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14.09.2011

Ursula Hammann: Gesetz über das Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrechte für Tierschutzverbände

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Dietz, wenn Sie sagen, Sie sind skeptisch, heißt es nicht, dass Sie es ablehnen. Das lässt einen kleinen Hoffnungsschimmer zu, dass wir in der Diskussion ein Stückchen weiter kommen.

(Beifall der Abg. Dr. Judith Pauly-Bender (SPD))

Sie haben es zu Recht benannt. Wir haben seit dem 1. August 2002 den ethischen Tierschutz im Grundgesetz. In Art. 20 a ist das Ganze geregelt. Das heißt, Tierschutz ist Rechtsgut mit Verfassungsrang geworden. Wir sollten darauf achten, dass das, was auf dem Papier steht, sich in der Realität irgendwann einmal wiederfindet.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich gebe zu, dass sich beim Tierschutz schon einiges verbessert hat. Aber es ist nicht so, dass wir sagen könnten, der Tierschutz sei optimal aufgestellt. Das ist doch gar nicht die Sachlage.

Wenn ich in die Reihen schaue, dann sehe ich etliche Kollegen, die Mitglied bei uns im Hessischen Tierschutzbeirat sind. In jeder Beiratssitzung bekommen Sie Fälle genannt, die Ihnen deutlich machen, dass eine Verbandsklage absolut notwendig wäre, dass frühzeitig eingegriffen werden könnte, wenn Tiere nicht artgerecht gehalten werden, wenn Missstände zu beklagen sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, für uns war das schon immer ein ganz wichtiger Punkt. Tierschutz ist ein Anliegen, das die Gesellschaft zu tragen hat. Die Gesellschaft hat dafür zu sorgen, dass die Mitgeschöpfe, wie Sie das sagen, entsprechend gehalten werden, dass diese Mitgeschöpfte entsprechend leben können.

Wir haben seit dem Jahr 2004 Aktivitäten in diesem Bereich entwickelt. Im Jahr 2004 haben wir einen Antrag mit der Intention eingebracht, ein Verbandsklagerecht im Tierschutz im Lande Hessen zu erreichen. Eigentlich hätte ich meine Rede von damals heute 1 : 1 halten können. Der Inhalt hat sich überhaupt nicht verändert; denn die Intention ist die gleiche geblieben. Für viele ist es so: Papier ist geduldig, aber dem frönen wir nicht. Wir wollen, dass der Verfassungsrang, den der Tierschutz im Grundgesetz hat, ernst genommen wird. Hier appelliere ich an Sie alle.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sehen, dass trotz des Tierschutzgesetzes, dass trotz Tierschutzkommissionen der Tierschutz immer wieder ins Hintertreffen gerät. Da geht es nicht um die Boxenlaufställe. Es geht um nicht artgerechte Tierhaltungen. Es ist ein falsches Umgehen mit den Tieren, wie wir immer wieder feststellen müssen. Deshalb haben der Hessische Tierschutzbeirat – Herr Dietz, Sie sind in diesem Beirat – und die Hessische Tierschutzbeauftragte bereits vor Jahren die Einführung einer Verbandsklage gefordert. Dieses Thema bewegt ganz viele Menschen, und es muss so sein, dass wir in diesem Bereich einen Schritt weiter kommen.

Ich möchte an Sie appellieren. Im Naturschutz ist es möglich. Wir haben eine Verbandsklage für den Naturschutz. Das kommt uns allen zugute; denn unsere Natur wird damit erhalten. Erinnern Sie sich an die Rede von Herrn Minister Dietzel im Jahre 2004. Einige von uns hatten die Möglichkeit, damals dabei sein zu können. Er hat damals darauf hingewiesen, dass das Instrument der Verbandsklage im Naturschutz nicht missbraucht wurde, dass es eine geringe Fallzahl in diesem Bereich gab. Insofern wurde verantwortungsvoll mit diesem Instrument umgegangen. Ich bin der festen Überzeugung, dass anerkannte Tierschutzverbände ebenfalls verantwortungsvoll mit diesem Instrument umgehen werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte aus dem Bericht der Tierschutzbeauftragten zwei Bereiche herausnehmen, weil ich glaube, dass es eine größere Glaubwürdigkeit hat, wenn es von einer dritten Seite kommt, einer Person, die für den Tierschutz eigenständig zuständig ist, als wenn ich irgendeine Geschichte erzähle. Dabei hätte ich einige Geschichten aus dem Land Hessen zu erzählen, wo massiv gegen den Tierschutz verstoßen worden ist.

