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27.05.2015
Portraitfoto von Tarek Al-Wazir vor grauem Hintergrund

Tarek Al-Wazir, Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung: Energiewende

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist vier Jahre her, dass wir in einem Energiegipfel als Mitglieder von Regierungsparteien und von Oppositionsparteien zusammensaßen.
Wir GRÜNEN waren damals in der Opposition; die FDP war in der Regierung. Ich habe als Vorsitzender einer damaligen Oppositionsfraktion trotzdem gesagt: Wir machen mit bei einer Sache, die nicht nur eine kurzfristige Aufgabe ist, sondern eine Generationenaufgabe und eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. – Kollege Rentsch, da galt nicht Gesinnungsethik, sondern Verantwortungsethik.
Sie, Herr Rentsch, haben damals übrigens gesagt, die GRÜNEN seien eine Dagegen-Partei. Wenn ich mir Ihre Setzpunkte anschaue, dann bin ich mir inzwischen nicht mehr sicher, ob bei dieser Äußerung nicht ein bisschen vorausschauende Projektion mitschwang.
(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)
Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir müssen festhalten: Wir haben uns damals gemeinsam dafür entschieden, aus der Atomenergie auszusteigen. Das war richtig, und das bleibt richtig. Wir haben uns damals gemeinsam dafür entschieden, uns auf den Weg der Energiewende zu begeben. Das war richtig, und das bleibt richtig. Wir haben damals auf dem Energiegipfel gemeinsam gesagt, dass es unsere Aufgabe ist, einen gangbaren Weg zu einer sicheren, umweltfreundlichen, gesellschaftlich akzeptierten und bezahlbaren Energieversorgung zu gehen. Darauf haben wir uns geeinigt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich setze jetzt das um, was mein Vorgänger Florian Rentsch auf den Weg gebracht hat, denn all das, was wir jetzt machen, trägt auch die Unterschrift der FDP und von Florian Rentsch in Person.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Zurufe von der FDP)
Ich denke, es bleibt auch richtig, dass es das Ziel ist, bis 2050 unsere Energieversorgung in den Bereichen Strom und Wärme auf erneuerbare Energien umzustellen. Wir haben zu Beginn dieser Legislaturperiode etwas hinzugefügt, nämlich ein Zwischenziel für den Bereich Strom: eine Verdoppelung des Anteils der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung in dieser Legislaturperiode von 12,5 Prozent auf ungefähr 25 Prozent.
Da es uns endlich gelungen ist, auch im Bereich Energieeffizienz zu Fortschritten zu kommen – der Stromverbrauch hat sich trotz des Wirtschaftswachstums reduziert –, haben wir es im letzten Jahr geschafft, den Anteil der erneuerbaren Energien auf ungefähr 15 Prozent zu erhöhen. Ich bin daher zuversichtlich, dass wir auf dem Weg zu dem oben genannten Ziel Schritt für Schritt vorankommen. Wir befinden uns auf dem richtigen Weg.
Ich will ausdrücklich sagen: Die weit überwiegende Mehrheit der Bevölkerung geht diesen Weg mit – übrigens auch der weit überwiegende Teil der Bevölkerung in den Gebieten, in denen sich die Landschaft aufgrund der Windenergienutzung verändert. Das große Fest zur Eröffnung des Windparks in Wolfhagen in der letzten Woche ist bereits genannt worden. Am Samstag werde ich bei der Eröffnung des Windparks in Heidenrod zu Gast sein. Es findet also eine Wende statt, und diese trifft sehr oft auf sehr, sehr große Zustimmung, auch der direkten betroffenen Bevölkerung.
In einzelnen Orten gibt es zwar Mehrheiten gegen die Windkraftnutzung – wir nehmen den Widerstand natürlich ernst und setzen uns mit den Argumenten auseinander –, aber das ist nicht das ganze Bild, denn die weit überwiegende Mehrheit der Bevölkerung trägt die Energiewende mit – auch die weit überwiegende Mehrheit der direkt Betroffenen. Wenn sich in einzelnen Kommunen der Bürgerwille gegen Energieprojekte lautstark artikuliert, dann gehört das zum Wesen der Demokratie. Wir setzen uns damit auseinander. Das heißt aber nicht, dass wir nicht an unserem Ziel und an unserer Grundausrichtung festhalten und uns keine Gedanken über die Frage machen, wie wir das Ganze im positiven Sinne hinbekommen. Man könnte also sagen: Wir alle haben german Mut – außer der FDP.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)
Wenn man sich einmal mit Ihrem Antrag beschäftigt, hilft ein Blick zurück. Der Herr Kultusminister hat heute Morgen in zwei Redebeiträgen gesagt: Manchmal hilft ein Blick zurück. – Ich kann mich erinnern, dass die FDP 1999 sehr lautstark erklärt hat, dass die Energiewende ein Hirngespinst sei, weil erneuerbare Energien in einem Industrieland niemals einen wesentlichen Anteil an der Stromerzeugung tragen könnten. Ich stelle fest: Wir waren im letzten Jahr bundesweit bei einem Anteil der erneuerbaren Energien von über 25 Prozent, und der Industriestandort Deutschland ist nicht untergegangen, sondern er befindet sich in einer guten Verfassung, gerade wenn man uns mit anderen Ländern vergleicht.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))
Zweitens. Ich halte fest, dass Sie von der FDP im Jahre 2011 das Abschalten der Atomkraftwerke – damals in Verantwortung in der Bundesregierung und in der Landesregierung – mitgetragen haben. Manchem konnte das Abschalten gar nicht schnell genug gehen. Ich glaube, die früheste Presseerklärung kam damals vom FDP-Landesvorstandsmitglied Hans-Jürgen Hielscher.
