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07.09.2010
Portraitfoto von Tarek Al-Wazir vor grauem Hintergrund

Tarek Al-Wazir zu: Regierungserklärung des Hessischen Ministerpräsidenten - „Gemeinsam für ein starkes Hessen“

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir haben, Herr Ministerpräsident Bouffier, mit großer Aufmerksamkeit verfolgt, was Sie der Opposition angeboten haben. Sie haben nämlich ein Angebot gemacht, im Stil ein faireres Miteinander und eine konstruktivere Zusammenarbeit zu pflegen. Wir begrüßen dieses Angebot außerordentlich, Herr Bouffier. Wir begrüßen das unter anderem deshalb, weil im Hessischen Landtag in den letzten elfeinhalb Jahren aus Sicht von CDU und FDP immer galt, dass Mehrheit gleich Wahrheit ist.

Wir hören dieses Angebot nach den jahrelangen schlechten Erfahrungen mit der Arroganz der Macht sehr gerne, aber, Herr Bouffier, Sie werden sicherlich Verständnis dafür haben, dass es uns angesichts dieser Erfahrungen auch darauf ankommt, dass nicht nur solche Ankündigungen gemacht werden, sondern dass dieser neue Stil auch Realität wird, nicht nur bei Ihnen, Herr Ministerpräsident, sondern auch bei Ihrer Regierung und – ich füge hinzu – auch bei den Koalitionsfraktionen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

– Der Opposition auch. Sie können ja am Ende meiner Rede bewerten, Herr Wagner, ob ich meinem eigenen Maßstab gerecht geworden bin. Ich weise aber darauf hin, Herr Kollege Rentsch, dass Sie mit dem neuen Stil offensichtlich noch große Probleme haben,

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

was mich wundert, weil Sie ja der jüngste und am kürzesten im Amt befindliche Fraktionsvorsitzende sind. Dass man schon nach so kurzer Zeit im Amt auf einer eingefahrenen Spur ist, von der man offensichtlich nicht mehr herunterkommt, das wundert einen dann schon, lieber Kollege Rentsch.

(Zuruf des Ministers Jörg-Uwe Hahn)

– Nein, ich bin überhaupt nicht neidisch, Herr Hahn. Ich habe ein gewisses Verständnis dafür, denn wenn ich die Umfragewerte der FDP hätte, wäre ich auch nervös. Aber man muss deswegen noch lange nicht alle anderen beschimpfen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Herr Justizminister, Sie verstehen das sicher: Im Strafrecht würde man das „tätige Reue“ nennen. Ich will also nicht nur die Ankündigung, ich will auch sehen, dass es real passiert. Herr Rentsch hat es noch nicht ganz geschafft.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Bouffier, wir haben eine Ankündigung eines neuen Stils. In Ihrer Rede hat sich auch der Versuch gezeigt, einen mitfühlenden Konservativen dem betriebswirtschaftlichen Rasiermesser, das wir vorher hatten, gegenüberzustellen. Aber ich glaube, Herr Innenminister a. D. – hätte ich jetzt fast gesagt –,

(Zuruf des Ministerpräsidenten Volker Bouffier)

Herr Ministerpräsident – ich muss mich auch noch daran gewöhnen, ich gebe es zu –, dass Sie natürlich nicht nur einen neuen Stil brauchen, sondern dass Sie auch einen wirklichen Neuanfang in der hessischen Landespolitik in der Sache brauchen. Da hat Ihre Regierungserklärung nicht wirklich viel Wegweisendes beinhaltet.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben, Herr Bouffier, vor einigen Tagen in einem hessischen Radiosender auf die Frage „Was können Sie besser als Roland Koch?“ geantwortet: Überhaupt nichts. – Das wäre schlecht, Herr Ministerpräsident. Das wäre wirklich schlecht. Sie müssen einige Sachen besser können, weil wir nach elfeinhalb Jahren vor der Situation stehen, dass wir ungelöste Probleme in der Finanzpolitik haben, dass wir ungelöste Probleme in der Energiepolitik haben, dass wir ungelöste Probleme in der Bildungspolitik haben, dass wir ungelöste Probleme bei der Sozialpolitik haben. Da müssen Sie etwas besser machen. Nicht nur der Ton, sondern auch der Inhalt muss besser werden, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen zu der Frage: Wo stehen wir denn im September 2010? Das Land Hessen geht auf 40 Milliarden Euro Gesamtverschuldung zu. Von diesen 40 Milliarden Euro – ich will jetzt hier keine Schärfe in die Debatte bringen – sind knapp die Hälfte in den letzten elf Jahren dazugekommen, und zwar seit CDU und FDP 1999 die Regierungsverantwortung übernommen haben. Sie sind mit 22 Milliarden Euro gestartet.

