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13.04.2011
Portraitfoto von Tarek Al-Wazir vor grauem Hintergrund

Tarek Al-Wazir: Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren!

Was lange währt, wird endlich gut.

(Zuruf: Bravo!)

Ich glaube, das kann man hier sagen. Denn in meiner Partei wird seit fast zehn Jahren darüber diskutiert, wie es gelingen kann, den Umstieg von einer gerätebezogenen Gebühr hin zu einem einfacheren Modell zu vollziehen. Wir haben das in unserem allerersten Papier Haushaltsabgabe genannt. Es wird Rundfunkbeitrag heißen. Aber es ist schon so, dass der Systemwechsel, den wir jetzt mit dem 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag auf den Weg bringen werden, von der Sache hier richtig ist.

(Beifall der Abg. Ellen Enslin und Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich darf das vielleicht einmal mit einem Blick zurück deutlich machen. Das letzte Mal wurde der Irrsinn des bisherigen Modells klar, als der Begriff „neuartige Empfangsgeräte“ in den vorletzten – oder ich glaube, es war sogar der Zwölfte – Rundfunkänderungsstaatsvertrag eingeführt wurde. Denn es ist natürlich völlig klar, dass ein Modell, bei dem man – ich drücke das einmal so aus – eigentlich noch den Volksempfänger vor Augen hat, nicht mehr zu einer Situation passt, in der fast jeder ein Gerät mit sich herumträgt, mit dem er Radio hören und Fernsehen schauen kann. Spätestens mit dem vor einigen Jahren gemachten Versuch, eine Gebühr für Computer einzuführen, weil damals die Öffentlich-Rechtlichen zunehmend im Internet aktiv wurden, wurde völlig klar, dass das alte System in dieser neuartigen Empfangslandschaft nicht mehr funktionieren kann.

Ich sage ausdrücklich, dass es richtig ist, zu sagen: Wir wollen in Zukunft die Gebühr nicht mehr davon abhängig machen, was für ein Gerät vorhanden ist, wie viele Geräte vorhanden sind oder wem die Geräte gehören, sondern wir wollen es von einer ganz simplen Frage abhängig machen. Bei den Privaten soll das die Wohnung und für den gewerblichen Bereich die Betriebsstätte bzw. die Kraftfahrzeuge sein, die in aller Regel ein Radio haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sage ausdrücklich, dass es richtig ist, dass dieser Systemwechsel jetzt kommen wird. Lieber Herr Kollege Wilken, in diesem Zusammenhang verstehe ich nicht, warum die Linkspartei selbst dagegen ist. Denn die von Ihnen angesprochene Currywurstbude hat doch in aller Regel ein Radio, das läuft, während die Wurst gebraten wird.

Wenn dieses Radio bisher nicht angemeldet war, ist das kein Argument dafür, dass die Currywurstbude, die schon immer über dieses Radio verfügt hat, niemals in irgendeiner Form zu einem Beitrag herangezogen werden sollte. Ich mache das jetzt konkret: Die Currywurstbude ist eine Betriebsstätte. In dieser Betriebsstätte arbeiten Menschen. Denn die vollautomatisierte Currywurstbude gibt es nicht. Wenn die Currywurstbude voll automatisiert wäre – wogegen ich strikt bin –,

(Beifall des Abg. Wolfgang Greilich (FDP))

dann wäre kein Beitrag fällig. Solange da aber jemand arbeitet, handelt es sich um eine Betriebsstätte.

Ich gehe jetzt einmal davon aus, dass es weniger als acht Personen sind. Denn ansonsten könnte diese Currywurstbude betriebswirtschaftlich nicht sinnvoll betrieben werden. Das bedeutet, dass die Currywurstbude in Zukunft einen Beitrag in Höhe eines Drittels, also weniger als 6 € pro Monat, zu entrichten haben wird.

Wer das nicht zahlen kann, der hat, so will ich es einmal sagen, das falsche Geschäftsmodell. Sie müssen als Vertreter der Linkspartei also nicht versuchen, die Rächer der enterbten Currywurstbudenbesitzer zu werden. Das ist wirklich nicht nötig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU, der SPD und der FDP)

Ich sage Ihnen sehr deutlich, im Zuge dieser Debatte um den Rundfunkänderungsstaatsvertrag ist sehr viel Unsinn geredet worden. Man muss aber nicht jeden Unsinn glauben. Ganz besonders hervorgetan hat sich Herr Sixt, weil er dafür sorgen wollte, dass er für seine Mietwagen keine Gebühren mehr zahlen muss.

