Sehr geehrte Damen und Herren! Es gibt wenige Themen, die so emotional diskutiert werden wie das Thema der Jagd. Es gibt wenige Themen, die so unsachlich, unkundig und unwahr behandelt werden wie das Thema der Jagd.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Walter Arnold (CDU) – Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))
Was die Unsachlichkeit angeht, sage ich es gerade auch in Richtung der FDP und der SPD: Die Vorwürfe, die von Ihren Seiten gekommen sind, sind unhaltbar.
(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))
Sie wissen ganz genau, wie Verordnungen auf den Weg gebracht werden. Da gibt es keine Debatten darüber, keine inhaltliche Einbringung von Parteien bzw. Fraktionen im Landtagsparlament. Eine Verordnung entsteht im Ministerium. In all den Jahren, in denen Verordnungen geändert und auf den Weg gebracht wurden, war es immer Usus, dass natürlich eine Anhörung auch derjenigen erfolgt, die davon betroffen sind. Genau das ist auch hier passiert.
Tun Sie doch nicht so, als seien die Betroffenen nicht eingebunden worden.
(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))
Der Landesjagdverband war in diesem Bereich von Anfang an involviert und weiß ganz genau, welche Regelungen hier diskutiert wurden und was am Ende auch umgesetzt werden soll. Dass nun die FDP einen solchen Antrag einbringt, verwundert mich auch gar nicht. Gerade mit Blick auf den Tierschutz hatten Sie leider immer ein Defizit vorzuweisen, Herr Rentsch. So verwundert es mich überhaupt nicht, dass von Ihrer Seite ein solcher Antrag kam. Aber dass die SPD einen solchen Antrag einbringt, hat mich schon sehr verwundert.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das hat mich nicht nur verwundert, sondern es hat mich betroffen gemacht. Die SPD hat sich in der Vergangenheit immer für den Tierschutz eingesetzt. Und jetzt sagt die SPD, diese Verordnung würde dazu führen, dass die möglichen Auswirkungen zu einem Ungleichgewicht innerhalb der hessischen Wildbestände mit Schäden in Natur und Forstwirtschaft führen würde, wenn die Jagdverordnung in dieser Entwurfsfassung umgesetzt wird? – Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, glauben Sie denn wirklich, dass der Schutz von Rote-Liste-Arten wie dem Mauswiesel, dem Rebhuhn, dem Baummarder, dem Iltis und vielen anderen zu mehr Schäden in Natur und Forstwirtschaft führen würden? Das kann nicht Ihr Ernst sein.
Ich möchte Ihnen gerade einmal die Zahlen bzw. das, was in der Streckenliste erkennbar ist, noch einmal darlegen. Was den Baummarder angeht: Rote Liste. Da sind 87 Tiere getötet worden. Der Iltis: Rote Liste, 90 Tiere. Hermelin: Rote Liste, auch gefährdet, 200 Tiere. Mauswiesel, eine ganzjährige Schonzeit gibt es für den in Mecklenburg-Vorpommern schon seit Langem, und auch in Thüringen und im Saarland. Rebhuhn: Rote Lise, Tendenz verschlechternd, in Mecklenburg-Vorpommern und Saarland ebenfalls keine Jagdzeit. – Warum, frage ich Sie, wollen Sie nicht, dass auch in Hessen diesen bedrohten Tierarten eine Schonzeit eingeräumt wird, die da heißt: Ganzjährig? Denn es macht doch keinen Sinn, wenn man Rote-Liste-Arten weiter bejagt. Man muss viel mehr dafür tun, dass sich der Lebensraum verbessert und die Tiere wieder an Population gewinnen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich frage Sie: Berührt es Sie nicht, wenn es immer wieder zu Fehlfängen in Totschlagfallen kommt? Lässt es Sie wirklich kalt, dass beispielsweise Fuchswelpen im Bau verhungern, weil die Elterntiere in Totschlagfallen oder durch Schusswaffen getötet werden?