Wir sind in der absurden Situation, dass, obwohl die Zinsen momentan ein historisch niedriges Niveau erreicht haben, wir trotzdem von den Steuerzahlungen der Bürgerinnen und Bürger jedes Jahr 1,5 Milliarden Euro alleine an Zinsen zahlen, die wir nicht für Bildung ausgeben können, die wir nicht für Sozialpolitik ausgeben können, die wir nicht für das ausgeben können, was einen Staat ausmacht. Ich möchte mir gar nicht vorstellen, in welcher Situation wir wären, wenn wir den Zinssatz von Anfang der Neunzigerjahre hätten.

Insofern sage ich Ihnen ausdrücklich: So geht es nicht mehr weiter. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, das hat auch schon im letzten Jahr um diese Zeit gegolten. Im letzten Jahr um diese Zeit haben wir einen Bundestagswahlkampf gehabt, wo noch welche herumgerannt sind und erklärt haben: „Wir wollen massive Steuersenkungen“ – da stand die Schuldenbremse auch schon im Grundgesetz –; und wir haben eine Situation gehabt, dass Parteien einen Koalitionsvertrag ausgehandelt haben – daran waren auch ein paar der hier anwesenden Personen beteiligt –, die dafür gesorgt haben, dass die Probleme größer geworden sind.

Herr Ministerpräsident, das bedeutet, um es jetzt einmal konkret zu machen: Eine Zustimmung einer Landesregierung, die es ernst meint, mit dem Marsch in den Schuldenstaat, mit Steuergeschenken à la Wachstumsbeschleunigungsgesetz Schluss zu machen, darf es nie wieder geben – wenn Sie das ernst meinen, was Sie hier gesagt haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wir sind ausdrücklich der Auffassung, dass in wirtschaftlichen Normalzeiten, also nicht in Zeiten von Wirtschaftskrisen oder Naturkatastrophen, die Haushalte ausgeglichen sein sollten. Das ist völlig richtig. Ich sage das auch an die Adresse der Linkspartei: Die Schuldenbremse ist kein Schuldenverbot. Die Schuldenbremse, wenn man sie richtig ausgestaltet und auch mit den richtigen Einnahmen ausstattet, ist die Umsetzung eines keynesianischen Prinzips in rechtliche Regeln. Es ist genau kein Neoliberalismus.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber dazu gehört dann auch: Die staatsradikale Linkspartei muss verstehen, dass Schuldenmachen an sich noch keine Politik ist, und die marktradikale FDP muss verstehen, dass, wer die Steuern immer weiter senkt, die Schulden immer weiter erhöht. So einfach ist das. Dazu gehören einfach nur die Grundrechenarten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Ich bin dafür, dass wir alle Anstrengungen unternehmen, um die Haushalte auszugleichen. Aber es gehört eben auch dazu, und das geht dann an die Mehrheit, dass man aus der Schuldenbremse kein parteipolitisches Projekt macht. Wir haben die Sorge, dass Sie angesichts Ihrer schlechten Umfragewerte und des Gefühls, dass Sie bei der Kommunalwahl am 27. März einen Vorteil davon hätten – Klammer auf: den Sie gar nicht haben werden, Klammer zu –, versuchen, das hier konfrontativ durchzusetzen. Dazu sage ich Ihnen ausdrücklich: Wenn Sie das so vorhaben, dann werden Sie der Sache nicht gerecht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

An dem Punkt Schuldenbremse werden wir in den nächsten Wochen exemplarisch sehen, ob das Angebot zu konstruktiver und sachlicher Zusammenarbeit über die Grenzen von Koalition und Opposition hinweg wirklich ernst gemeint ist. Wir stehen zur Zusammenarbeit bereit.

(Zuruf des Abg. Leif Blum (FDP))

– Lieber Kollege Blum, die Minderheit kann Vorstellungen der Mehrheit aufnehmen, aber das ändert an der Mehrheit nichts. Beweisen, ob wirklich etwas verändert wird, muss die Mehrheit: ob sie in der Lage ist, Vorstellungen der Minderheit aufzunehmen. So ist das nun einmal.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Leif Blum (FDP))

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gehört dazu, dass wir diese Schuldenbremse nicht so umsetzen, dass am Ende die Kommunen ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen können. Wir brauchen den Schutzwall für die Kommunen, wenn wir wollen, dass die Schuldenbremse nicht zu Verwerfungen führt, die hier niemand will, und wenn wir auch wollen, dass ein großer Teil der Gesellschaft diesen Weg mitgeht. Wir müssen auch beschreiben, wie dieser Weg zu dem ausgeglichenen Haushalt aussehen soll.

