Da sind wir wieder bei Ihnen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der LINKEN, Sie glauben doch nicht, dass die Hessische Landesregierung untätig bleibt. Das ist etwas, was uns natürlich beschäftigt. Sie können darauf wetten, dass wir da aktiv werden. Wir werden natürlich über den Bundesrat eine Initiative auf den Weg bringen. – Herr Schmitt, danke schön, dass Sie klatschen. – Das ist die Möglichkeit, die wir haben. Die nutzen wir.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU und der SPD)

Dafür brauchen wir keine populistischen Anträge. Deshalb werden wir ihn ablehnen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Vizepräsidentin Heike Habermann:

Vielen Dank.