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04.02.2015
Portraitfoto von Tarek Al-Wazir vor grauem Hintergrund

Tarek Al-Wazir, Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung: Terminal 3

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde es bezeichnend, dass Herr Kollege Weiß über ziemlich viel geredet hat, aber am allerwenigsten über das Terminal 3.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist vielleicht ein Hinweis darauf, dass seit der Debatte im letzten September offensichtlich nicht viel Neues passiert ist. Ich werde mich trotzdem mit dem beschäftigen, was an Anträgen vorgelegt worden ist.

Wenn man sich anschaut, was sowohl DIE LINKE als auch die FDP vorgelegt haben, dann handelt es sich um den allseits bekannten politischen Wunschzettel, der sich bei beiden Fraktionen natürlich diametral widerspricht.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Was den Antrag der Fraktion DIE LINKE angeht möchte ich in diesem Zusammenhang sagen: Ich kann mich daran erinnern, es war heute Vormittag, da hat die Kollegin Wissler ein flammendes Plädoyer dafür gehalten, man müsse bei allen Entscheidungen die Rechtslage beachten. Da ging es um Biblis. Wenn es jetzt um die Frage geht, was eigentlich mit dem Flughafen ist, dann ist es völlig egal, was wir für einen Planfeststellungsbeschluss haben.

(Zurufe der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE) und Hermann Schaus (DIE LINKE))

Das ist ein wunderbarer Zwischenruf. Sie haben in Ihrem Antrag geschrieben, dass der Planfeststellungsbeschluss noch keine Rechtskraft besitzt. Das ist übrigens der falsche Ausdruck, man müsste Bestandskraft sagen, aber geschenkt. – Das ist durchaus richtig. Allerdings ist die Vorstellung, dass ein Verfahren, nur weil es vor dem Bundesverwaltungsgericht noch nicht abgeschlossen ist und der Planfeststellungsbeschluss noch keine Bestandskraft hat, keine Rechtsverbindlichkeiten entwickelt, dass die Fraport beispielsweise auf der Grundlage eines solchen Planfeststellungsbeschlusses – Stichwort: Sofortvollzug – ein paar Milliarden € investiert hat und man dann nach den Linken sagen könnte, das wird mal eben aufgehoben, nur weil noch ein Gerichtsverfahren läuft, das meine sehr verehrten Damen und Herren von der Fraktion DIE LINKE, das müssten Sie sich einmal überlegen, ob das eigentlich zusammenpasst.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe der Abg. Janine Wissler und Hermann Schaus (DIE LINKE))

Also noch einmal: Es gibt eine Rechtslage, und es ist nicht so einfach wie das Brezelbacken, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion DIE LINKE. Die Frage, ob ein Terminal 3 sinnvoll ist, oder, um mit der Sprache des Antrags der LINKEN zu sprechen, ob es „überflüssig“ ist, genau diese „Frage“ haben wir uns gestellt. Genau deswegen haben wir eine Bedarfsprüfung in Auftrag gegeben.

Der Planfeststellungsbeschluss hat das Terminal 3 beinhaltet. Der Planfeststellungsbeschluss ist aus dem Jahr 2007. Das Terminal 3 ist beklagt worden. Verwaltungsgerichtshof und Bundesverwaltungsgericht haben diese Klagen, die sich gegen das T3 gerichtet haben, zurückgewiesen.

Der Antrag für den Bau des T3 ist im September 2013, übrigens zwei Wochen vor der Landtagswahl, gestellt worden. Aus meiner Sicht hat die Stadt Frankfurt völlig richtig gehandelt als sie diesen Bauantrag so behandelt hat, wie man einen Bauantrag als untere Baubehörde zu behandeln hat, indem man nämlich schaut, ob die Statik stimmt, der Brandschutz und die architektonischen Fragen geregelt sind. Danach wurde die Genehmigung erteilt. Das ist die Lage.

Es ist völlig richtig, dass es ein Baurecht gibt. Es ist ebenfalls richtig, dass Baurecht nicht Baupflicht bedeutet. Es ist ebenfalls völlig richtig – da komme ich zur FDP –, dass der größte Anteilseigner der Fraport sich Gedanken machen muss, ob eine Investition von knapp 3 Milliarden Euro eigentlich zum jetzigen Zeitpunkt sinnvoll ist, selbst wenn sich die Gesellschaft im Grundsatz schon dafür entschieden hat.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Insofern muss man an dieses Thema verantwortungsbewusst herangehen. Man sollte sein Handeln erstens an der Rechtslage und zweitens hinsichtlich der Prognosen an wissenschaftlich untermauerten Fakten ausrichten.

