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02.02.2012

Ursula Hammann: Energiewende in Hessen muss im Wärmebereich beginnen

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Timon Gremmels, ich danke für den Applaus.

Das Thema „Energie“ ist ein Thema, das wir heute wieder auf die Tagesordnung gesetzt haben, weil es für uns ein sehr wichtiges Thema ist. Seit dem Energiegipfel sind wir in Hessen real doch keinen Schritt weitergekommen. Nichts hat sich wesentlich verbessert. Wir hatten zwar eine Regierungserklärung von Frau Ministerin Puttrich, wir hatten auch eine Pressekonferenz, auf der sie das Energiekonzept der Landesregierung vorgestellt hat – in unseren Augen noch unzureichend, aber mit sehr vielen interessanten Aspekten –, aber real sind wir noch nicht weitergekommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Wir hatten bereits im April letzten Jahres ein aktualisiertes Stromkonzept vorgelegt, um zu zeigen, mit welchen Möglichkeiten es machbar sein kann, die Energiewende im Strombereich bis zum Jahr 2030 aus 100 Prozent erneuerbaren Energien für den Strombereich zu erreichen.

Im November letzten Jahres haben wir ein neues Energiekonzept vorgelegt, das den Wärmebereich umfasst; denn wir wissen, dass eine Energiewende nur funktionieren kann, wenn alle Bereiche betrachtet werden, und dazu gehört auch der Wärmebereich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wie wichtig die Betrachtung des Wärmebereichs ist, wird daran deutlich, wie hoch sein Anteil am Gesamtenergieverbrauch ist und wie hoch die Kohlendioxid-Emissionen sind, die dabei auf den Wärmebereich entfallen – in beiden Sektoren sind dies immerhin 40 Prozent.

Sie alle können anhand der steigenden Nebenkosten absehen, wie wichtig es ist, gerade den Wärmesektor unter die Lupe zu nehmen. Wir müssen feststellen, dass dies immer mehr auch zu einer sozialen Frage wird – steigende Rohstoffkosten, die für die Wärmeerzeugung aufgewendet werden müssten, sprich: Warmwasser und Heizung. Das Ganze umfasst also auch einen sozialen Aspekt, und deshalb muss es ebenfalls berücksichtigt werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben in unserem Konzept den Markt untersucht, um festzustellen, welche Möglichkeiten es gibt, Wärmereduktion zu erzielen und wo wir erneuerbare Energien einsetzen können, um bisher eingesetzte konventionell erzeugte Energie zu ersetzen. Mit der heute schon zur Verfügung stehenden Technik ist es machbar, bis zum Jahr 2030 die Erzeugung von Wärme – das muss man einmal festhalten – um 36 Prozent zu senken. Weiterhin ist der Zubau an erneuerbaren Energien in diesem Bereich machbar; ebenfalls zu einem hohen Anteil von über 30 Prozent.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist etwas, was die Landesregierung noch immer erst erkennen muss. Ich fand es sehr schade, als ich nach der Pressekonferenz lesen musste, dass die Landesregierung selber sagte, sie sei nicht so ambitioniert wie das Land Rheinland-Pfalz. Nein, meine Damen und Herren, das darf nicht sein.

Wir müssen endlich zeigen, dass auch wir in Hessen es können, und da sind Sie in der Verantwortung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was ist denn alles nötig? – Wir brauchen dringend die Umsetzung einer Sanierungsquote von bis zu 3 %. Wir reden gerade von den Häusern, die vor 1978 gebaut worden sind; zurzeit haben wir dort eine Sanierungsquote von 1,1  Prozent. Hier ist dringender Handlungsbedarf gegeben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen den Austausch von alten Heizungen in diesem Bereich. Wir brauchen – und da sind wir uns Gott sei Dank einig – eine gute Energieberatung. Wer heute im Hinblick auf Wärmedämmung vor einer Haussanierung steht, der muss eine Rundumberatung bekommen und alle finanziellen Aspekte berücksichtigen. Das heißt, durch eine vernünftige Beratung können wir auch sehr viele psychologische Hürden abbauen und Hausbesitzer dazu bringen, eine schnellere Sanierung vorzunehmen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber es ist nicht allein die Beratung. Dazu gehört natürlich auch eine ausreichend gute Finanzierung. Mit einer vernünftigen Steuererleichterung, mit gut ausgestatteten Fördertöpfen auf Bundes- wie auch auf Landesebene ist es machbar, diese Energiewende schnell zu vollziehen. Da tun Sie noch zu wenig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei den Abg. Timon Gremmels (SPD) und Hermann Schaus (DIE LINKE))

Lieber Kollege Stephan, in diesem Zusammenhang ist Ihre Presseerklärung von damals, die Sie zu unserer Vorstellung des Wärmekonzeptes eingebracht haben – die ich heute auch teilweise in Ihrem Antrag wiederfinde –, sehr erklärend; denn man kann genau erkennen, dass sie in den letzten Jahren kaum etwas für den Bereich der Energieeffizienz getan haben. Es sind lediglich das HIER!-Projekt und der Bereich der Energieeffizienz für Mietwohnungen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Beratung, Finanzierung, aber auch gesetzliche Regelungen sind notwendig – und das haben Sie bisher versäumt. Wir haben einen verquasten § 121 in der Hessischen Gemeindeordnung. Daran wird deutlich, dass eine Energiewende so nicht funktionieren kann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Gerade über diese gesetzlichen Regelungen hat das Land doch die Möglichkeit, die Richtung ganz massiv mit zu beeinflussen. Ich erinnere Sie daran, dass wir schon vor einiger Zeit mehrere Gesetzentwürfe eingebracht haben – unsere Zukunftsenergie- und Klimaschutzgesetze –, die genau dies zum Inhalt hatten.

