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08.12.2009
Portraitfoto von Tarek Al-Wazir vor grauem Hintergrund

Tarek Al-Wazir zum Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Gesetz zu dem Dreizehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will vielleicht einmal die Tatsache anmerken, dass hier zwei Regierungsfraktionen und eine Fraktion, deren ehemaliger Parteivorsitzender Vorsitzender der Rundfunkkommission der Länder ist, nämlich Herr Beck, gerade eben viel gesagt haben, und will deutlich kritischere Worte zu diesem Rundfunkänderungsstaatsvertrag finden.

(Beifall des Abg. Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE) – Zuruf des Abg. Wolfgang Greilich (FDP))

Erstens. Ich fange mit dem Positiven an. Das einzig Positive ist, dass jetzt Produktionsbeistellung oder Produktionshilfe auch klar als Produktplatzierung gekennzeichnet ist. Das heißt, man sagt jetzt, worum es wirklich geht. Denn – jetzt nenne ich auch einmal eine ZDF-Sendung – eine Reederei stellt ihr Kreuzfahrtschiff zwar unentgeltlich für eine Sendung zur Verfügung, hat dabei aber die Hoffnung, dass Menschen, die die Sendung sehen, denken: „Auf dem Schiff will ich auch einmal fahren.“ Wie sich inzwischen gezeigt hat, ist diese Hoffnung nicht unbegründet gewesen. Insofern ist völlig klar: Es muss in Zukunft auch bei unentgeltlichen Bereitstellungen gesagt werden, dass es sich um Produktplatzierung handelt. Das ist positiv.

(Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens. Es gibt aber auch etwas Negatives. Herr Greilich, aus meiner Sicht ist es falsch, was dort geregelt worden ist. Sie haben es ausdrücklich begrüßt. Ich finde, es ist eindeutig falsch. Man hätte die EU-Richtlinie auch benutzen können, um zu sagen, dass die sogenannten Produktplatzierungen schlicht nicht erlaubt sind. Diese Regelungsmöglichkeit hätte es gegeben. Die Ministerpräsidenten haben sich anders entschieden und haben das auch begründet.

Ich fand sehr interessant, was Ministerpräsident Beck gesagt hat: Erstens. Wir haben ökonomische Einbrüche in der Medienlandschaft. Wir wollen das kompensieren. Zweitens hat er gesagt, es gäbe eine Abwanderung von Werbung ins Internet. Das wolle man da auch kompensieren. Drittens – das fand ich ganz doll – hat er gesagt, es habe bisher ständig Verstöße gegen die Regeln zur Schleichwerbung gegeben. Deswegen hätte man neue Vorgaben mit klarer Transparenz gebraucht.

Dieses Argument kenne ich im Übrigen vor allem von denen, die für die Freigabe von Haschisch sind, nach dem Motto: „Es rauchen so viele. Das können wir auch freigeben.“ Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn jetzt der Ministerpräsident sagt: „Es hat sich eh keiner an die Regel gehalten, also geben wir es frei“, dann finde ich das eine für einen Ministerpräsidenten doch erstaunliche Erkenntnis.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Ich glaube, dass mit diesem Rundfunkänderungsstaatsvertrag ein Fehler gemacht wird. Schon an den Ausnahmen – Stichwort: bei Kindersendungen darf es nicht sein, bei Ratgebersendungen darf es nicht sein, bei Nachrichten darf es nicht sein – sieht man doch, dass Produktplatzierungen an sich nicht als etwas angesehen werden, was gut ist. Ich weiß schon jetzt, dass wir in den nächsten Jahren Situationen erleben werden, wo es zu Rechtsstreitigkeiten über die Frage kommen wird: Was ist eigentlich leichte Unterhaltung? – Ich finde, wir können im Ausschuss einmal vertieft darüber reden, wie wir leichte Unterhaltung definieren würden.

Ich finde es spannend, wenn es am Ende zur Debatte über die Frage kommt, ob ein Produkt besonders herausgestellt worden ist oder eben nicht. Die Vorgaben sagen jetzt, es darf zwar herausgestellt werden, aber eben nicht besonders herausgestellt werden. Ich finde es spannend, wenn man sagt, dass das faktisch Schleichwerbung ist, es aber keine Schleichwerbung mehr sein soll, weil man am Anfang und am Ende darauf hinweist, dass dort Produkte gegen Bezahlung im Programm auftauchen. Gleichzeitig steht im Staatsvertrag aber, es solle nicht unmittelbar zu Kauf, Miete oder Pacht von Waren aufgefordert werden. Da stellt sich die spannende Frage: Warum zahlt denn dann jemand dafür, dass sein Produkt da auftaucht?

Ganz besonders spannend wird es bei der Frage, dass ein Drehbuch – faktisch heißt es das – nicht um ein Produkt herum geschrieben werden soll.

Ich erinnere mich an einen schönen Film, wo Tom Hanks auf einer Insel landete. Der Film fing mit einem FedEx-Flugzeug an, und die ganzen 90 Minuten des Films schwammen FedEx-Pakete durch die Gegend. Am Ende wurde er auch wieder auf der FedEx-Basis empfangen. Die spannende Frage wäre jetzt: Wenn ein solcher Film oder eine solche Produktion nicht in Hollywood in Auftrag gegeben worden wäre, sondern hier, sagen wir einmal, von der Degeto, wäre das dann möglich gewesen oder nicht? Wie beweist man einem Drehbuchschreiber, dass er einen solchen Film um ein Logistikunternehmen herum geschrieben hat?

An diesen Punkten sehen Sie schon: Wir mussten wegen der EU-Richtlinie einen Rundfunkänderungsstaatsvertrag auf den Weg geben. Aber es wäre besser gewesen, wenn man sich ganz klar dafür entschieden hätte, dass Schleichwerbung auch in Zukunft nicht erlaubt sein soll.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich freue mich auf die Anhörung. Ich weiß, dass viele von Ihnen es auch so sehen wie wir. Ich bin mir trotzdem sicher – das ist leider bei Staatsverträgen so –, dass am Ende, obwohl viele es so sehen wie wir, eine Mehrheit zustimmen wird. Das ist das Verrückte in der Medienpolitik von Bund und Ländern. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

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