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02.04.2009

Sigrid Erfurth zum Vertrag der Länder Hessen und Thüringen mit der K + S AG

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit Wasser habe ich meine Erfahrung, auch wenn es nicht aus der Werra kommt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Görig, ich habe mich schon ein bisschen gewundert. Wir waren in diesem Hessischen Landtag eigentlich schon einmal weiter. Es war uns doch allen klar, zumindest den Fraktionen, die in der 16. Wahlperiode gemeinsam an den Problemen der Werraversalzung gearbeitet haben: Ökonomie und Ökologie gehören zusammen,

(Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So ist es!)

und sichere Arbeitsplätze im Kalirevier gibt es nur, wenn wir einen sicheren Entsorgungsweg für die Kalilauge haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und des Abg. Lothar Quanz (SPD))

Ohne sichere Entsorgung gibt es auch keine sicheren Arbeitsplätze. Das gehört ganz eng zusammen. Ich möchte doch bitte noch einmal daran erinnern: Es geht nicht nur um die 55 Jahre, die die Lagerstätten voraussichtlich noch reichen. Es geht darum, dass wir 700 Jahre lang die Halden sichern müssen. 700 Jahre in denen sie weiterhin Lauge abgeben. Darüber müssen wir auch nachdenken. Das ist unser Auftrag. Dass das Unternehmen nicht von alleine daran denkt, kann man ihm noch nicht einmal vorwerfen. Aber wir müssen daran denken. Denn wir müssen dafür sorgen, dass auch spätere Generationen noch mit dieser Umwelt zurechtkommen und dass wir ihnen nicht eine versalzene Werra und eine versalzene Weser hinterlassen. Das ist unser Auftrag.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der LINKEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe es eben schon einmal gesagt: Wir waren uns in der 16. Legislaturperiode weitgehend einig. Alle Fraktionen, die damals in diesem Landtag waren, haben einen gemeinsamen Beschluss unterschrieben. Alle Fraktionen haben sich zusammengestellt, trotz des damals beginnenden Landtagswahlkampfes. Ich finde, es war ein ziemlicher Kraftakt, dass wir Parteipolitik nach hinten geschoben haben und dass wir gemeinsam überlegt haben, was wir für Werra und Weser tun können. Wir haben gemeinsam konkrete Schritte und Ziele verabredet, wie wir in der Zukunft die Werra und die Weser zu einem salzfreien Gewässer führen können. Wir haben in diesem Beschluss ganz konkrete Ziele vorgegeben. Wir haben z. B. gesagt: „Die Verlängerung des Härtegrades über das Jahr 2009 hinaus lehnen wir ab.“ Das steht da, und ist eindeutig nachzulesen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordnete der LINKEN)

Was macht die Vorgängerlandesregierung? Sie schließt einen Vertrag mit dem Unternehmen Kali und Salz ab, in dem sie formuliert – das muss ich jetzt ablesen, damit ich es nicht falsch zitiere –: Den Grenzwert für den Härtegrad wollen die Vertragspartner bis zu einer ganzheitlichen Neuregelung der Entsorgungssituation im Jahre 2012 beibehalten.

Das Wort „ganzheitlich“ bekommt für mich hier eine ganz neue Bedeutung. Sie verstoßen damit eindeutig gegen einen eindeutig formulierten Willen des Parlaments.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, ich finde, so kann man mit einem Parlament nicht umgehen.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Wir sind es doch als Opposition gewohnt, dass sich die Regierung immer wieder einmal über uns hinwegsetzt. Aber wenn alle Parteien in diesem Plenum sagen, wo sie hinwollen, und die Landesregierung es dann anders macht, dann finde ich, dass das ein sehr starkes Stück ist. Dagegen sollten wir uns wehren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Es kann ja sein, dass das Umweltministerium aufgrund irgendwelcher Umstände, die wir jetzt nicht kennen, zu der Überzeugung gelangt ist, man müsse einen anderen Ansatz verfolgen. Aber dann hätte es sich doch gehört, diese Frage zurück ans Parlament zu geben, um dann eine neue Klärung herbeizuführen. So wäre es anständig und richtig gewesen.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Ich finde, dass Sie da etwas verpasst haben. Sie haben da eine Chance verpasst, mit dem Parlament zusammen eine einheitliche Regelung zu finden. Die ehemalige CDU-Landesregierung hat noch schnell zum letztmöglichen Termin, am letzten Arbeitstag des damaligen Umweltministers, einen Vertrag unterschrieben, der sich gegen den ausdrücklichen Willen des Parlaments gestellt hat. Solches Handeln kann man eigentlich nur dann billigen, wenn Gefahr im Verzug ist. Die Gefahr kann ich nicht erkennen. Oder hatte die CDU vielleicht Angst vor dem neuen Koalitionspartner, der dann am nächsten Tag mit in die Regierung gezogen ist? Hatte die CDU Angst, dass die FDP auf die Einhaltung demokratischer Spielregeln gedrungen hätte, und wollte sie noch schnell einen Vertrag durchdrücken? War es so? Ich frage die CDU: War es so?