Ich weiß ja, was es bedeutet, wenn man noch vor einem Jahr ganz Deutschland mit Steuersenkungsversprechen zuplakatiert hatte. Aber es ist eine ganz einfache Rechnung: Das Land Hessen hat 40 Milliarden Euro Schulden. Unser Landeshaushalt hat etwas mehr als 20 Milliarden Euro Umfang jährlich. Unser Personalkostenanteil ist 50 Prozent, und unser Defizit ist 3 Milliarden Euro. Wenn Sie glauben, das könnte man einfach wegsparen, liebe Kollegen von der FDP, dann täuschen Sie sich schlicht und sind auf Ihre Art und Weise genauso irreal wie die Linkspartei.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der FDP)

Deswegen schlagen wir auch vor, dass wir am Donnerstag eine ernsthafte Debatte führen und dass wir nicht nur eine übliche Anhörung machen, sondern dass wir im Laufe dieses Gesetzgebungsprozesses eine breite gesellschaftliche Debatte organisieren, damit wir wirklich dazu kommen, niemanden vor vollendete Tatsachen zu stellen, sondern klarzumachen: Wir wollen das, aber das wird Anstrengungen bedeuten.

Sie haben mit einem Ihrer Plakate aus der vorletzten Wahl völlig recht gehabt: „Die Schulden von heute sind die Steuern von morgen.“ Dann hätten Sie aber auch nicht so viele machen dürfen.

Das ist genau der Punkt. Ich glaube, dass wir unter dem Strich zu weniger Ideologie – das war sehr schön, Herr Ministerpräsident – und mehr Pragmatismus kommen müssen. Manchmal reichen dafür schon die Grundrechenarten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Ministerpräsident, wir haben uns sehr genau angehört, was Sie zu dem angebotenen Schutzschirm für die Kommunen vorgeschlagen haben. Ich finde es ausdrücklich richtig, dass nach der rheinland-pfälzischen auch die hessische Regierung erkennt, dass es in bestimmten Situationen bei Kommunen eine so hohe Altschuldenproblematik gibt, dass es da bereits eine Spirale aus Schulden, Zinszahlungen und neu hinzugekommenen Defiziten gibt, aus der manche Kommunen aus eigener Kraft nicht mehr herauskommen können. Die Schulden der Kommunen in Hessen betragen insgesamt 18 Milliarden Euro; das ist der Stand vom 31.12.2008. Wir werden da inzwischen wahrscheinlich auch bei 20 Milliarden Euro gelandet sein.

Deswegen sind wir sehr gespannt darauf, wie die konkreten Regelungen aussehen. Denn Sie werden morgen einerseits vorschlagen, den Kommunen jährlich 375 Millionen Euro aus dem Kommunalen Finanzausgleich herauszunehmen. Dann ist es ein bisschen schwierig, wenn Sie andererseits 3 Milliarden Euro Schulden übernehmen wollen. Wir kennen die gegenwärtigen Zinssätze. Das bedeutet unter dem Strich in der momentanen Situation 100 Millionen Euro Mehrbelastung. Wenn Sie die noch teilen und die Kommunen die Hälfte davon bezahlen, dann ist Ihnen völlig klar, warum es in dieser Situation wirklich aufs Kleingedruckte und auf die konkrete Regelung ankommen wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Herr Ministerpräsident, Sie haben einen schönen und sehr wichtigen Satz gesagt: „Diese Regierung wird sich nicht zur Vertreterin von Einzelinteressen machen.“ Ich finde, wir sollten einmal versuchen, soweit das bei diesem Thema möglich ist, diesen Satz auf das anzuwenden, was in der Energiepolitik am Sonntag passiert ist.

Wir haben am Sonntag eine Entscheidung der Spitze der Bundesregierung gehabt, die Laufzeiten von Atomkraftwerken zu verlängern. Ich sage Ihnen, was das Ergebnis sein wird, wenn das so in die Realität umgesetzt würde. Das Ergebnis wird sein, dass die vier großen Energiekonzerne – da gibt es Berechnungen – zwischen 60 und 100 Milliarden Euro zusätzliche Einnahmen haben werden. Von diesen zusätzlichen Einnahmen wird weniger als die Hälfte durch die – inzwischen sogar noch reduzierte – Brennelementesteuer oder sogenannte freiwillige Abgabe wieder „weggenommen“. Das heißt, Sie sorgen dafür, dass die vier großen Energieoligopolisten, die – am Beispiel RWE – im ersten Halbjahr 2010  6 Milliarden Euro Gewinn hatten, diesen Gewinn noch weiter steigern werden.

