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28.02.2013
Portraitfoto von Tarek Al-Wazir vor grauem Hintergrund

Tarek Al-Wazir: Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend Handeln im Interesse von Hessen – Klage gegen den Länderfinanzausgleich

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Ministerpräsident musste zum Bundesrat.

Ich will einmal Folgendes feststellen: Dafür, dass das eigentlich in dieser Plenarwoche der Kracher aus Sicht von Schwarz-Gelb sein sollte, hat es nicht so sehr gekracht. Ich habe das jetzt einmal vorsichtig ausgedrückt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Deswegen möchte ich Folgendes in aller Ruhe feststellen:

Erstens. Es gibt einen Länderfinanzausgleich. Dieser Länderfinanzausgleich wurde von Ronald Koch und Karlheinz Weimar mit ausgehandelt. Übrigens haben Christean Wagner und Volker Bouffier dem auch zugestimmt. Denn sie haben damals dem Kabinett angehört.

Ich möchte jemanden zitieren, nämlich den jetzigen stellvertretenden Ministerpräsidenten Jörg-Uwe Hahn. Er hat einen sehr weisen Satz gesagt. Damals war er noch in der Opposition und Fraktionsvorsitzender der FDP. Er hat am 12. Oktober 2005 in der Plenarsitzung zu Roland Koch gesagt:

Sie können doch nicht auf der einen Seite etwas verhandeln und als gut bezeichnen, und auf der anderen Seite jetzt so tun, als sei das alles Mist.

Da hat Jörg-Uwe Hahn recht gehabt. Das kommt manchmal vor.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Zweitens. Wenn Sie einmal ein bisschen darüber nachdenken, werden Sie zu der Erkenntnis gelangen, dass das Argument der Verfassungsänderung mit der Schuldenbremse nicht richtig sein kann.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Denn die Schuldenbremse wird im Jahr 2020 in Kraft treten. Der Länderfinanzausgleich und der Solidarpakt werden im Jahr 2019 außer Kraft treten. Es könnte sogar sein, dass das eine mit dem anderen etwas zu tun hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Drittens. Es wird auch in Zukunft einen Länderfinanzausgleich geben. Denn das Grundgesetz gilt. Die spannende Frage dabei ist doch, ob man bei einem neuen Länderfinanzausgleich etwas weniger einzahlt, was wir uns aus hessischer Sicht wünschen würden. Es wird nicht so sein, dass es gar keine Einzahlungen mehr geben wird. Denn es muss einen solidarischen Finanzausgleich geben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Es ist völlig klar, was wir hier sehen: Das ist Wahlkampf. – Sie haben zweieinhalb Jahre lang nichts getan. Wir haben im Jahr 2010 mit Ihnen gemeinsam noch einen Antrag gemacht. Der Ministerpräsident hat gesagt, er habe verhandelt. Seine Verhandlungen haben darin bestanden, dass er den anderen gesagt hat: Ich möchte nicht mehr so viel zahlen. – Das sind noch keine Verhandlungen. Vielmehr wäre es besser gewesen, wenn die Hessische Landesregierung die Zeit genutzt hätte, um einmal zu skizzieren, wie denn aus ihrer Sicht ein gerechter Länderfinanzausgleich aussehen sollte. Das hat sie nicht getan. Deswegen hat sie keine guten Argumente auf ihrer Seite. Deswegen sind wir jetzt in der Situation, in der wir sind.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Ich will Ihnen etwas ausdrücklich sagen. Da unterscheidet sich die Position der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ein wenig von der der Fraktion der SPD. Ich glaube nicht, dass welche guten Argumente auch immer schon alleine reichen werden, um einen neuen Länderfinanzausgleich hinzubekommen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Deswegen war die Position von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN immer schon Folgende: Ja, eine Klage kann sinnvoll sein, um uns für die dann folgenden Verhandlungen bessere Argumente an die Hand zu geben. Dazu gehört aber, dass die Klage gut begründet und erfolgreich ist.