Die Anfangspunkte sind heute noch so aktuell wie damals: Das ist die Änderung der Hessischen Gemeindeordnung, die Änderung der Hessischen Bauordnung und die Änderung des Nachbarrechtsgesetzes, wenn man eine vernünftige Dämmung vornehmen will.

Die Kommunen – auch das ist Bestandteil unseres Wärmekonzeptes – müssen in die Lage versetzt werden, ihre Klima- und Energiepolitik vor Ort über ein Satzungsrecht massiv zu beeinflussen.

(Beifall bei den Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Timon Gremmels (SPD))

Das bedeutet, dass man natürlich auch den Passivhaus-Standard für Neubaugebiete in den Satzungen vorschreiben kann, das bedeutet den Einsatz von erneuerbaren Energien bei Sanierungsmaßnahmen. Das sind auch gebietsbezogene Sanierungspflichten, die erfüllt werden könnten, etwa die Festsetzung von Energieverbrauchswerten in diesem Bereich oder die schon erwähnte Modernisierung von Heizungsanlagen.

Wir haben uns alle Potenziale angesehen. Wir haben uns angesehen, wie es bei den Haushalten oder bei Industrie, Handel, Gewerbe und Dienstleistungen aussieht – überall konnten wir hohe Potenziale feststellen. Ich sage es noch einmal: Die Technik ist bereits heute vorhanden. Was ebenfalls vorhanden sein muss, ist der Wille zur Umsetzung, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gerade für die Bereiche Industrie und Gewerbe gibt es schon sehr viele und gute Beispiele, an denen erkennbar ist, dass sich der Einsatz von erneuerbaren Energien tatsächlich lohnt. Es gibt – Bierkenner mögen es vielleicht schon wissen – eine Brauerei in Kassel, die schon heute Solarthermie einsetzt, um sie im Brauprozess zu nutzen. Hier konnte also konventionell erzeugte Energie durch umweltfreundliche Energie ersetzt werden.

(Beifall des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Es gibt auch bereits den Einsatz von erneuerbaren Energien, sprich Solarthermie für Prozessdampf, in einem Wirkungskreis bis zu 200 Grad in der Metallveredelung. Auch hier gibt es Möglichkeiten des Einsatzes. Es wird schon genutzt, und es muss nur ausgebaut werden. Bei der Solarthermie gibt es insgesamt eine breite Palette von Einsatzmöglichkeiten. Dies sind Trocknungsprozesse, Vorerwärmungsprozesse bei Roh- und Eingangsmaterialien, Oberflächenbehandlung, Koch- und Waschprozesse. All das haben wir unter die Lupe genommen und gesagt: Hier muss eine Unterstützung im Hinblick auf eine gute Beratung und auf eine vernünftige Ausstattung über Fördermittel erfolgen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich möchte noch ein paar Worte zu dem sagen, was vonseiten der CDU zur Vorstellung unseres Wärmekonzepts gesagt wurde. Das kann man nicht einfach kommentarlos so stehen lassen. Als wir es vorgestellt haben, wurde dies als eine nette Modellrechnung ohne handfesten Hintergrund bezeichnet.

Meine Damen und Herren, diese Kritik ist wirklich hanebüchen. Wer es über zwölf Jahre hinweg nicht geschafft hat, etwas Eigenes auf den Weg zu bringen, und dann unser Konzept als eine Modellrechnung ohne handfesten Hintergrund bezeichnet, der ist jenseits von Gut und Böse.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Außerdem behaupten Sie, die GRÜNEN hätten nun auch erkannt, dass die Energieeffizienz der Schlüssel zur Energiewende ist, und Sie hätten das schon längst erkannt. Ich glaube, ich war im falschen Film. Ich habe über viele Jahre hinweg nicht feststellen können, dass Sie in diesem Bereich etwas getan haben. Das Gegenteil war doch der Fall, lieber Kollege Stephan.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Dem Ganzen kann man aber noch die Krone aufsetzen. Die CDU behauptet, sie sei auf einem guten Weg. Das Ziel, die Sanierungsquote auf 2,5 Prozent bis 3 Prozent pro Jahr zu steigern, haben wir bereits 2009 „festgeschrieben und im Rahmen des Energiegipfels noch einmal bekräftigt.“

Ich kann mich nicht erinnern, dass Sie das in den Jahren 2009 oder 2010 oder im Rahmen des Energiegipfels bestätigt haben. Wer hat das denn mit eingebracht? Das war doch unsere Initiative. Also die Opposition hat sich dafür eingesetzt. Das können Sie sogar in den Protokollen nachlesen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Schmücken Sie sich doch bitte nicht mit fremden Federn. Zeigen Sie einmal, dass Sie wirklich etwas in diesem Bereich beitragen können. Machen Sie deutlich, welche gesetzlichen Regelungen machbar sind. Sich allein darauf zurückzuziehen, dass man beraten und fördern will, und dann ein bisschen zu schwurbeln, was die gesetzlichen Regelungen angeht, das lässt Ihnen niemand mehr durchgehen.

Sie sind gefordert, das im Hessischen Landtag auf den Weg zu bringen, sodass das Land Hessen und die Menschen wirklich in die Lage versetzt werden, Energieeffizienz im Bereich der Wärme einzusetzen und den Wärmebereich auszubauen. Davon würden alle Bürgerinnen und Bürger, das Gewerbe und das Handwerk profitieren. Davon würde auch der Klimaschutz profitieren. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsident Heinrich Heidel:

Schönen Dank, Frau Kollegin Hammann.