Gleichzeitig sorgen Sie dafür, dass beispielsweise die Stadtwerke in den nächsten Jahren nach Schätzungen von Herrn Filbert von der HSE auf 4,5 Milliarden Euro verzichten müssen.

Wenn Sie das wirklich ernst meinen – jetzt einmal jenseits jeder Debatte über Atomenergie –, dass sich diese Regierung nicht zur Vertreterin von Einzelinteressen machen sollte, dann müssten Sie jetzt eigentlich sagen: Das kann so nicht stehen bleiben, worauf sich die Bundesregierung da geeinigt hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Es ist das Gegenteil von Wettbewerb. Es ist die Stärkung des Oligopols. Es ist das Gegenteil von Wertschöpfung in Hessen. Es ist das Gegenteil von Arbeitsplätzen in Hessen. Es ist der Beweis dafür, dass sich eine Bundesregierung am Ende den Wünschen von vier Großkonzernen gebeugt hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Sie merken, ich habe noch gar nichts zu grundsätzlich anderen Einschätzungen gesagt, ob Atomenergie verantwortbar ist oder nicht. Aber was glauben Sie eigentlich, wie das in der Bevölkerung ankommt, wenn jetzt zu hören ist, dass die Stromkonzerne mit Telefonschaltkonferenz direkt mit der Bundeskanzlerin konferiert haben und während der ganzen Verhandlung noch gesagt wurde: „Ach, machen wir noch einmal 10 Euro Brennelementesteuer pro Gramm Uran weniger, weil ansonsten dieses und jenes Kraftwerk unwirtschaftlich würde“? Was glauben Sie eigentlich, wie das bei Leuten ankommt, wo der andere Teil des Sparpakets greift, beispielsweise die Streichung des Elterngeldes für Hartz-IV-Empfänger? Da kann ich mich nicht erinnern, dass es eine Telefonkonferenz mit Hartz-IV-Empfängern gab: Wollt ihr vielleicht die Hälfte behalten, oder ist euch das ein bisschen zu viel, was wir da streichen wollen? – Was glauben Sie eigentlich, was das mit Vertrauen in Politik und mit der Frage macht, was die Menschen glauben, wer hier eigentlich dieses Land regiert?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Deswegen sage ich Ihnen: An diesem Punkt kann das letzte Wort noch nicht gesprochen sein.

Herr Ministerpräsident und auch Frau Puttrich, ich sage Ihnen ausdrücklich: Sie müssen schon die Frage beantworten, wie es eigentlich sein kann, dass ein Bundesumweltminister noch vor einer Woche sagt: „Biblis A ist unsicher, weil nicht vor Flugzeugabstürzen geschützt“ und davon jetzt auf einmal keine Rede mehr ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Sie müssen die Frage beantworten, warum dieses Kraftwerk als einziges keine externe Notstandswarte hat: weil nämlich der Abschaltzeitpunkt inzwischen eigentlich schon überschritten ist. Herr Bouffier, da sage ich Ihnen: Wir haben die Aussage gehört: „Wir wollen uns nicht zum Vertreter von Einzelinteressen machen“. Dem müssen dann aber auch Taten in der Sache folgen. Das Energiekonzept, das die Bundesregierung vorgelegt hat, das keines ist, ist die erste Nagelprobe für die Frage, was eigentlich gilt: das Gemeinwohl oder die Einzelinteressen von vier Großkonzernen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ich will noch eines zur Frage der Energie sagen. Herr Ministerpräsident, immerhin haben Sie das Wort Windkraft in den Mund genommen, ohne dass ein Monster dahinter kam. Das ist schon einmal ein Fortschritt.