(Zuruf von der CDU)

Wollten Sie noch rasch vor dem Regierungswechsel einen Vertrag in trockene Tücher bringen, von dem Sie wussten, dass er den erklärten Willen des Parlaments missachtet?

(Zurufe von der CDU)

Ich bin sehr gespannt, wie sich die FDP dazu stellt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der LINKEN)

Ich bin auch sehr gespannt auf die Erklärungen der neuen Ministerin zu diesem Punkt. Frau Ministerin Lautenschläger, Sie haben vorgestern schon einmal eine Tugend als neue Umweltministerin unter Beweis gestellt. Sie haben in der Fragestunde herumgeeiert.

(Zurufe von der CDU)

– Es tut mir leid, aber es war nun einmal so.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie müssen schon klar sagen, ob Sie einen eindeutigen Auftrag des Parlaments umsetzen wollen oder nicht. Wenn Sie glauben, einen eindeutigen Auftrag nicht umsetzen zu können, dann müssen Sie den Landtag erneut fragen.

Ich muss auch sagen, dass die CDU-Landesregierung nicht nur gegen den eindeutigen Wortlaut des parteiübergreifenden Antrags verstoßen hat, sondern dass sie auch gegen den Geist verstoßen hat, in dem wir zusammen gemeinsam diese Vereinbarung getroffen haben. Wir wollten nämlich, dass Intransparenz und Verhandlungen hinter verschlossenen Türen beendet werden. Deshalb haben wir diesen runden Tisch eingerichtet, der zusammen mit allen Anrainerländern und Kommunen, die von der Werra- und Weserversalzung betroffen sind, nach Lösungen und gemeinsamen Strategien suchen soll. Den Weg, den gemeinsamen Konsens aller Betroffenen mit einzubeziehen, haben Sie verlassen.

Sie haben hinter dem Rücken des runden Tisches einen Vertrag ausgehandelt und unterschrieben, der ganz klar der Intention des runden Tisches widerspricht. Ich finde, dass das ziemlich schlechter Stil ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Sie haben den runden Tisch und alle Anrainerländer vor vollendete Tatsachen gestellt. Ich habe es schon einmal gesagt: Wir von den GRÜNEN sind es gewohnt, dass Sie so mit uns umgehen. Aber dass Sie jetzt auch noch drei andere Landtage so brüskieren, finde ich schon ziemlich erschreckend. Wir hätten es uns sparen können, dass wir jetzt von drei anderen Landtagen mit Klagen bedroht werden, die sich da nicht mitgenommen fühlen und gern wieder mit uns ins Gespräch kommen wollen.

Der Antrag von CDU und FDP formuliert das an dieser Stelle ziemlich niedlich: „Die anderen Länder bleiben eingeladen, sich zu beteiligen“ – so heißt es in Ihrem Antrag. Das ist eine klasse Einladung. Erstmal schlagen Sie ihnen die Tür vor der Nase zu und hinterher fragen Sie: Warum kommt ihr nicht rein? – Ich finde, so kann man nicht miteinander umgehen. Das ist doch kein Stil. Da sollten wir doch zu besseren Umgangsformen miteinander zurückkehren und versuchen, besser miteinander zu reden und die anderen wieder mit ins Boot zu holen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU: Dazu gehört aber auch, dass man sich informiert!)

Besonders schlimm finde ich, wie die Landesregierung mit dem runden Tisch und dessen Mitgliedern umgeht. Es sind Menschen, die dort am runden Tisch zum Teil ehrenamtlich und sehr engagiert sitzen und sehr viel Zeit in die Lösung des Problems der Werraversalzung stecken.

Es wird auch immer wieder betont, wie wichtig dieses Gremium ist. Sogar Gerichte haben sich schon darauf berufen, man wolle Entscheidungen erst dann fällen, wenn der runde Tisch fertig sei. Auch vorgestern hat die Ministerin wieder gesagt, die Erarbeitung einer Gesamtbetrachtung obliege dem runden Tisch, und erst danach könne man entscheiden, wie es denn mit den Grenzwerten weitergeht.

Frau Lautenschläger, wenn Ihnen der runde Tisch doch so wichtig ist und wenn es Ihnen damit ernst ist, dann frage ich Sie: Warum wird dann der Vertrag am runden Tisch vorbeiverhandelt? Warum stellen Sie den runden Tisch vor vollendete Tatsachen?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der LINKEN)

Nur noch einmal zur Erinnerung der ursprüngliche Zeitplan: Die öffentliche Vorstellung des Vertrags am runden Tisch war der 28. Januar dieses Jahres. Unterzeichnet werden sollte der Vertrag am 29. Januar, also einen ganzen Tag später. Ich finde, das ist ein wunderbares Beispiel für Mitarbeit und Einbeziehung. Erst als es massive Proteste gab – man kann es in dem Protokoll des runden Tisches sehr schön nachlesen, wie es dort rundgegangen ist –, kam es zu einer Verlängerung.

