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26.06.2014

Ursula Hammann: Aktuelle Stunde – Kein Aufweichen der Stabilitätskriterien

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs hat gestern begonnen. Im Vorfeld gab es ein Treffen der sozialistischen Staats- und Regierungschefs in Frankreich, und man hat eine Debatte über den Stabilitätspakt losgetreten. In dieser Debatte ging es um ein mögliches Aufweichen dieses Stabilitätspakts; sie wollen eine flexiblere Auslegung der Regeln zum Defizitabbau in Europa.

(Vizepräsident Wolfgang Greilich übernimmt den Vorsitz.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist nichts Anrüchiges, wenn man über eine Entwicklung in Europa spricht, wenn man weiß, dass es Länder gibt, die krisengeschüttelt sind, die Probleme auf dem Arbeitsmarkt und eine hohe Jugendarbeitslosigkeit haben.

Diese Diskussion hat Begehrlichkeiten in vielen Mitgliedstaaten geweckt. Man hat auch eine Diskussion geschürt, die da heißt: Möglicherweise können wir am Stabilitätspakt wieder etwas verändern. – Da sage ich Ihnen: Das ist schon ein Problem. Dieser Eindruck darf natürlich nicht entstehen.

Die Problematik der Arbeitslosigkeit, insbesondere der hohen Jugendarbeitslosigkeit, wurde eben angesprochen: 60 Prozent in einigen Mitgliedstaaten. Das darf uns nicht ruhen lassen. Das ist etwas, das uns auch umtreibt und wo wir Sorge haben. Die Diskussion um den Stabilitätspakt ist dabei aber die falsche Diskussion.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Es wäre ein fatales Zeichen und würde die Glaubwürdigkeit unserer europäischen Krisenpolitik beschädigen. Sie wissen alle, 2011 wurde der Stabilitätspakt erst reformiert. Die Diskussion ist an dieser Stelle absolut unnötig. Ich kann mich deswegen auch nur unserem Bundesvorsitzenden, Cem Özdemir, anschließen. Er bezeichnet diese Debatte um ein Aufweichen des Stabilitätspakts als „Placebo, das Europa nicht weiterbringt“.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir sind uns einig darüber, dass Europa die Wirtschafts- und Finanzkrise längst noch nicht überwunden hat. Es besteht aber kein Grund, dass wir jetzt am Stabilitäts- und Wachstumspakt in seiner jetzigen Form irgendetwas verändern.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Ich sage auch noch einmal, warum ich das denke. Wachstumsfördernde Investitionen und größere Strukturreformen sind nach dem derzeitigen Regelwerk bereits möglich. Die derzeit geltenden Verfahren und Regeln sind genügend flexibel. Auch die konjunkturelle Lage eines Mitgliedstaates wird bei der Ausgestaltung des Schuldenabbaupfades berücksichtigt. Insofern ist die Diskussion um eine mögliche Aufweichung des Stabilitäts- und Wachstumspakts eine falsche Diskussion.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Wachstum auf Pump um jeden Preis, das funktioniert nirgends mehr. Wir brauchen Haushaltsdisziplin. Haushaltsdisziplin ist mit Blick auf die nachfolgenden Generationen das Gebot der Stunde. Deswegen müssen alle EU-Staaten den Mut aufbringen, unsinnige Aufgaben zu hinterfragen. Ich sage auch ganz deutlich: Es ist notwendig, dass die Korruption eingedämmt wird, bei der sich Wenige in unglaublicher Weise auf Kosten Vieler bereichern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Es ist ebenfalls absolut wichtig, dass wir in Europa gemeinsam Steuerhinterziehung und Steuerbetrug bekämpfen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Das ist die Diskussion, die wir zu führen haben. Dieser notwendige Kampf gegen Verschwendung, Korruption und Steuervermeidung hat nichts, aber auch gar nichts mit dem Stabilitätspakt zu tun. Dieser Kampf bringt genügend Mehreinnahmen, um die dringend notwendigen Zukunftsinvestitionen in den Krisenländern Europas zu finanzieren.

Wir brauchen Investitionen in die Bildung junger Menschen. Es darf nicht passieren, dass in den Krisenländern eine halbe Generation in Arbeitslosigkeit und Resignation versinkt. In der gesamten EU stehen darüber hinaus große Investitionen an: in den ökologischen Umbau der Industriegesellschaft und in eine nachhaltige Energie- und Verkehrswirtschaft. Das muss gemeinsam gestemmt werden. Eine Diskussion um die Aufweichung des Stabilitätspakts ist dabei in keiner Weise hilfreich.

Kurz zusammengefasst: Strukturreformen und wachstumsfördernde Investitionen sind nicht nur nötig, sie sind auch nach dem derzeitigen europäischen Regelwerk möglich. Dabei wird die konjunkturelle Lage eines Mitgliedstaates bei der Ausgestaltung des Schuldenabbaupfades berücksichtigt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben die Möglichkeiten. Lassen Sie uns diese Probleme gemeinsam angehen. Lassen Sie uns nicht über eine Diskussion der möglichen Aufweichung eines Stabilitätspakts ereifern. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vizepräsident Wolfgang Greilich:

Vielen Dank, Frau Kollegin.

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