(Zuruf der Abg. Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Sie haben auch gesagt, dass die Topografie Hessens für Windkraft nicht so geeignet sei. Nun sage ich Ihnen: Darüber könnte man lange streiten. Aber wir sind uns immerhin einig, dass wir nicht an der Nordsee liegen, jedenfalls noch nicht. Aber, Herr Bouffier, ein Blick nach Rheinland-Pfalz – Florian Rentsch hat die Hälfte seiner Rede mit Ausführungen über Rheinland-Pfalz verbracht – zeigt Ihnen, dass Rheinland-Pfalz im Jahr 2008 einen Anteil von erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung von 13 Prozent hatte und Hessen von 5,6 Prozent. Ich fürchte, inzwischen sind die bei 15 Prozent und wir immer noch bei 5,6 Prozent. Das heißt, sie haben dreimal so viel.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Herr Ministerpräsident, jetzt sage ich Ihnen: Auch Rheinland-Pfalz liegt nicht an der Nordsee. Es scheint also auch etwas mit der Landespolitik zu tun zu haben.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Deswegen warten wir einmal ab, ob die Tatsache, dass Sie inzwischen das Wort Windkraft aussprechen können, ohne dass reflexartig ein Monster dahinter kommt, zu realen Veränderungen in der Landespolitik führt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich wollte die Arbeitsplatzzahlen von SMA eigentlich gar nicht benennen. Aber da Sie, Herr Kollege Rentsch, es angesprochen haben: Ja, sie sind inzwischen über 5.000 Beschäftigte. Ja, sie sind ziemlich alt. Ja, es ist eine Ausgründung aus dem ISET gewesen. Der Unterschied ist: Sie hatten damals 200 Beschäftigte. Jetzt haben sie 5.000. Das zeigt, dass die politischen Rahmenbedingungen offensichtlich etwas verändert haben. Ich möchte, dass wir endlich die wirtschaftlichen Chancen, die in den erneuerbaren Energien liegen, auch in diesem Land für Arbeitsplätze, für Wertschöpfung, für Steuereinnahmen und für die Umwelt nutzen. Was kann es denn Besseres geben?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Herr Ministerpräsident, was die wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit angeht, werden wir auch in dieser Woche darüber reden, ob Ihre Regierung den Mut hat, in der Frage Ballungsraum Frankfurt/Rhein-Main endlich einmal zu springen, nachdem alles gescheitert ist, was in den letzten elfeinhalb Jahren auf den Weg gebracht worden ist. Es reicht nicht, einfach nur zu sagen: „Wir setzen einen Oberbürgermeister in einen Regionalvorstand“, und damit hat es sich, sondern wir brauchen eine andere Verfasstheit der Rhein-Main-Region. Das wissen eigentlich auch Sie.

Herr Ministerpräsident, bei den Ausführungen zur wirtschaftlichen Zukunftsfähigkeit war ich ein bisschen enttäuscht. Sie haben völlig richtigerweise gesagt – an dem Punkt hatte übrigens sogar Florian Rentsch recht –: Der Regierungsbezirk Kassel und der Regierungsbezirk Mittelhessen haben sich arbeitsplatzmäßig sehr gut entwickelt, auch im Vergleich zu Südhessen. Ich verstehe aber nicht, warum Sie da immer die Autobahnen A 44 und A 49 sowie den Flughafen nennen; denn die sind in den letzten elfeinhalb Jahren nicht gebaut worden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will mich nicht darüber beklagen. Aber an denen kann die gute wirtschaftliche Entwicklung offensichtlich nicht liegen. Vielleicht sollte Ihnen das die Möglichkeit geben – Stichwort: „weniger Ideologie, mehr Pragmatismus“ –, sich in dieser Frage auch einmal von alten Zöpfen zu trennen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Ministerpräsident, zu der Bildungspolitik. „Schluss mit der Ideologie, mehr Pragmatismus“: Wenn man das in der Bildungspolitik zu Ende denkt, ist das eine unglaublich harte Kritik z. B. an Ihrem bildungspolitischen Sprecher in der CDU-Fraktion. Wir müssen nach elfeinhalb Jahren feststellen, dass wir bei den PISA-Risikogruppen weiterhin die Situation im Lesen, in der Mathematik und in den Naturwissenschaften haben, dass wir in Hessen im besten Fall Mittelmaß sind; manchmal sind wir sogar ziemlich weit hinten. Wir haben weiterhin eine Gruppe von 20 Prozent der 15-Jährigen, die die Mindeststandards nicht erfüllt. Wir haben weiterhin die Situation, dass wir die Frage, wie unsere Auszubildenden auf die Herausforderungen vorbereitet sind, nicht mit gutem Gewissen in allen Fällen mit: „Ja, gut!“ beantworten können.