Ich sage es noch einmal in aller Kürze: Klage ja, wenn gut. Wenn die Klage gut ist, sind wir dabei. Wenn die Klage schlecht ist, dann soll sie um Gottes Willen bitte nicht eingereicht werden. Denn wenn wir das Verfahren verlieren sollten, dann wird das für die Verhandlungen eher kontraproduktiv sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der CDU)

– Herr Pentz, das ist überhaupt nicht typisch. Dass Sie keine Ahnung von Klageverfahren haben, hat der Verwaltungsgerichtshof Ihnen gestern ins Stammbuch geschrieben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ich finde es geradezu abenteuerlich, dass Sie hier über einen Antrag abstimmen lassen wollen und sagen, wir müssen auf jeden Fall für die Klage sein – obwohl Sie die Klageschrift überhaupt nicht kennen. Das ist doch irre: Obwohl Sie noch nicht einmal den Inhalt der Klage kennen, wissen Sie trotzdem schon, dass Sie auf jeden Fall dafür sind? Auf diese Art und Weise sind wir in die Schadenersatzforderung von RWE in Sachen Biblis hineingelaufen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, so geht es nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Manfred Pentz (CDU))

Ich will Ihnen aber sagen, worin das Grundproblem besteht und warum Sie eigentlich den ganzen Zinnober hier veranstalten.

Im Jahr 2012 haben wir als Bundesland Hessen so wenig Geld in den Länderfinanzausgleich einge- zahlt wie noch nie in den letzten 18 Jahren. Es waren nur noch 6 Prozent unserer Gesamtausgaben, die in den Länderfinanzausgleich gegangen sind. Wir waren schon bei fast dreimal so viel. Insofern ist das Problem für uns im letzten Jahr leider geringer geworden. Ich sage deshalb „leider“, weil das Gründe hat. Ein Grund dafür ist, dass die Finanzkraft des Landes Hessen so gering ist,

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

im Vergleich zur Finanzkraft der Länder Bayern und Baden Württemberg, wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Das ist das Grundproblem.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vielleicht haben Sie wahrgenommen, dass Deutschland insgesamt im Jahr 2012 keine Schulden mehr gemacht hat, Deutschland insgesamt. Das liegt daran, dass im letzten Jahr die Sozialversicherungen einen großen Überschuss verzeichnet haben, und daran, dass die Gemeinden unter dem Strich – das betone ich, da gibt es große Unterschiede – einen kleinen Überschuss verbucht haben, und daran, dass acht Bundesländer keine Schulden mehr gemacht haben.

(Zuruf des Abg. Günter Schork (CDU))

– Herr Schork, auf Sie ist Verlass: Da kommt immer ein Zwischenruf, anhand dessen man Ihnen beweisen kann, dass Sie gar nicht wissen, worum es geht.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Logisches Denken müsste Ihnen sagen: Der Länderfinanzausgleich kann nicht daran schuld sein, dass ein Land Schulden macht. Denn zu den Ländern, die im letzten Jahr keine Schulden mehr gemacht haben, sondern einen Überschuss, gehören die beiden Geberländer Bayern und Baden-Württemberg.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Das heißt, obwohl das Land Baden-Württemberg einen Betrag gezahlt hat wie noch nie und obwohl Bayern unglaublich viel einzahlen musste, ist es diesen beiden Ländern trotzdem gelungen, keine Schulden zu machen, sondern einen Überschuss zu erwirtschaften. Das ist doch das Problem.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Günter Schork (CDU))

Herr Kollege Schork, Hessen aber hat als einziges Bundesland im Jahr 2012 nicht nur Schulden gemacht – das haben auch sieben andere Bundesländer getan –, sondern Hessen hat als einziges Bundesland im Rechnungsabschluss mehr Schulden gemacht als geplant. Das Problem ist: Sie haben die Finanzen des Landes nicht im Griff, und zwar auf der Ausgabenseite. Das liegt nicht am Länderfinanzausgleich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Deswegen: Ja, wir haben einen Antrag eingereicht, in dem wir sagen, eine Klage ist sinnvoll, wenn sie juristisch gut begründet ist und wenn sie – ganz wichtig – mit einem eigenen Konzept einhergeht, wie man sich eine Veränderung des Länderfinanzausgleichs vorstellt. Denn gleichgültig, wie diese Klage ausgeht: Selbst, wenn wir sie gewinnen sollten, werden wir nachher verhandeln müssen.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Ein Bundesverfassungsgericht setzt keinen neuen Länderfinanzausgleich fest. Und wenn der Riesen- staatsmann Greilich hergeht und sagt, ich würde euch am liebsten auflösen, dann können Sie sich vorstellen, welchen Spaß es machen wird, sich mit denen, die man auflösen möchte, am Ende auf einen neuen Länderfinanzausgleich zu einigen,

