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06.09.2012
Portraitfoto von Tarek Al-Wazir vor grauem Hintergrund

Tarek Al-Wazir: Kein Rabatt für Steuerhinterzieher – Hessens Justizminister Hahn schadet den Interessen der Bürger

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Caspar hat es gerade auf die Spitze getrieben. Ein Mitglied der Landtagsfraktion und der Landes-CDU, die 1999 mit der Doppelpasskampagne und 2008 mit der Kampagne gegen kriminelle ausländische Jugendliche auf die niedrigsten Instinkte in der Bevölkerung gesetzt hat,

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

entdeckt jetzt, dass sich diejenigen, die darauf bestehen, dass hier Steuerehrlichkeit herrscht, rassistisch gegenüber der Schweiz verhalten. Herr Caspar, George Orwell hat einen würdigen Nachfolger gefunden.

(Zuruf der Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU) und Judith Lannert (CDU))

Also fangen wir doch einmal von vorne an. Vor zwei Jahren tauchten die ersten Steuer-CDs auf, und Gott sei Dank hat die Steuerfahndung in Nordrhein-Westfalen zugegriffen und gekauft.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Herr Caspar, Herr Müller, ich stelle fest: Ohne diesen Ankauf der Steuer-CDs, gegen den Sie waren, worüber wir hier vor zwei Jahren im Landtag debattiert und Sie gesagt haben, das dürfe man nicht kaufen, wäre die Schweiz doch niemals bereit gewesen, überhaupt über ein Abkommen zu verhandeln.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf von der FDP)

Ich stelle erstens also fest: Dieser Ankauf hat auf schweizerischer Seite immerhin für Bewegung gesorgt.

(Zuruf des Abg. Alexander Noll (FDP))

Zweitens. Laut Auskunft des hessischen Finanzministers Dr. Thomas Schäfer haben diese CDs nicht nur durch die Daten, die darauf waren, sondern auch durch die Angst, die Sie, wie ich finde, bei den Steuerhinterziehern richtigerweise ausgelöst haben, allein in Hessen zu über 4.000 Selbstanzeigen geführt. Diese Selbstanzeigen haben laut Auskunft des Finanzministers Dr. Schäfer zu Mehreinnahmen für das Land Hessen von fast 440 Millionen Euro geführt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Müller, dieses Geld wollten Sie nicht haben, und ich sage Ihnen: Ich finde es schon abenteuerlich, dass Sie heute einen Antrag einreichen, wo drinsteht – ich zitiere –, dass für das Land Hessen „… jedes Jahr voraussichtlich mit zweistelligen Millionenbeträgen …“ an Steuereinkommen zu rechnen ist, wenn ihr eigener Finanzminister gesagt hat, dass wir allein durch die Selbstanzeigen in den letzten zwei Jahren 440 Millionen Euro mehr eingenommen haben. Sie müssen sich einmal entscheiden, auf wessen Seite Sie stehen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Frank Blechschmidt (FDP))

Steuerhinterziehung, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist kein Kavaliersdelikt. Steuerhinterziehung ist asoziales Verhalten, liebe Kolleginnen und Kollegen, weil es nämlich Leute gibt, die die aus Steuermitteln bezahlten Straßen und Schienen in diesem Lande finanzieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die freuen sich daran, dass Deutschland eines der sichersten Länder der Welt ist, wissen aber wohl offensichtlich nicht, dass sowohl die Polizei, unser soziales Sicherungssystem als auch Kriminalprävention aus Steuergeldern bezahlt werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die schicken ihre Kinder auf gute öffentliche Schulen, wollen aber nicht ihren Teil dazu beitragen, dass dieses System finanziert ist. Die gehen hier ins Theater und ins Konzert und schieben gleichzeitig ihr Geld in andere LąnderLänder, weil sie sich an der Finanzierung des Gemeinwesens nicht beteiligen wollen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage Ihnen, dass dieses asoziale Verhalten geistige Väter hat. Ich kann mich erinnern, dass in den Neunzigerjahren mal irgendein Beisitzer in den FDP-Bundesvorstand gewählt worden ist, der zur ersten Sitzung mit einem T-Shirt kam, auf dem stand: „Steuern sind Diebstahl“. Wer so denkt, der muss sich einmal überlegen, von wem er eigentlich bezahlt wird, wenn er zum Beispiel i hier m Landtag sitzt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Das ist doch eine verkehrte Welt. Es soll sogar der FDP angehörende Steueranwälte geben, in deren Kanzlei die Besprechungsräume „Monaco“, „Liechtenstein“ und „Bahamas“ heißen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Widerspruch bei der FDP – Zuruf des Ministers Jörg-Uwe Hahn)