Wir haben weiterhin die Situation, dass Tausende Schülerinnen und Schüler jedes Jahr die Schule ohne Abschluss verlassen. Wir haben weiterhin die Situation, dass wir, wenn man einmal die Schülerinnen und Schüler mit Förderschulabschlüssen und diejenigen ohne Hauptschulabschluss zusammenrechnet, jedes Jahr fast 5.000 Schülerinnen und Schüler haben, die die Schulen ohne jede realistische Chance auf dem Arbeitsmarkt verlassen. Ich finde, da kann man nicht einfach sagen: „Hurra, wir sind die Größten, wir waren die Größten, alles in Butter.“ Ich glaube, wenn Sie sagen: „Wir müssen einen Neuanfang wagen“ und „weniger Ideologie, mehr Pragmatismus“, dann sollte man gerade in der Bildungspolitik damit anfangen. Sie haben recht, dass die Menschen nichts mehr übergestülpt haben wollen. Aber ich frage Sie dann, warum es immer wieder einzelne Beispiele gibt, wo eine Schulgemeinde etwas will, wo ein Schulträger etwas will und am Ende die Regierung aus ideologischen Gründen – Tümpelgartenschule Hanau ist das aktuelle Beispiel – einfach sagt: „Das machen wir nicht.“ Diese Frage müssen Sie beantworten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Barbara Cárdenas (DIE LINKE))

Wenn Sie „keine Ideologie“ auf der einen Seite sagen, dann gilt auch „keine Ideologie“ auf der anderen Seite.

Herr Ministerpräsident, ich glaube, dass wir uns wirklich Gedanken darüber machen müssen, ob wir wirklich gut sind bei dem, was wir in der Bildungspolitik abliefern und wie wir auf die Herausforderungen reagieren, die eine zunehmend vielfältiger werdende Gesellschaft uns bietet, oder ob wir nicht gemeinsam überlegen sollten: Schluss mit der Ideologie und mehr an der Sache orientierte Politik.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will – der Kollege Schäfer-Gümbel hat es ebenfalls angesprochen – auch etwas zur Arbeitsmarktpolitik sagen. Wir haben jetzt eine Arbeitslosenquote, die sich im bundesweiten Vergleich nicht so schlecht anhört: 6,3 Prozent. Erinnern wir uns: Vor elfeinhalb Jahren ist eine Regierung, der auch Sie schon angehört haben, mit dem Satz angetreten: „Hessen muss ein Land des Südens werden.“ Damit waren Bayern und Baden-Württemberg gemeint. Wir müssen jetzt aber feststellen, dass das von Florian Rentsch viel gescholtene Rheinland-Pfalz inzwischen besser ist als wir.

Ich finde, es ist weiterhin ein Skandal – das muss man jetzt wirklich einmal von der Sache her diskutieren –, dass wir nach so vielen Debatten – ich erinnere an die Wisconsin-Modelle, die Optionskommunen, an die Aussage: „Alles wird besser“, an die Jobcenter mit allem, was dazugehört – die Situation haben, dass von den 200.000 Arbeitslosen in Hessen inzwischen über zwei Drittel Langzeitarbeitslose sind. Das heißt, es gibt offensichtlich ein Segment bei den Arbeitslosen, für die wir nichts anzubieten haben und wo auch der Arbeitsmarkt nichts anzubieten hat. Ich finde, da müsste jetzt endlich einmal etwas passieren, und es dürfte nicht ständig nur ideologisch darüber geredet werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, dass wir auch bei der Frage, was das für die Hessische Landesregierung auf anderen Ebenen heißt, einfach einmal ganz rational reden müssen. Wenn darüber geklagt wird, dass so viel Geld für Arbeitslosengeld II ausgegeben wird, wenn darüber geklagt wird, dass so viele Menschen auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, dann gehört auch dazu, zu sagen, dass von den 300.000 erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in Hessen knapp 80.000 erwerbstätig sind. Das heißt, dass wir, weil es keinen Mindestlohn und weil es die falschen Anrechnungsmechanismen gibt, in einer Situation sind, dass wir unglaublich viel Geld ausgeben, um so etwas wie einen staatlichen Kombilohn für einen Niedrigstlohnsektor zu organisieren. Ich finde, ein mitfühlender Konservativer – der wollen Sie ja offensichtlich sein – muss dann auch einmal sagen: An diesem Punkt muss ein Mindestlohn her. Da muss etwas passieren. Man kann nicht einfach immer nur sagen: „Die Leute sind selbst schuld und wollen alle nicht“, wenn von 300.000  80.000 zwar erwerbstätig sind, sie aber trotzdem auf staatliche Unterstützung angewiesen sind.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Ministerpräsident, wir haben auch gehört, dass Sie bei der Kinderbetreuung einen Schwerpunkt setzen wollen. Das finden wir gut; das sage ich ausdrücklich. Dazu gehört aber auch, dass man die Kommunen nicht allein lässt. Sie sollten sich überlegen, ob bei der Frage der Mindestverordnung das letzte Wort wirklich schon gesprochen ist oder ob man nicht ganz pragmatisch dazu kommen muss, dass man Gleiches gleich behandelt. So einfach ist es nämlich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es kann nicht sein, dass diejenigen, die zuletzt handeln, am Ende den meisten Vorteil davon haben, und diejenigen, die zuerst gehandelt haben, am Ende in die Röhre schauen. Das ist nämlich das genaue Gegenteil von Eigenverantwortung, die Sie immer hochhalten. Das wird dazu führen, dass die Kommunen sagen: Wir machen gar nichts mehr; wir warten erst einmal ab, was da aus Wiesbaden kommt. – Sie sollten sich überlegen, ob Sie da nicht etwas ändern müssen.