(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))
Sie haben damals aber erklärt, dass das Abschalten der acht ältesten Atomkraftwerke in Deutschland dazu führen werde, dass wir Atomstrom aus Frankreich und Tschechien beziehen würden. Ich halte fest: Wir hatten im letzten Jahr ein Rekordvolumen an exportiertem Strom aus der Bundesrepublik Deutschland, weil aus erneuerbaren Energien mehr Strom produziert wurde, als wir 2011 für möglich gehalten haben. Auch diese Annahme war also falsch.
Sie haben außerdem prophezeit, dass die Strompreise unbezahlbar werden würden. Das ist auch heute noch ein Teil Ihrer Argumentation. Ich halte fest, dass die EEG-Umlage 2015 stabil geblieben, sogar um einen Tick gesunken ist. Nach einem Blick auf die Ausgleichsrücklage können wir hoffnungsvoll sein, dass es auch 2016 zu keinem Anstieg, vielleicht sogar zu einem leichten Sinken der Preise kommen wird.
Außerdem müssen Sie wissen, dass ab dem 1. Januar 2020 die ersten Anlagen aus der Förderung fallen. Das heißt, dann werden wir in kontinuierliches Sinken der EEG-Umlage erleben. Gleichzeitig ist wegen den erneuerbaren Energien der Börsenstrompreis in Deutschland so niedrig wie selten zuvor. Auch da sind Ihre Argumente durch die Wirklichkeit schlicht widerlegt, meine sehr verehrten Damen und Herren von der FDP.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wenn ich mir vor diesem Hintergrund Ihren Antrag anschaue, dann muss ich sagen: Das ist eine klassische Initiative einer Dagegen-Partei. Ich halte fest, dass Sie in Ihrem Antrag von den Jahresabschlüssen einzelner Windkraftanlagen auf die Gesamtrendite schließen – als hätte die FDP noch niemals von Jahren gehört, in denen man anfangs z. B. Investitionen abschreiben muss.
Es ist kaum zu glauben, mit welchen Argumenten hier gearbeitet wird.
Wenn Sie ernsthaft behaupten, dass aufgrund der erneuerbaren Energien keine konventionellen Kraftwerke abgeschaltet werden, sage ich Ihnen: Warum sind denn die Energieversorger in der Situation? Auch die Stadtwerke machen sich Gedanken über Kapazitätsmärkte, weil die konventionellen Kraftwerke weniger oft laufen. Wenn das anders wäre, hätten die doch nicht die Probleme. Das, was Sie in Ihrem Antrag schreiben, ist durch die Wirklichkeit widerlegt.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich will noch einen Punkt nennen: Die Energiewende bietet auch Chancen. Ja, wir stellen ein ganzes System um, und da wird es immer wieder Punkte geben, an denen wir auf Schwierigkeiten stoßen, die wir vorher nicht geahnt haben. Das ist so, wenn man ein neues System schafft. Aber es stecken auch Chancen darin. Wir haben in Hessen im Bereich der erneuerbaren Energien um die 20.000 Arbeitsplätze. Wir gehen davon aus, dass bundesweit jedes Jahr 18.000 zusätzliche Arbeitsplätze in diesem Bereich entstehen. Ich sage Ihnen: Ich möchte, dass ein Teil dieser Arbeitsplätze in Hessen entsteht.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)
Sie behaupten, die Energiewende würde nichts zum Klimaschutz beitragen. Glücklicherweise ist der CO2-Ausstoß im letzten Jahr wieder gesunken. Falls jetzt gleich das Argument mit den CO2-Emissionszertifikaten kommt: Herr Kollege Rentsch, wenn uns auch die FDP – sie ist nicht mehr im Bundestag vertreten – mit ihren drei Europaabgeordneten dabei unterstützt, mehr Zertifikate vom Markt zu nehmen, damit man diesen Fortschritt dort auch merkt, freue ich mich darüber.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsidentin Ursula Hammann:
Herr Minister, ich darf Sie an die Redezeit erinnern.
Tarek Al-Wazir:
Ich glaube, dass wir am Ende ein Energiegipfel-Folgetreffen machen werden, so, wie es vereinbart war, dass das Folgetreffen in diesem Herbst stattfindet, wenn mehr Klarheit über das Strommarktdesign auf der Bundesebene besteht, und dass wir dort auch über die schwierigen Fragen reden werden. Ich bin jederzeit bereit, über das Wie der zusätzlich notwendigen Vernetzung zu diskutieren: über bessere Trassenverläufe und über die Erdverkabelung, bei der man nahe an Siedlungen herankommt.
(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))
Ich bin jederzeit bereit, darüber zu diskutieren, nicht aber über das Ob. Dass wir eine zusätzliche Vernetzung in diesem neuen System brauchen, kann niemand ernsthaft bestreiten, der auch nur halbwegs alle fünf Sinne beieinanderhat.
Wir werden natürlich auch die Bürgerinitiativen einbeziehen. Herr Rentsch, wir werden das im Dialog mit den Beteiligten machen. Im Dialog mit den Beteiligten werden wir über die Frage reden, in welcher Form sie sich einbringen können. Wir haben ein Interesse daran.
Es gibt aber nicht nur Bürgerinitiativen, die gegen Windräder sind, sondern es gibt auch welche, die für Windräder sind. Auch die haben das Recht, sich einzubringen. Es gibt auch eine Bürgerbeteiligung, die Ihnen vielleicht nicht so passt. Wir werden in dieser Frage alle Beteiligten einbeziehen, damit sie sich mit der Sache beschäftigen. Das wird kein Tribunal werden, sondern es wird eine Beschäftigung mit der Sache werden, und dazu lade ich alle ein. – Herzlichen Dank.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)
Vizepräsidentin Ursula Hammann:
Vielen Dank, Herr Staatsminister Al-Wazir.

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