Sie müssen sich entscheiden, auf welcher Seite Sie stehen. Sie müssen sich entscheiden, ob Sie auf der Seite der ehrlichen Steuerzahler stehen, oder ob Sie die Schutzmacht der Steuerhinterzieher sein wollen. Das ist Ihre Entscheidung, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Ich war in den letzten Jahren sehr pragmatisch. Herr Kollege Müller hat Herrn Eichel angesprochen. 2005 gab es ein Gesetz, die sogenannte „Brücke in die Steuerehrlichkeit“. Ich war dafür, dass wir das machen, weil ich gesagt habe: Okay, lasst uns diese Brücke bauen. – Das Problem ist nur, diese Brücke wurde von den Steuerhinterziehern nicht genutzt, weil sie gedacht haben: Uns erwischt ja keiner. – Dann kam Herr Steinbrück und hat die Abgeltungssteuer eingeführt und gesagt: 25 Prozent von x sind besser als 45 % von Nichts. – Damit hat er theoretisch recht gehabt, wenn die 25 Prozent gekommen wären. Sie kamen aber nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Wer sagt Ihnen denn, dass wir mit diesem Abkommen auch eine Möglichkeit haben, an die sogenannten Abschleicher heranzukommen, wenn Sie sich das Abkommen mit der Schweiz einmal genau anschauen, wenn Sie sich anschauen, dass es die Abfragemöglichkeit eben nicht gibt, dass die Namen eben nicht genannt werden und dass es für die sogenannten „Abschleicher“, wie das in der Schweiz heißt, keine Lösung gibt, d. h. für die Leute, die deutsche Staatsbürger sind, die in Deutschland wohnen und ihr Geld vielleicht schon längst von der Züricher Filiale ihrer schweizerischen Bank auf die Hongkonger Filiale ihrer schweizerischen Bank übertragen haben. Ich sage Ihnen: Dieses Abkommen würde es, wenn es nicht verändert wird

(Zuruf des Abg. Stefan Müller (Heidenrod)(FDP))

– Herr Müller –, schlimmer machen als es jetzt ist. Deswegen sage ich Ihnen: So kann es nicht funktionieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Deswegen ist es gut, dass der Bundesrat dieses Abkommen nicht passieren lässt, und es ist gut, wenn man sich das Abkommen in der ersten Version anschaut, dass – – Nein, machen wir es also von Anfang an:

Erstens. Sie wollten nicht, dass die CDs gekauft werden; wenn sie nicht gekauft worden wären, hätte es dieses Abkommen überhaupt niemals gegeben.

(Zuruf des Abg. Dr. Frank Blechschmidt (FDP))

Zweitens. Wenn Sie die erste Variante des Abkommens, die Ihre Bundesregierung ausgehandelt hat, mit dem jetzigen Abkommen vergleichen, dann werden Sie feststellen

(Zuruf des Abg. Stefan Müller (Heidenrod) (FDP))

– ja, getroffene Hunde bellen, Herr Kollege, ich merke es gerade –,

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Frank Lortz: 

Herr Kollege Al-Wazir, Sie müssen zum Schluss kommen.

Tarek Al-Wazir: 

dass die erste Weigerung im Bundesrat schon einmal dazu geführt hat, dass die Schweiz bereit war, nachzuverhandeln und dass jetzt beispielsweise auch die Erbschaften drin sind. Solange wir keine Steuerehrlichkeit haben, und solange die Schweiz nicht bereit ist, gegenüber der Bundesrepublik Deutschland dieselben Offenlegungskriterien anzuwenden wie gegenüber Bürgern der Vereinigten Staaten von Amerika, sage ich: Immer mehr Steuer-CDs, damit wir am Ende jeden erwischen, der sich auf asoziale Art und Weise an der Finanzierung dieses Gemeinwesens nicht beteiligen will. Das ist dann

Vizepräsident Frank Lortz: 

Bitte letzter Satz.

Tarek Al-Wazir: 

– letzter Satz, Herr Präsident – keine Hehlerei, sondern schlicht Notwehr gegenüber einem asozialen Verhalten.

(Anhaltender Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der FDP – Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Vizepräsident Frank Lortz: 

Vielen Dank.

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