Ich habe gehört, dass Sie die Sprachförderung von Kindern als wichtigen Punkt genannt haben. Wir wundern uns aber ein wenig darüber, dass wir im Haushaltsentwurf der Landesregierung eine Kürzung in diesem Bereich um 500.000 Euro gefunden haben. Auch da sind wir gespannt, Herr Finanzminister, Herr Sozialminister, ob es reicht, hier zu sagen, Sprache sei der Schlüssel zur Integration, und in der Realität weniger Geld dafür auszugeben. Das passt nämlich nicht zusammen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wollen gutwillig, im Sinne des neuen Stils, davon ausgehen, dass Sie das noch ändern werden.

Lieber Kollege Florian Rentsch, ich will in ganz ruhigem Ton auf das zu antworten versuchen, was Sie hier zum Thema Integration gesagt haben. Ich weiß nicht, ob das, was Sie hier gesagt haben, zu dem passt, was der Herr Ministerpräsident zum Thema Integration gesagt hat. Das müssten Sie in der Koalition intern einmal bereden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben in der Integration ein Riesenproblem. Über Integration wird immer nur dann öffentlich wahrnehmbar diskutiert, wenn irgendjemand Gift gespritzt hat. Das ist im wahrsten Sinne des Wortes Gift für die Integrationsdebatte.

Ich sage sehr deutlich: In diesem Land herrscht Meinungsfreiheit. Thilo Sarrazin kann sagen, was er will. Dass man überall lesen kann, was er sagt, ist ja der Beweis, dass es in diesem Land Meinungsfreiheit gibt. Die Frage, die er sich stellen muss, ob Bundesbankvorstand für einen Provokateur die richtige Berufung ist – das würde übrigens auch für jeden Richter gelten, auch für Richter gilt das Mäßigungsgebot –, wird sich relativ schnell geklärt haben.

Herr Bouffier, Sie haben ausdrücklich und richtigerweise gesagt, die Thesen von Sarrazin seien an bestimmten Punkten schlicht Blödsinn. Da stimme ich Ihnen ausdrücklich zu. Sie haben aber noch etwas viel Wichtigeres gesagt. Sie haben gesagt, er biete keine Lösung. Dazu sagen wir ausdrücklich: Das stimmt. Das ist ein großer Teil des Problems in dieser Debatte.

Ich wünsche mir, dass Sie, Herr Ministerpräsident, die Kraft haben, klare Worte im Zweifel auch dann zu finden, wenn solche Äußerungen einmal aus den eigenen Reihen kommen. Ich wünsche mir, dass nicht nur gesagt wird, was an den Äußerungen von Herr Sarrazin stimmt oder nicht stimmt, sondern ich wünsche mir klare Worte des Ministerpräsidenten und CDU-Landesvorsitzenden z. B. auch dann, wenn Herr Irmer Herrn Sarrazin in der „Jungen Freiheit“ lobt. Diese Klarheit wünsche ich mir.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Ich finde es ja schön, dass Florian Rentsch jetzt erkannt hat, dass sich Jörg-Uwe Hahn für „Mr. Integration“ hält. Das Problem bei der von Herrn Hahn geführten Integrationsdebatte ist aber: Am Ende passiert nichts. Herr Bouffier, ich finde es ja interessant, dass Sie von islamischem Religionsunterricht gesprochen haben; da habe sich Jörg-Uwe Hahn große Verdienste erworben. Ich kann mich aber erinnern, dass ich am 12. September 2001 im Integrationsbeirat des Landes Hessen saß. Ich weiß nicht, ob Frau Mosiek-Urbahn noch Ministerin war oder ob Frau Lautenschläger schon amtierte. Ich weiß aber, dass Frau Wolff dabei war. Damals – am 12. September 2001! – hat der Integrationsbeirat des Landes Hessen einstimmig beschlossen: Wir brauchen in den Lehrplänen für die öffentlichen Schulen endlich ein Angebot in Form islamischen Religionsunterrichts. – Das ist nächste Woche neun Jahr her. Es ist aber nichts passiert, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Widerspruch des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Vom 12. September 2001, als wir diesen Beschluss hier im Hessischen Landtag gefasst haben, bis heute gab es an hessischen Schulen kein solches Angebot. Genau das ist das Problem.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Rentsch, auch ich fand es sehr nett, am 14. September 2009 – auch das jährt sich nächste Woche – in diesem Raum in der Integrationskonferenz zu sitzen. Die spannnende Frage ist aber – jenseits der Modellregionen für Integration, die die Kommunen durchführen –: Was ist zwischen damals und heute passiert?