Und genau diesem Zweck dient die im Koalitionsvertrag vereinbarte Bedarfsprüfung, die derzeit durchgeführt wird. Ich will ausdrücklich sagen: Wenn man etwas seriös tun will, sollte man zunächst die Fakten kennen.

Zur SPD sage ich heute auch nicht viel. Nur, dass sich Marius Weiß hierhin stellt wie weiland Franz Josef Strauß und „Skandal“ ruft. Worin besteht der Skandal? Dass ich gesagt habe, ich wolle Lärmpausen am 29. März einführen, und jetzt kommen sie am 23. April. Der Frankfurter Flughafen ist 1936 eröffnet worden. Er hat jetzt knapp 80 Jahre keine Lärmpausen gehabt. Und die SPD entblödet sich nicht, zu sagen, „Skandal, sie kommen jetzt vier Wochen später“. – Liebe Leute, das kann doch nicht euer Ernst sein.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP) – Gegenruf von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der SPD)

Die Entscheidung über das Terminal 3 ist also in erster Linie eine ökonomische Entscheidung, die das Land Hessen als größter Aktionär der Fraport AG in den dazu berufenen Gremien mit zu treffen hat.

(Unruhe)

Ich will ausdrücklich sagen: Es geht um die Frage, ob ein Unternehmen, an dem das Land beteiligt ist, trotz des eindeutig bestehenden Baurechts mit seinen jetzt verbrieften Ansprüchen eine erhebliche Investition tätigt oder nicht. Dazu will ich noch einmal sagen, dass die von uns vorgenommene Bedarfsprüfung äußerst komplex ist. Dazu muss man, mit Verlaub, etwas tiefer in die Thematik einsteigen. Genau das haben wir getan, indem wir anerkannte Gutachter herangezogen haben. Wir werden in Kürze eine abschließende Bewertung vornehmen.

Ich will zwei Punkte nennen, die dabei von ganz besonderer Bedeutung sind. Im Nachhinein ist es immer einfach, über Verkehrsprognosen zu urteilen, wie es die Linkspartei in ihrem Antrag tut. Das ist auch völlig richtig. Ich stelle nur fest: Um die zukünftige Entwicklung zu beurteilen, haben wir keine andere Möglichkeit als Prognosen. Wenn man in die Zukunft schaut, ist es halt komplizierter. Deswegen gibt es natürlich auch eine Fehlerquote solcher wissenschaftlicher Prognosen. Ich gebe mich auch nicht der Illusion hin, dass politische Prognosen dem überlegen wären. Man weiß es einfach nicht, und deswegen muss man eine seriöse Beurteilung dieser Frage vornehmen.

Eine seriöse Beurteilung wird sich Folgendes anschauen: Wie sind die Prognosemodelle? Welche Annahmen zur Bevölkerungsentwicklung, welche Annahmen zur Wirtschaftsentwicklung sind mit welchem Gewicht in die Prognosen eingeflossen? Haben sich die Prognoseergebnisse in einem Korridor bewegt mit den Ergebnissen gleichartiger oder übergeordneter Studien? Genau das ist das Wesen unserer Bedarfsprüfung, was die Verkehrsprognosen angeht.

Vizepräsidentin Ursula Hammann:

Herr Minister, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lenders zu?

Tarek Al-Wazir:

Nein, er kann sich ja zu einer Kurzintervention melden, wenn er möchte. – Gleiches gilt für die Frage, ob und ggf. welche Alternativen es im baulichen Bereich gibt, also die Beurteilung, ob und wie die Funktionalitäten und Prozesse des Flughafens bei Verwirklichung oder Nichtverwirklichung eines dritten Terminals zum jetzigen Zeitpunkt oder bei alternativen Möglichkeiten der Passagierabfertigung sichergestellt werden könnte. Auch das ist ein komplexer Vorgang, auch hier gilt, dass nicht die lauten Töne die Musik machen, sondern die Zwischentöne.

(Zurufe der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE) und Günter Rudolph (SPD))

Deswegen ist völlig klar, dass wenn wir am Ende des Tages das Ergebnis vorlegen, deutlich weniger polternd daherkommen als diese Debatte hier im Landtag. Es wird zu betrachten sein, und dann muss man sich eine Meinung bilden.