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

vor allem – und darin haben Sie recht –: Es gibt 13 Nehmerländer und drei Geberländer, und trotzdem brauchen wir am Ende eine Mehrheit im Bundesrat. Da wünsche ich Ihnen gute Verrichtung, wenn Sie mit dieser Strategie in die Verhandlungen gehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, deswegen können wir Ihrem Antrag nicht zustimmen – schon alleine deshalb, weil er im ersten Satz sagt, dass der Landtag feststellt, dass das Finanzausgleichssystem verfassungswidrig ist.

Wir sind der Landtag. Wir sind kein Gericht und schon gar nicht das Bundesverfassungsgericht.

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Eine solche Anmaßung kann man eigentlich nicht ernsthaft formulieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Brigitte Hofmeyer (SPD))

Am letzten Freitag haben Sie eine Presseerklärung herausgegeben und gesagt: Heute wird sich zeigen, wer das Hessen-Gen hat. Herr Pentz, zeigen Sie mir erst einmal, wie dieses Hessen-Gen aussieht.

(Zuruf des Abg. Manfred Pentz (CDU))

Da wäre ich gespannt. Aber ich rate Ihnen: Gehen Sie eher einmal auf die Suche nach dem juristischen Stümper-Gen. Nach dem gestrigen VGH-Urteil haben wir eine Ahnung, bei wem das zu finden ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

In diesem Zusammenhang kann ich Ihnen sagen: Bei dem, was Sie hier machen, auch mit Ihrer albernen Presseerklärung, ist völlig deutlich geworden: Ihnen geht es nicht um den Länderfinanzausgleich. Ihnen geht es auch nicht um die Finanzen des Landes Hessen. Ihnen geht es um Wahlkampf, schlicht und einfach um Wahlkampf.

(Widerspruch bei der CDU und der FDP)
Deswegen kann ich Ihnen sagen: Uns geht es um Hessen, Ihnen geht es um Wahlkampf.

(Lachen bei der CDU und der FDP)
Die Bürgerinnen und Bürger sind schlauer, als es Ihnen lieb sein kann. Die merken das nämlich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zurufe von der CDU und der FDP)

Präsident Norbert Kartmann:

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Tarek Al-Wazir:

Herr Präsident, meine Redezeit wäre zu Ende, wenn sich der Ministerpräsident an die zehn Minuten gehalten hätte.

(Zuruf der Abg. Judith Lannert (CDU))

Deshalb will ich als letzten Satz sagen: Herr Kretschmann wurde hier schon mehrfach zitiert. Er sagt immer: Politiker und Journalisten tendieren dazu, die Informiertheit der Bürgerinnen und Bürger zu überschätzen

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

und deren Urteilsfähigkeit zu unterschätzen. Ich sage Ihnen: Die Bürgerinnen und Bürger wissen sehr genau, wem es um Hessen geht und wenn es um Wahlkampf geht. Deswegen wird diese Nummer von Ihnen nicht funktionieren. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zuruf der Abg. Judith Lannert (CDU))

Präsident Norbert Kartmann:

Vielen Dank.

Nur zu meiner Entschuldigung, Herr Kollege Al-Wazir: Ich hätte sagen müssen „geht zu Ende“, nicht „ist zu Ende“. Da haben Sie recht. Ich habe gesagt, sie „ist zu Ende“. Das war falsch. Ich bitte um Ent- schuldigung.

Zweiter Punkt: Ihre Redezeit hat sich um eine Minute und ein paar Zerquetschte verlängert. Sie haben also eine punktgenaue Landung geschafft. Danke schön.

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