Ich sage sehr deutlich: Ich bin sehr dafür, dass wir hier einen anderen Stil pflegen. Ich bin sehr dafür, dass wir in der Sache diskutieren. Dann werden wir aber sehr schnell auf den Kern des Ganzen stoßen. Der Kern des Ganzen ist, dass etwas in der Sache passieren muss und nicht immer nur dann diskutiert werden kann, wenn einer Gift gespritzt hat. Dann ist nämlich irgendwann die Medienaufregung vorbei, und danach passiert wieder gar nichts. Das können wir uns im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr leisten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Ministerpräsident, Sie haben einen neuen Stil angekündigt. Sie haben aber noch keine neue Politik angekündigt. Ich denke, dass ein neuer Stil, auch wenn einige vor ihm Angst zu haben scheinen, eine Chance bietet, über die Sache zu reden. Ich bin ein optimistischer Mensch – auch wenn die FDP-Fraktion offensichtlich Angst vor dem neuen Stil hat –, was diesen neuen Stil und Diskussionen in der Sache angeht. Ich sage sehr deutlich: Wir werden morgen Vormittag sehen, ob in der Finanzpolitik ein neuer Stil einkehrt, die ungeschminkte Wahrheit auf den Tisch kommt und auch die Frage beantwortet wird, zu wessen Lasten und zu wessen Gunsten Finanzpolitik in diesem Lande gemacht wird. Ich bin sehr gespannt, ob auch der neue Finanzminister einen neuen Stil pflegt oder ob er weiterhin sagt, wir hätten keine Ahnung und das Delta bekomme die Regierung schon hin. Das ist eine interessante Frage. Unter anderem daran werden wir festmachen, ob wir hier nur Wortgeklingel gehört haben oder ob wirklich etwas Neues passiert.

Wir werden morgen Nachmittag eine Debatte haben über die Frage der Energiepolitik führen. Auch da bin ich gespannt, ob wirklich gilt, dass nicht mehr Einzelinteressen die Politik bestimmen, sondern das Gemeinwohl die Politik bestimmt.

Liebe Kollegen von der CDU und der FDP, morgen Nachmittag führen wir eine Debatte über Volksbegehren und Volksentscheide. Die Presseerklärung des Kollegen Greilich zu unserem Gesetzentwurf betreffend die Erleichterung von Volksentscheiden war noch nicht so ganz im neuen Stil – um es vorsichtig auszudrücken. Ich hoffe, dass wir morgen eine offene Debatte in der Sache erleben werden, die dieses Land weiterbringt.

Wir werden am Donnerstagmorgen über die Schuldenbremse diskutieren. Da wird wirklich die Frage sein, ob es wirklich ernst gemeint ist, dass hier an der Sache und nicht an der Ideologie orientiert diskutiert wird. Herr Bouffier, Sie sind durch 30 Jahre in der hessischen CDU geprägt. Eine Ausprägung der Hessen-Union ist ja, dass Geschlossenheit immer vorgeht – auch vor dem, was sachlich nötig wäre. Ich denke, wenn Sie es mit dem neuen Stil ernst meinen und eine neue Politik noch liefern wollen – oder liefern müssen, weil die Bilanz nach elfeinhalb Jahren Regierung Ihres Vorgängers alles andere als rosig ist –, dann entscheidet sich die Frage, ob es in der hessischen Landespolitik einen Neuanfang gibt, ob das als nötig Erkannte auch dann gemacht wird, wenn man nicht alle Ideologen in den eigenen Reihen mitgenommen hat. Das entscheidet sich in Ihren eigenen Reihen, und das entscheidet sich auch im Umgang mit Ihrem Koalitionspartner.

Wir sind gespannt, ob ein neuer Stil nicht nur angekündigt, sondern auch gelebt wird. Wir sind vor allem gespannt darauf, ob es eine neue Politik geben wird. In der Sache wäre sie dringend notwendig.

(Anhaltender Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei Abgeordneten der SPD – Präsident Norbert Kartmann übernimmt den Vorsitz.)

Präsident Norbert Kartmann:

Vielen Dank.

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