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29.04.2010
Portraitfoto von Tarek Al-Wazir vor grauem Hintergrund

Tarek Al-Wazir zu: Verfassungsschutz stärkt unsere Sicherheit

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, wir haben uns ein bisschen über den Titel Ihrer Aktuellen Stunde gewundert, weil er mit dem Inhalt des Verfassungsschutzberichts, der Anlass für diese Aktuelle Stunde ist, nicht wirklich zusammenpasst. Der Titel der Aktuellen Stunde lautet nämlich: Verfassungsschutz stärkt unsere Sicherheit – linke Gewalt besorgniserregend. – Meine Damen und Herren, wir finden jede Form von Gewalt besorgniserregend.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Zurufe von der CDU)

Ich habe eigentlich gedacht, dass wir uns darüber einig sind, dass Extremisten aller Seiten eine Gefahr für unsere freie und offene Gesellschaft sind. Ich habe eigentlich gedacht, dass wir uns darauf einigen könnten, dass Gewalt überhaupt kein Mittel der politischen Auseinandersetzung sein darf.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wenn man sich die Zahlen im Verfassungsschutzbericht anschaut, stellt man fest, dass wir im Bereich des Rechtsextremismus fast 800 Straf- und Gewalttaten und im Bereich des Linksextremismus 112 Taten zu verzeichnen haben. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, insofern bitte ich Sie doch darum, darüber nachzudenken, ob der Titel der Aktuellen Stunde nicht ein eingeschränktes Blickfeld zeigt, dass man in diesem Parlament – auch ansonsten – eigentlich nicht haben sollte.

Ich denke, dass wir im Bereich des Rechtsextremismus konstatieren müssen, dass die Zahl rechtsextremistisch aktiver Personen zwar sinkt, dass es aber gleichzeitig eine steigende Zahl Gewaltbereiter gibt. Um es einmal deutlich auszudrücken: Wenn diejenigen, die vor 50 Jahren Mitglied der DVU oder der NPD geworden sind jetzt sterben, dann ist damit für die Sicherheit in Hessen noch nichts gewonnen. Entscheidend ist vielmehr, Herr Bellino, dass es im Bereich des Rechtsextremismus ein zunehmend gewaltbereites Potenzial gibt, das, und das ist neu, inzwischen auch Polizeibeamte angreift – beispielsweise die „Freien Kräfte Schwalm-Eder“, die im Bericht explizit genannt sind.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Insofern ist das ein deutliches Zeichen dafür, dass wir im Bereich des Rechtsextremismus ein großes Problem haben.

Auch im Bereich des Linksextremismus gibt es bundesweit besorgniserregende Aktivitäten. Ich darf betonen, dass es die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Berliner Abgeordnetenhaus war, die deutlich darauf hingewiesen hat, dass das Anzünden von Autos hochgefährlich, Gewalt und zu verurteilen ist. Diese Resolution haben übrigens alle Fraktionen im Berliner Abgeordnetenhaus unterstützt – außer der FDP.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

– Auch die Linkspartei. – Ich glaube, dass es sehr wichtig ist, dass man das im Auge hat. Glücklicherweise sind wir in Hessen von diesem Problem aber noch nicht betroffen. Ich hoffe, dass das so bleibt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich denke, dass wir uns insgesamt einmal über die Frage auseinandersetzen müssen, nach welchen Kriterien die Landesämter für Verfassungsschutz vorgehen. Ich weiß, dass die Kommunistische Plattform in der Linkspartei auf jeden Fall eine andere Verfassung haben will. Fraglich ist, ob die gesamte Linkspartei eine andere Verfassung will. Wenn man sich die Realität der Regierungsbeteiligungen in Berlin und Brandenburg anschaut, kann ich nur sagen: Wir hätten uns in Sachen Wohnungswirtschaft gegenüber Goldman Sachs anders verhalten. Insofern: Da ändert sich relativ schnell relativ viel. Da müsste man einmal genauer hinschauen, ob wir nicht das Problem haben – wie von einigen gesagt wird –, dass die Beobachtungskriterien, die der Verfassungsschutz anlegt, was die Linkspartei angeht, jeweils davon abhängen, wer die Landesregierung stellt. Das kann auf lange Sicht unserer Meinung nach nicht so bleiben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, wenn man sich den Verfassungsschutzbericht aufmerksam durchliest, stellt man auch fest, der Verfassungsschutz muss aufpassen – Stichwort: Studentenproteste –, dass er nicht die Masse der Protestierenden in eine Reihe mit Extremisten stellt. Herr Innenminister, auch da ist es angesagt, sich einmal genau zu überlegen, wie man das formuliert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Letzter Punkt. Im Zusammenhang mit dem Islamismus vermisse ich eine geschlossene Präventionsstrategie und auch ein Konzept. Es sind jetzt neun Jahre nach dem 11. September 2001 vergangen, und wir stellen fest, dass Leute in diesem Bereich anfällig sind, die damals vielleicht zehn Jahre alt waren. Offensichtlich sind wir in den letzten zehn Jahren in diesem Bereich nicht so erfolgreich gewesen, was den Kampf um die Köpfe angeht – um diesen Spruch einmal anders herum zu wenden, Herr Innenminister –, wie wir es eigentlich hätten sein müssen.

Insofern hoffe ich, dass man sich nicht nur für echte oder vermeintliche Erfolge abfeiern lässt, sondern dass man – letzter Satz –

Vizepräsident Frank Lortz:

Herr Al-Wazir, Sie müssen den letzten Satz jetzt wirklich beenden.

Tarek Al-Wazir:

in allen Bereichen des Extremismus wirklich präventiv wirkt. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsident Frank Lortz:

Vielen Dank.

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