Jetzt zum Punkt „Fluglärmschutz“. Ich will ausdrücklich bestätigen: Die Fraktion DIE LINKE hat in ihrem Antrag ein nachhaltiges Luftfahrt- und Mobilitätskonzept eingefordert, übrigens auch ein europäisches Flughafenkonzept, wenn ich es richtig verstanden habe.

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Dazu will ich Ihnen sagen, dass man auch dort wissen muss, dass wir als hessische Landesregierung bei der bundesweiten Debatte über das Luftverkehrskonzept des Bundes aktiv sind. Wir sind dort nicht nur aktiv, sondern sehr initiativ. Teilweise haben wir auch eine koordinierende Rolle, was die Länder angeht. Da muss man allerdings sehen – Stichwort: Wer macht was? –, dass genau die Frage, die Sie gestellt haben, nämlich welcher Flughafen welche Funktion erfüllt, nicht unbedingt bedeutet, dass man irgendwie politisch entscheiden könnte, jetzt irgendwie 50.000 Flugbewegungen von da nach dort zu schieben. – Es ist nicht Schönefeld, es ist Frankfurt, es ist die Lufthansa und nicht Interflug. Das ist keine planwirtschaftliche Entscheidung.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Vizepräsidentin Ursula Hammann:

Herr Minister, ich muss Sie an die Redezeit der Fraktionen erinnern.

Tarek Al-Wazir:

Ja, Frau Präsidentin. – Wir haben auch da eine Situation, dass es Akteure gibt, die ihre Rechte wahrnehmen können und die nicht par ordre du mufti irgendwohin geschoben werden können.

Natürlich machen wir uns aber Gedanken über Nachhaltigkeit des Luftverkehrs, Intermodalität, die Ausweitung der lärmbezogenen Flughafenentgelte und den Emissionshandel mit allem, was dazugehört.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Sie haben die Verlagerung von Kurzstreckenflügen auf die Bahn angesprochen. Auch hier habe ich sehr aufmerksam gelesen, was der BUND dazu vorgestellt hat. Aber auch hier ist es nicht so, dass man es einfach beschließen könnte. Die Luftverkehrswirtschaft selbst hat gar kein großes Interesse an unwirtschaftlichen und deshalb übrigens meist auch an Flügen, an denen man nichts verdient im Ultrakurzstreckenbereich. Vielmehr machen sie das, weil sie Sorge haben, Kunden ansonsten auf der Langstrecke zu verlieren. Genau das ist das Problem.

Am Ende entscheiden die Kunden, weswegen sie auch mit attraktiven Angeboten zu einem Umstieg auf Zubringerverbindungen per Bahn zu bewegen sind. Dazu braucht es dreierlei: Kurze Taktung, kurze Reisezeiten, guten Service.

Die Airrail-Angebote, die nun übrigens auch Kassel beinhalten – ich weiß nicht, wer es mitbekommen hat, also von Köln, Düsseldorf, Karlsruhe, Stuttgart, Kassel kann man mit einer Lufthansa-Flugnummer in den Zug einsteigen, das funktioniert –, haben 2014 immerhin 360.000 Passagiere gehabt. Das ist nicht viel, wenn man es mit dem vergleicht, was in der Luft passiert ist. Es zeigt aber, dass die Bahn durchaus ein Entlastungspotenzial bietet.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Es gehört aber zur Wahrheit dazu: Wenn Sie sich allein die Berlin-Verkehre anschauen und überlegen, das alles in die Bahn bringen zu müssen, dass beispielsweise die Bahnstrecke Frankfurt-Fulda solche zusätzlichen Verkehre momentan gar nicht aufnehmen könnte.

Deswegen reden wir bei dieser Frage auch über Schienenverkehrsinfrastrukturprojekte, wir reden über die Beschleunigung Frankfurt-Fulda, wir reden über die Neubaustrecke Frankfurt-Mannheim, wir reden über Verbesserungen im Knoten Frankfurt. Auch das hat indirekt etwas damit zu tun, dass intermodaler gedacht wird. Sie sehen, wir haben einen umfassenden Blick. Und genau dieser umfassende Blick wird uns auch bei der Frage des Terminals 3 leiten. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Ursula Hammann:

Vielen Dank, Herr Staatsminister. Ich mache Sie jedoch darauf aufmerksam, dass Sie mit „entblödet“ einen Begriff gewählt haben, der nicht parlamentarisch ist. Ich muss das entschieden zurückweisen.

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