Ich sage ganz deutlich: Offensichtlich haben Sie sich nicht ernsthaft mit dem Thema nachhaltige und ethisch vertretbare Jagd beschäftigt.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))
Eines ist mir aufgefallen. Ich habe mir auch einmal die Landesverordnungen dazu angesehen. Gerade in einigen Ländern, in denen die CDU mit in der Regierungsverantwortung ist, hat der Fuchs eine Schonzeit, ist der Iltis ganzjährig geschützt, ist das Mauswiesel ganzjährig geschützt, das Rebhuhn ganzjährig geschützt. Man kann also erkennen, dass sich offensichtlich in einigen Ländern die CDU gegenüber der SPD durchgesetzt hat.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich verstehe nicht, wie Sie an dieses Thema herangegangen sind. Ihnen scheint es gleichgültig zu sein, dass es hier um Lebewesen geht.
(Florian Rentsch (FDP): Das ist unverschämt gegenüber den Jägern in diesem Land! Als ob das die Jäger in diesem Land nicht beherzigten!)
Sie gehen den falschen Argumenten und der Kampagne des Landesjagdverbandes, der – das sage ich auch einmal deutlich –, laut Angabe des Präsidenten, Herrn Dr. Ellenberger, rund 20.000 Jägerinnen und Jäger umfasst –, auf den Leim.
(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))
Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen der SPD, Sie sehen nicht den wachsenden Anspruch innerhalb der Bevölkerung, die darauf dringt, dass sich der Tierschutz in allen Bereichen wiederfindet. Das betrifft auch den Bereich der Jagd. Das trifft sogar ganz besonders auf die Jagdausübung zu.
(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))
Ich möchte Ihnen eine repräsentative Forsa-Umfrage vom März 2015 nennen. Diese Forsa-Umfrage ergab, dass es 39 Prozent für sehr wichtig erachten und dass es 45Prozent für wichtig erachten, dass die Aspekte des Natur- und Tierschutzes durch die Jagd gestärkt werden, und dass nur eine Minderheit von 10Prozent dies weniger wichtig und nur 4Prozent dies unwichtig finden.
(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))
– Herr Kollege Rentsch, das habe ich nicht gesagt. Ich teile Ihnen mit, dass es gesellschaftliche Änderungen gibt, die natürlich auch Berücksichtigung bei allen Entwicklungen und in allen Gesetzen finden müssen, natürlich auch im Jagdgesetz.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir sehen die Notwendigkeit, dass nicht ideologische, sondern wildbiologische Erkenntnisse in der Jagd stärker berücksichtigt werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, jedes Leben ist lebenswert und hat in der Natur einen Sinn. Jedes Töten unterliegt daher auch einer Rechtfertigung. Ich sage es ganz deutlich: Tiere aus sportlichem Interesse oder aus Prestige zu töten, stellt keine Rechtfertigung dar.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Als Koalitionspartner haben wir über einen Kompromiss festgehalten, dass wir keine Novellierung des Jagdgesetzes vornehmen wollen. Jedoch haben wir vereinbart, dass wir die Jagd auf wildernde Hunde und Katzen einer wissenschaftlichen Bewertung unterziehen werden und die diesbezügliche Regelung gegebenenfalls über eine Artikelgesetzänderung ändern wollen, aber dies erst in einem zweiten Schritt.
Was wir im ersten Schritt vereinbart haben, ist, dass die Liste der jagdbaren Tierarten auf die Sinnhaftigkeit der Jagd zu überprüfen ist und dass bestandsbedrohte Tierarten zu schützen sind. Genau diese Vereinbarung wurde mit dem vorliegenden Entwurf einer Jagdverordnung mit Leben erfüllt.
Ich betone: Das ist kein grüner Wunschzettel, der durch den Verordnungsentwurf festgehalten wurde,
(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))
sondern stellt einen Kompromiss dar, der aber nach ausführlicher Beratung – es waren sehr gute Beratungen – zustande gekommen ist.
