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27.09.2012
Portraitfoto von Tarek Al-Wazir vor grauem Hintergrund

Tarek Al-Wazir: Frauenquote in Aufsichts- und Verwaltungsräten darf nicht an hessischen CDU- und FDP-Männern scheitern

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Am letzten Freitag hat der Bundesrat eine sehr gute Entscheidung getroffen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Die Mehrheit in der Länderkammer hat sich nach Jahrzenten von folgenlosen Selbstverpflichtungen der Wirtschaft dazu durchgerungen zu sagen, es müsse jetzt eine gesetzliche Regelung für eine verpflichtende Mindestquote zur Gleichstellung der Geschlechter auch in Aufsichts- und Verwaltungsräten in der Wirtschaft her.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Diese Mehrheit ist zustande gekommen, weil nicht nur die rot-grün regierten Länder, sondern auch die Ministerpräsidenten des Saarlandes und von Sachsen-Anhalt, Frau Kramp-Karrenbauer und Herr Haseloff, gesagt haben: Dieses folgenlose Gerede reicht, jetzt müssen Regelungen her. – Sie haben sich im Sinne der Vernunft nach jahrelangem Zuschauen, als nichts passiert ist, gesagt, es muss jetzt eine Regelung her.

Was hat die hessische Landesregierung getan? Erstens stand sie, wie so oft, auf der falschen Seite der Geschichte.

(Zuruf von der CDU)

Sie hat in diesem Punkt nämlich schlicht diesen Vorschlag abgelehnt.

Zweitens – und da wird es ganz doll –: Der bekannte Frauenpolitiker Jörg-Uwe Hahn hatte nichts besseres zu tun, als einen Brief an die Bundeskanzlerin zu schreiben und darin zu sagen, ein solch schwarzer Freitag dürfe sich nicht wiederholen. Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, es war kein schwarzer Freitag, es war ein Sieg der Vernunft.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Warum? Die Gleichstellung der Geschlechter auch in der Wirtschaft ist nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit. Es ist auch eine Frage der wirtschaftlichen Vernunft. Sie bestimmt über die Zukunftsfähigkeit der Wirtschaft der Bundesrepublik Deutschland.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Offene, gleichberechtigte und durchlässige Unternehmenskulturen sind innovativer und erfolgreicher. Unternehmen mit gemischten Teams arbeiten innovativer und erfolgreicher, weil sie eine Kombination verschiedener Weltsichten, aus unterschiedlichen Perspektiven und aus vielfältigen Fähigkeiten haben und weil sie damit einfach besser und erfolgreicher sind.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ein Blick auf das Fraktionsfoto der FDP zeigt, was passiert, wenn man es nicht so hält. Dann ist man nämlich schlechter, nicht so erfolgreich und erhält schlechtere Ergebnisse.

(Zuruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir haben zehn Jahre folgenloser Selbstverpflichtungen hinter uns. Seit Jahrzehnten diskutieren wir über dieses Thema diskutierten. In den letzten zehn Jahren ist der Anteil von Frauen in den Vorständen der DAX-Unternehmen gestiegen. Soll ich Ihnen erzählen, um wie viel? Von 2,5 Prozent auf 3,7 Prozent.

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das müssen Sie sich einmal vorstellen. Wie dringend wir in diesem Bereich eine Regelung brauchen, zeigt ein Blick in die hessische Landesregierung. Inzwischen ist zwar fast die Hälfte aller Beamten weiblichen Geschlechts. Wenn Sie aber einmal in die Führungsetagen schauen, dann stellen Sie fest, dass im Innenministerium, im Finanzministerium, im Justizministerium und im Wirtschaftsministerium die Abteilungsleiterpositionen frauenfreie Zonen sind. Das zeigt, dass sich hier dringend etwas ändern muss – nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in der hessischen Landespolitik.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wir steuern auf eine Phase von Fachkräftemangel zu. Die Frauenerwerbsquote hat sich in den letzten Jahren zwar positiv entwickelt, allerdings arbeiten nur 55 % dieser Frauen Vollzeit. Das heißt, wir brauchen dringend eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wir brauchen dringend andere Unternehmenskulturen. Wir brauchen dringend auch Entgeltgleichheit; das ist ein weiteres Thema, das auf der Tagesordnung steht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Zur gestern diskutierten Frage der Altersarmut ist dies übrigens auch ein wesentlicher Punkt; denn wenn ich mein Erwerbsleben lang immer weniger verdiene, habe ich natürlich auch im Alter weniger Rentenansprüche. Das betrifft auch insbesondere Frauen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der FDP)

Nach Jahrzehnten der Diskussion muss man da einfach feststellen: Die Wirtschaft macht es offensichtlich aus eigenem Antrieb nicht, jedenfalls nicht in der Breite. Deswegen muss man an diesem Punkt sagen: Der letzte Freitag war kein schwarzer Freitag, er war ein Signal dafür, dass die Zeichen der Zeit von immer mehr Menschen erkannt werden.

Ich hoffe, dass sich die Vorsitzende der Frauen Union in der CDU durchsetzt, damit an diesem Punkt der Fraktionszwang im Bundestag aufgehoben wird und am Ende nicht die Männer von der FDP allein darüber bestimmen, was in der deutschen Wirtschaft passiert oder nicht. Die Mehrheit des Bundestages wäre für ein solches Gesetz auf jeden Fall vorhanden, wenn frei abgestimmt würde.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsident Frank Lortz:

Herr Kollege Al-Wazir, Sie müssen dringend zum Schluss kommen.

Tarek Al-Wazir:

Ich komme zum Schluss. – Wer die Zeichen der Zeit nicht erkennt, der geht unter. Oder, um es anders zu sagen: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben, sehr geehrte Herren von der FDP.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Zurufe von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Frank Lortz:

Vielen Dank.

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