Aber trotzdem hat sich die ehemalige CDU-Landesregierung nicht davon abhalten lassen, am letzten Arbeitstag von Umweltminister Dietzel diesen Vertrag noch zu unterschreiben. Man hat dann eine Protokollnotiz aufgenommen. Das werden Sie uns gleich vorhalten. Diese Protokollnotiz sagt aus, man bemühe sich, den Grenzwert für den Härtewertegrad noch 2009 abzusenken. Allerdings – und das habe ich vorgestern versucht, von Ihnen zu erfahren, Frau Lautenschläger – haben Sie uns nicht sagen können, welchen rechtlichen Stellenwert diese Protokollnotiz hat. Sie haben sich um eine ehrliche Antwort herumgedrückt. Sie hat nämlich gar keinen Stellenwert. Wenn Sie das ernsthaft gewollt hätten, hätten Sie das im Vertrag verhandelt. Deshalb sage ich: Das ist Herumgeeiere. Sie haben sich hier drumherum gedrückt. Sie haben damit nur versucht, den Wortbruch und den Vertrauensverlust, den Sie an dieser Stelle vorsätzlich begangen haben, zuzukleistern.

Vizepräsident Heinrich Heidel:

Frau Kollegin, Sie müssen zum Ende kommen.

Sigrid Erfurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Wir erwarten von Ihnen, Frau Lautenschläger, ehrliche und durchführbare Antworten. Auch wenn wir heute die letzte Sitzung vor den Osterferien haben, wollen wir kein Herumgeeiere. Sie müssen jetzt verlorenes Vertrauen bei den Menschen zurückholen, die sich auch ehrenamtlich für den Schutz von Werra und Weser einsetzen. Ich hoffe, Sie fangen bald damit an.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Vizepräsident Heinrich Heidel:

Schönen Dank, Frau Erfurth.

(…)

Zweite Wortmeldung:

Sigrid Erfurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Schäfer-Gümbel, ich bin Ihnen für die Klarstellung dankbar, dass Sie zu einer gemeinsamen Handlungsweise des Parlaments zurückkehren wollen und dass wir in dieser Frage gemeinsam überlegen wollen, wie wir – –

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

– Entschuldigen Sie, Herr Schäfer-Gümbel, aber ich habe bei der Rede von Herrn Görig über Strecken diesen Konsens vermisst.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es mag sein, dass er in den zehn Minuten nicht alles untergebracht hat und einen anderen Schwerpunkt gesetzt hat als wir. Aber wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass es eine Zukunft für die Arbeitsplätze im Kalirevier nur dann gibt, wenn wir die Entsorgungsfrage so lösen, dass wir alle damit leben können. Ich finde, auf dieser Ebene sollten wir uns begegnen können.

(Zuruf des Abg. Manfred Görig (SPD))

Wir können es doch nicht so wie immer machen: Wir machen jetzt die großen Gewinne, wir sorgen jetzt dafür, dass es dem Unternehmen wirklich gut geht, und die Entsorgungsfrage verschieben wir in die Zukunft.

(Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Richtig!)

Ich glaube auch nicht, dass Sie das wollen, Herr Schäfer-Gümbel.

(Zuruf der Abg. Manfred Görig (SPD) – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

– Herr Schäfer-Gümbel, ein Unternehmen von Weltruf, das so gut aufgestellt ist wie Kali + Salz, hat es offensichtlich geschafft, erfolgreich Lobbyarbeit zu betreiben, sodass die politisch Verantwortlichen oder die, die glauben, politische Verantwortung übernehmen zu wollen, plötzlich entscheiden, dass wir das alles nicht machen können, weil alles zu teuer ist.

Ich sage, ein Unternehmen, das mal eben ein anderes Unternehmen für 1,6 Milliarden Dollar aus der Portokasse in bar bezahlt,

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

das muss genug investieren, um für die Entsorgungssicherheit zu sorgen. Nur darum geht es, und das wollen wir erreichen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich möchte nicht, dass wir irgendwann wieder einmal vor dem Punkt stehen, wo es heißt: Jetzt sind die Schächte dicht, Kali + Salz produziert nicht mehr. Wer soll jetzt die Entsorgung zahlen? Das möchte ich gerne verhindern. Daher soll jeder mit uns den Weg gehen, für vernünftige Entsorgungswege zu sorgen. Nur darum geht es.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Heinrich Heidel:

Schönen Dank, Frau Erfurth.