Das will ich aber nicht tun, sondern ich will zwei Bereiche nennen, die aus dem Bericht 2009 stammen. Die Berichte 2008 und 2010 enthalten vergleichbare Problemstellungen, aber dies ist mir besonders wichtig, weil es Aussagen sind, die von der Tierschutzbeauftragten explizit getätigt wurde. Sie beschreibt darin schwere Missstände, z. B. beim Schwänzekupieren und Zähneabschleifen bei Schweinen. Sie sagt:

Bemerkenswert ist es aus Sicht der Landestierschutzbeauftragten, dass derartige Missstände nicht von den zuständigen Behörden angezeigt bzw. verfolgt wurden. Vor diesem Hintergrund erscheint ein Verbandsklagerecht allmählich notwendiger denn je. Offensichtlich sind einige deutsche Behörden entweder nicht fähig oder nicht willens, derartige Gesetzesübertritte zu ahnden. Dabei ist zu bedenken, dass die Nutztierhaltungsverordnung in ihrer geltenden Fassung ohnehin nur Mindestvorgaben macht und keine wirklich tiergerechte Haltung vorgibt.

Das ist der eine Fall. In diesem Fall wurde nicht richtig gehandelt.

Bei dem zweiten Fall geht es um einen Luchs, der im Regierungsbezirk Gießen – ich weiß nicht, ob der Regierungspräsident noch anwesend ist – –

(Zuruf des Ministers Jörg-Uwe Hahn)

– Entschuldigung, ich dachte, er sei da gewesen. – Das Tier wurde ohne eine entsprechende Erlaubnis in einem Privatraum gehalten. Dieses gefährliches Wildtier wurde nicht artgerecht gehalten, und die zuständige Artenschutzbehörde im Regierungspräsidium – so steht es in dem Text – „war im Weiteren offensichtlich weder interessiert noch willens, den gesetzwidrigen Zustand zum Wohle des Tieres zu beenden.“ Die zuständige Behörde handelte über Wochen nicht, und letztendlich verschwand das Tier „an einen der Behörde unbekannten Ort“.

Vor dem Hintergrund derartiger Vollzugsdefizite zulasten der Tiere fordert die Landestierschutzbeauftragte Konsequenzen für untätige Behördenmitarbeiter.

Ich denke, diese beiden Beispiele zeigen sehr deutlich, dass über eine Verbandsklage ein früherer Eingriff möglich gewesen wäre und den Tieren eine entsprechende Verbesserung zuteil geworden wäre.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es sind keine Einzelfälle. Es sind viele Fälle, die nachlesbar sind. Es sind Fälle, die Sie auch der Presse entnehmen können. Ich erinnere nur an die tierschutzwidrige Haltung von Rindern. Dem Landwirt wurden die Rinder am Ende entzogen. Auch da wurde über eine längere Zeit dieser Zustand beobachtet, ohne dass eingegriffen wurde.

Ein weiterer Punkt, der mir ebenfalls ganz wichtig ist. In der letzten Tierschutzbeiratssitzung mussten wir erfahren, dass es eine Universität in Hessen gibt, die keine Haltungserlaubnis für Versuchstiere hat. Diese Universität meint auch noch, das sei rechtmäßig. Meine Damen und Herren, das kann nicht sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Barbara Cárdenas (DIE LINKE))

Deshalb begrüßen wir die Initiative der SPD mit der Verbandsklage, wobei ich sagen muss, dass das, was jetzt von Nordrhein-Westfalen übernommen wurde, ein Kompromiss zwischen Rot und Grün in Nordrhein-Westfalen gewesen ist. Wir wissen, dass die GRÜNEN dort gerne noch eine andere Regelung gehabt hätten. Deshalb müssen wir uns über weitere Punkte unterhalten. Das ist beispielsweise die Anfechtungsklage oder die Frage: Warum kann privaten Vorhaben, die nachweislich den Tieren nicht gerecht werden würden, nicht mit einer Klage begegnet werden? Das fehlt im Gesetzentwurf der SPD-Fraktion.

Meine Damen und Herren, ich glaube, es muss unser aller Anliegen sein, den Tierschutz in diesem Bereich weiterzubringen. Wer ein großes C im Namen hat, sollte diesem C auch gerecht werden. Herr Dietz, wenn Sie von Mitgeschöpfen reden, dann heißt das, eine Verbesserung auch in diesem Bereich zu erreichen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsident Frank Lortz:

Vielen Dank, Kollegin Hammann.

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