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23.03.2010
Portraitfoto von Tarek Al-Wazir vor grauem Hintergrund

Tarek Al-Wazir zur zur Änderung rundfunkrechtlicher Vorschriften

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist völlig klar, und an dem Punkt sind wir uns auch alle einig, dass das, was aufgrund der unterschiedlichen Rundfunkänderungsstaatsverträge in den letzten Jahren aufgegriffen wurde, vom Beihilfekompromiss mit der EU über den Dreistufentest bis hin zur Frage, was unternehmerische Kontrolle der Gremien des hr ist, geregelt werden muss. Bis hierhin sind wir uns sicherlich alle einig.

Herr Grüttner, spannend ist allerdings eher das, was nicht im Gesetz steht. Es gibt offensichtlich jenseits der Andeutungen, die Sie zu den Offenen Kanälen und den nicht kommerziellen Lokalradios gemacht haben, keine wirkliche Vorstellung der Landesregierung, wie ein Rundfunkgesetz im Jahre 2010 auszusehen hat. Ich habe mich gefreut darüber, in § 20 Abs. 3 Satz 3 des Entwurfs den schönen Satz zu finden, bei dem es um die Rechtsaufsicht des Landes über den hr geht: „In Programmangelegenheiten sind Weisungen unzulässig.“

Angesichts der Erfahrungen mit dem Herrn Ministerpräsidenten im Verwaltungsrat des ZDF wäre man fast geneigt, einen Änderungsantrag zu stellen, um dort hineinzuschreiben: „Auch indirekte Einflussnahmen sind unzulässig.“ Vielleicht sollten wir darüber nachdenken.

Ich glaube, dass wir in der Anhörung sicherlich auch die Frage stellen müssen, wie die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Jahre 2010 gewährleistet werden kann. Außerdem sage ich ausdrücklich noch einmal in einem anderen Zusammenhang, dass – Stichwort: Normenkontrollklage, was das ZDF angeht – immer noch zwölf Abgeordnete des Deutschen Bundestags zum Normenkontrollantragsquorum fehlen. Ich würde mir wünschen, dass vielleicht auch hessische SPD-Abgeordnete sich jetzt endlich einen Ruck gäben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der LINKEN – Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Ich glaube, dass gerade in der jetzigen Situation, in der die immer schnellere Verbreitung von Onlineangeboten die Medienlandschaften in einer Geschwindigkeit verändert, wie man es sich vor zehn Jahren noch nicht vorstellen konnte, die Rolle von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten für die unabhängige Information der Bevölkerung von Tag zu Tag wichtiger wird. Deswegen wünsche ich mir, dass wir in einer sehr sorgfältigen Anhörung überlegen, ob die Änderungsvorschläge der Landesregierung ausreichend sind oder ob sie ergänzt werden sollten.

Herr Grüttner, Sie haben angedeutet – auch das steht nicht im Gesetzentwurf –, dass Sie sich in der Staatskanzlei offensichtlich Gedanken über Veränderungen bei Offenen Kanälen und nicht kommerziellen Lokalradios machen. Ich sage in einem Punkt ausdrücklich, dass die Gedanken richtig sind, ob es Veränderungsbedarf gibt. Ich sage aber schon jetzt sozusagen präventiv, dass an einem bestimmten Punkt ein Stoppschild kommen wird.

Ich glaube, es ist richtig, dass man sich im Jahre 2010 Gedanken darüber macht, wie sich die Medienlandschaft seit 22 Jahren verändert hat. Ich gehe davon aus, dass wir alle inzwischen ein Aufnahmegerät für Videoaufnahmen in der Tasche haben, das in der Qualität ungefähr dem entspricht, was 1988 drei oder vier Offene Kanäle an technischer Ausstattung hatten. Wir haben inzwischen die Situation, dass faktisch nicht nur jeder Empfänger ist, sondern dass theoretisch fast jeder ein Sender sein kann. Wie heißt es so schön? „Youtube – broadcast yourself“.

Die Frage, ob das zu einer Veränderung bei der visuellen Darstellung führen kann und inwieweit die Medienkompetenz viel eher im Vordergrund steht, oder auch die Frage, ob man so etwas wie Internetsendestationen anbietet, die übrigens den Vorteil haben, dass mehr Menschen sie empfangen können als nur diejenigen, die einen Kabelanschluss haben, sind ausdrücklich richtig. Ich sage aber zweitens, dass beim UKW-Radio – oder FM, wie man heute sagt – diese Entwicklung offensichtlich nicht weitergegangen ist, sondern alle Versuche, dort irgendetwas zu verändern, nicht weitergekommen sind. Die Menschen haben weiterhin ihr Radio in der Küche, im Bad, im Wohnzimmer oder im Auto, und zwar in alter Technik. Dementsprechend gibt es einen großen Unterschied zwischen der visuellen Darstellung – Stichwort: Offene Kanäle – und den nicht kommerziellen Lokalradios.

Und hier kommt ein großes Stoppschild: Wenn es darum geht, weiterzuentwickeln

(Ein Handy klingelt laut.)

– Herr Direktor, Glückwunsch nachträglich zum Geburtstag –,

(Zuruf des Abg. Axel Wintermeyer (CDU) – Heiterkeit)

wenn es darum geht, zu überlegen, wie man heute das, was wir 1988 einmal in Gesetzesform gegossen haben, auf den Stand der Zeit bringen kann, dann signalisiere ich ausdrücklich Zustimmung. Wenn es am Ende aber nur darum geht, von den 2-Prozent-Mitteln etwas in die wirtschaftliche Filmförderung zu stecken, um Landesgeld zu sparen, dann sage ich Ihnen ausdrücklich: Das wäre eine falsche Idee.

Das sage ich sozusagen präventiv vorab, weil ich weiß, in welche Richtung manche denken. – Vielen herzlichen Dank. Ich freue mich auf die Anhörung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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