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28.06.2012
Portraitfoto von Tarek Al-Wazir vor grauem Hintergrund

Tarek Al-Wazir: Aktuelle Stunde - Hessen fiebert mit bei EM: Patriotismus und Unterstützung der deutschen Nationalmannschaft schließen sich nicht aus!

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zuallererst habe ich ein logisches Problem mit dem Titel der Aktuellen Stunde. Wenn Sie schreiben: „Patriotismus und Unterstützung der deutschen Nationalmannschaft schließen sich nicht aus“, dann stelle ich die Frage: Wer hat das bisher bestritten? Doch nicht einmal die Linkspartei.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Insofern ist es eine Selbstverständlichkeit. Dabei gilt auch der Umkehrschluss, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union: Man kann sich auch am schönen Spiel der deutschen Fußballnationalmannschaft erfreuen, ohne den Patrioten-TÜV der Hessen-CDU zu bestehen, und das ist auch gut so.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Ich denke gern an die Weltmeisterschaft 2006 in der Bundesrepublik Deutschland zurück. Das war eine sehr weltoffene und fröhliche Party. Wenn man heute zurückblickt, stellt man sich die Frage: Warum war das möglich?

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Ich glaube, das hat erstens etwas damit zu tun, dass das Wetter schön war, Frau Kollegin Fuhrmann, aber dass zweitens fast alle in diesem Land mit einer Mannschaft mitgefiebert haben, die im Jahre 2006 erstmals auch das Deutschland von 2006 repräsentiert hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vergleichen wir das einmal mit der Weltmeistermannschaft von 1990. Nichts gegen Andi Brehme, Rudi Völler und Guido Buchwald.

(Zuruf des Abg.Günter Schork (CDU))

– Der weiße Brasilianer, na gut. Guido Buchwald in Ehren, Herr Kollege Schork. – Aber die Mischung von 2006, von Schweinsteiger, Podolski, Owomoyela, Frings, Odonkor und Hitzlsperger, das war erstmals eine Mischung, die dieses Land, die mein Land in seiner ganzen Vielfalt repräsentiert hat.

Ich sage dazu: Hätten CDU, CSU und FDP nicht bis 1998 regiert und sich der Realität des Einwanderungslandes Deutschland verschlossen, dann hätte das auch schon früher so sein können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU))

Wenn Sie es mir nicht glauben, dann schauen Sie sich einmal die französische Weltmeistermannschaft von 1998 an. Dann wissen Sie genau, was ich meine.

Im Jahre 2012 ist es so: Wenn Mesut Özil flankt, dann ist es egal, ob Mario Gomez oder Miroslav Klose in der Mitte steht und das Tor macht. Diese Mannschaft ist eine vielfältige Mannschaft. Es ist eine Mannschaft, die das Deutschland von heute repräsentiert, und sie ist deswegen das Gegenteil von Deutschtümelei.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich sage aber auch in Richtung Linksjugend, Linkspartei und auch Bundesverband der Grünen Jugend: Wenn man reflexartig jede Form der Unterstützung der deutschen Mannschaft als Vorstufe zum ausgrenzenden Nationalismus bezeichnet, dann ist das Unsinn. Ich sage ausdrücklich: Wenn die NPD sagt: „Das ist nicht unsere Mannschaft“, dann kann ich umso stärker sagen: Aber meine ist es.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU, der SPD und der FDP)

Ich will aber auch auf die schwierigen Seiten eingehen; denn die gibt es. Fußball ist in der heutigen Welt eine Art Religionsersatz. So wie jede Religion gefährlich werden kann, wenn sie sich im Besitz der absoluten Wahrheit wähnt, so kann Patriotismus sich in Überheblichkeit, in Ausgrenzung steigern. Wenn ich lese, dass am letzten Freitag in Neuwied dunkelhäutigen Fans vom Sicherheitspersonal der Zutritt auf die Fanmeile verwehrt worden ist mit der Begründung: „Du bist schwarz“, dann muss ich Ihnen sagen: Machen Sie sich keine Illusionen. Wir haben Leute in diesem Land, die das, was wir hier vertreten, nicht vertreten.

Ich will in dem Punkt Heiner Geißler zitieren. Er hat zwar viel Unsinn erzählt, als er noch Generalsekretär war. Aber später wurde es besser. Insofern besteht auch beim Kollegen Beuth noch Hoffnung.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU))

Heiner Geißler hat einmal den schönen Satz gesagt: „Wenn die Fahne fliegt, ist der Verstand in der Trompete.“ – Darüber sollte man einmal länger nachdenken.

Mir ist eines sehr wichtig. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist Fußball, es ist nicht Politik. Nicht jeder dumme Spruch muss gemacht werden. Das gilt übrigens auch für alle. Wenn am Samstag die Frankfurter Rundschau titelte: „Euro ohne Griechen“, dann hätte man sich diesen Schenkelklopfer echt sparen können.

(Allgemeiner Beifall)

Herr Kollege Bellino, in Ihrer Presseerklärung zur Begründung der Aktuellen Stunde sagen Sie:

Deutschland erfährt aus aller Welt Bewunderung für seine Errungenschaften, sei es in Wirtschaft, Kultur, im sozialen oder politischen Bereich. Wir sind erfolgreiches Exportland …

(Beifall des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Das ist alles richtig, aber das alles hat mit Fußball nichts zu tun, Herr Kollege Wagner.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Heinrich Heidel:

Herr Kollege, Sie müssten zum Schluss kommen.

Tarek Al-Wazir:

Ich komme zum Schluss. – Bei aller Begeisterung, es ist nur ein Spiel. Das dauert 90 Minuten,

(Zuruf)

und das Runde muss ins Eckige. Am Ende möge der Bessere gewinnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsident Heinrich Heidel:

Schönen Dank, Herr Al-Wazir.

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