(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP) – Weitere Zurufe – Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)
Ich bedaure es sehr, dass es der Landesjagdverband nicht schafft, sich in die Debatte sachlich einzubringen, sondern eine Kampagne fährt, die mit Fehlinformationen gespickt ist. Ich bin – das sage ich deutlich – bin über diese Vorgehensweise sehr enttäuscht. Ich habe mir mehr erwartet.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Der LJV – das habe ich vorhin bereits gesagt – war bereits früh durch seine Vertreter in die Diskussion der Verordnung eingebunden, ebenso die Staatliche Vogelschutzwarte sowie ein Wildbiologe. Besonders enttäuschend finde ich es, dass FDP und SPD wissenschaftliche Erkenntnisse genauso wenig zur Kenntnis nehmen wie der Landesjagdverband. Mit Musterpresseerklärungen wird in die tiefste Klamottenkiste gegriffen. Da wird der stumme Frühling in Aussicht gestellt, wenn die Jagdzeit auf Elstern und Rabenkrähen gekürzt wird, und dabei wird unterschlagen, dass der Begriff „stummer Frühling“ im Zusammenhang mit dem Pestizideintrag durch die Landwirtschaft steht.
Ich sage auch an dieser Stelle: Es gibt Bundesländer, die bei Elstern und Rabenkrähen keine Jagdzeiten haben. Ich nenne hier beispielsweise das Saarland, CDU/SPD-regiert, oder auch Mecklenburg-Vorpommern, SPD/CDU-regiert. Denn es ist einfach Unfug, eine Bejagungszeit für ganzjährige Bejagungen durchzusetzen und es ist Unfug, in diesem Bereich eine Regelung vorzunehmen, die dazu führt, dass bestimmte Bestände zurückgehen.
Nicht die Rabenvögel sind schuld am Rückgang bestimmter Tierarten, sondern es ist die Veränderung des Lebensraums, es ist das Zerschneiden von Gebieten, die landwirtschaftliche Nutzung, es sind Nährstoffeinträge und ein damit einhergehendes mangelnde Nahrungsangebot. Ich kann Ihnen allen nur die Drucksache 18/4575 des Deutschen Bundestages zum Nachlesen empfehlen. Darin trifft die Bundesregierung klare Aussagen zu den Ursachen des Rückgangs von Vogelarten.
Der Landesjagdverband prangert die geplanten, angeblich unrechtmäßigen Beschränkungen des Eigentumsrechts an. Dabei wird ignoriert, dass die Ausübung der Jagd selbstverständlich gesetzlich geregelt wird und dass – meine Damen und Herren, das wissen Sie alle – Eigentum verpflichtet.
Es ist kein Misstrauen vonseiten der Landesregierung gegenüber der Jägerschaft, die im Verordnungsentwurf zum Ausdruck kommt. Vielmehr sind dies Vorgaben, wie eine Jagd durchzuführen ist. Es ist doch auch kein Misstrauen gegenüber Verkehrsteilnehmern, dass es eine Straßenverkehrsordnung gibt. Alles in unserer Gesellschaft wird in dieser Weise geregelt.
Meine Damen und Herren, dieser Verordnungsentwurf zeigt deutlich, dass der Tierschutz auch bei der Jagd mehr Gewicht bekommen soll. Dies ist auch gut so. In diesem Entwurf wurden erstmals die geltenden Jagd- und Schonzeiten einer Überprüfung unterzogen und modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen angepasst. Nicht die Ideologie, sondern die Wissenschaft war dabei handlungsleitend. Dieser Entwurf belegt das gemeinsame Interesse von CDU und GRÜNEN, einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen der Jagd – der Jagdrechtsinhaber –, der Landwirtschaft, aber auch des Naturschutzes, des Tierschutzes sowie den Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher herzustellen.
Vizepräsident Frank Lortz:
Frau Kollegin Hammann, Sie müssen zum Schluss kommen.
Ursula Hammann:
Auch im Forstbereich wollen wir dem Prinzip von Wald und Wild Geltung verschaffen. Wir sind der Auffassung, dass eine nachhaltige Jagdausübung, die verantwortungsbewusst und sinnvoll durchgeführt wird, Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung findet. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Vizepräsident Frank Lortz:
Vielen Dank.