Die Rechnungen, die teilweise in die Welt gesetzt worden sind, waren so abenteuerlich und sind, wenn man genau hingeschaut hat, am Ende immer in sich zusammengebrochen. Wer von unglaublich steigenden Belastungen gesprochen hat, hat damit indirekt zugegeben, dass er bisher offensichtlich zu den Schwarzsehern oder Schwarzhörern gehört hat. Diejenigen, die bisher die Regelungen gesetzeskonform erfüllt haben, sind in aller Regel ohne jegliche Zusatzbelastung im neuen System, weil auch für jedes Kraftfahrzeug nur der Drittelbeitrag fällig ist. Man geht davon aus, wenn man in einem Kraftfahrzeug sitzt und fährt, dann kann man nicht gleichzeitig fernsehen, aber man hört vielleicht Radio.

Jetzt zu den Punkten, die allerdings aus meiner Sicht zu den wichtigen Fragen gehören. Da geht es beispielsweise um die Menschen mit Behinderung. Meine Fraktion hat sehr lange über diese Frage diskutiert und sich am Ende dafür ausgesprochen, dass Menschen mit Behinderung nicht per se als arm anzusehen sind. Wenn sie arm sind, d. h., das Geld nicht haben, um den Beitrag zu bezahlen, dann werden sie natürlich befreit. Ihre Befreiung soll nicht aufgrund der Behinderung stattfinden, sondern aufgrund der fehlenden Mittel. Ich sage aber ausdrücklich dazu, ich hätte es begrüßt, wenn die zusätzlichen Mittel, die jetzt reinkommen, verpflichtend in barrierefreie Angebote hätten investiert werden müssen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Wir werden sehr genau darauf achten müssen, wenn der neue Rundfunkänderungsstaatsvertrag in Kraft tritt, ob es wirklich dazu kommt, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten dieses zusätzliche Geld in zusätzliche barrierefreie Angebote investieren. Wenn sie es nicht tun, werden wir darüber nachdenken müssen, diese Verpflichtung bei den folgenden Rundfunkänderungsstaatsverträgen einzufügen.

Zur Frage der bisherigen Nur-Hörfunkteilnehmer. Herr Kollege Wilken, Sie haben es angesprochen: Es gibt 2,3 Millionen Menschen, die offiziell nur ein Radio haben, aber keinen Fernseher. Wie realistisch das ist, das mögen wir einmal dahin gestellt sein lassen. Es mag auch einzelne Menschen geben, die wirklich nur ein Radio haben und keinen Fernseher. Ich bezweifele es, dass es 2,3 Millionen Menschen sind. Herr Kollege Wilken, wir werden im Laufe der Debatte noch einen Angriff der Springerpresse auf dieses Modell erleben. Ganz klar, das wird passieren. Sie werden sich überlegen müssen, ob Sie als Linkspartei Hand in Hand mit der Springerpresse gegen diesen Rundfunkänderungsstaatsvertrag vorgehen möchten. Das ist aber Ihre Entscheidung, liebe Kollegen von der Linksfraktion.

Vizepräsidentin Sarah Sorge:

Herr Kollege Al-Wazir, ich darf Sie bitten, zum Schluss zu kommen.

Tarek Al-Wazir:

Frau Präsidentin, ein allerletzter Satz. – Den Antrag von CDU und FDP müssen wir leider ablehnen.

(Zuruf von der CDU und FDP)

Ja, leider. In Punkt 4 machen Sie sich das Modell von Herrn Sixt zu eigen. Das können wir nicht teilen. Bei der Frage der Reduzierung der Belastungen sage ich ausdrücklich: Wenn da wirklich mehr Geld reinkommt, wäre für mich die Debatte angesagt, ob man nicht endgültig auf Werbung im öffentlich-rechtlichen Bereich verzichten kann und nicht, ob man den Beitrag senkt. Insofern haben wir eine andere Position. Frau Präsidentin, Entschuldigung, weil ich ein bisschen Angst vor Ihnen habe, fällt mir jetzt der Satz schon nicht mehr ein: Wir werden dem Rundfunkänderungsstaatsvertrag zustimmen und zwar mit Überzeugung. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Vizepräsidentin Sarah Sorge:

Vielen Dank, Herr Kollege Al-Wazir.

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