Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt offenbar zwei Fraktionen in diesem Hause, die ein ganz besonderes Faible für die Mehrwertsteuer entwickelt haben. Das haben wir heute gehört: Das sind zum einen die Kollegen der Linksfraktion und zum anderen die Kollegen von der FDP, auch wenn sie jeweils andere Zielgruppen und andere Lobbygruppen im Auge haben.
(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))
– Zielgruppen oder Lobbygruppen, ich glaube, so kann man es ganz gut fassen. – Ich glaube, das macht das Problem deutlich, das wir mit den Ausnahmetatbeständen bei der Umsatzsteuer haben. Es wird immer wieder versucht, entweder aus Lobbyinteressen oder aus vermeintlich guten sozialen Gründen, die ich nicht in Abrede stellen will, einen weiteren Sonderausnahmetatbestand über die Mehrwertsteuer zu regeln. Das Ganze führt dann dazu, dass wir im Mehrwertsteuerrecht inzwischen ein undurchdringliches Dickicht an Ausnahmetatbeständen haben. Ich finde, wir sollten uns hüten, diesem Dickicht jetzt noch eine weitere Schlingpflanze hinzuzufügen. Das tut dem System nicht gut, und das tut der Gradlinigkeit nicht gut.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Lothar Quanz (SPD))
Dabei ist das Ziel klar. Das sagt auch unser Antrag. Unbestritten steht fest: Für Schulkinder insbesondere an Ganztagsschulen – sonst wären es keine vernünftigen Ganztagsschulen – muss es eine kostengünstige, eine gesunde Mahlzeit geben, und alle müssen die Möglichkeit haben, daran teilzunehmen. Die Frage ist nur: Wie kriegt man es hin? Da sagen wir eindeutig: Über das Umsatzsteuerrecht kann man es nicht hinbekommen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU) – Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))
Wenn wir nun, wie die Kollegen von der Linksfraktion das vorschlagen, diesen Ausnahmetatbestand für das Schulessen schaffen würden – um das zu verstehen, muss man ein bisschen in das Dickicht der Umsatzsteuer eindringen. Der Kern des Problems – Sie haben es kurz angerissen, Willi van Ooyen – ist der Außer-Haus-Verkauf. Das ist der steuertechnische Begriff. Es geht im Kern darum, ob man die Pommes oder den Hamburger mit nach draußen nimmt zum Essen. Dann ist es begünstigt. Wenn man das ganze „Menu“ im Lokal einnimmt, kostet es 19 %. Das ist ein völliger Unsinn. Er öffnet dem Missbrauch Tür und Tor. Dieser Missbrauch passiert auch zuhauf. Sie kriegen den Hamburger oder die Pommes nicht günstiger, wenn Sie sie außerhalb des Lokals essen. Den Gewinn streicht der Unternehmer ein. Das kann auch nicht zielführend sein.
(Zuruf des Ministers Karlheinz Weimar)
– Ja, es gibt ganz viele Ausnahmen. – Um sich diesem Problem zu nähern, muss man wissen – Sie haben es kurz angerissen –, dass Schulessen nur dann den Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent hat, wenn ein Unternehmen es anliefert, das es dann auch verteilt. Dann kostet es 19 Prozent. Ich weiß nicht, woher Sie die Gewissheit nehmen, dass der Unternehmer, der das anliefert, den Steuervorteil an seine Kunden weitergibt. Das haben wir in der Hotellerie erfahren. Dort haben wir die Steuersätze gesenkt, und ich habe nicht erlebt, dass meine Übernachtung billiger geworden wäre. Ich glaube nicht, dass die Unternehmen es weitergeben, wenn wir den Steuersatz senken.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))
Dazu muss man auch wissen: Diese Unternehmen beliefern nicht nur Schulen, sondern auch Altenheime und Krankenhäuser. Kommt dann der nächste Antrag, Willi, dass wir hier auch eine Ausnahme schaffen müssen? Ich habe hier meine Zweifel, dass das zielführend ist.
Die nächste Sache ist: Wenn das Unternehmen anliefert und die Schule die Verteilung selbst organisiert, dann kostet es nur 7 Prozent. Das kann sogar steuerfrei sein, wenn man das in einer bestimmten Gestaltungsform macht.
Ich will deutlich machen: Das löst das Problem nicht. Den ermäßigten Steuersatz auch hierauf anzuwenden löst das Problem nicht. Sie merken, Umsatzsteuer ist immer wieder für eine breite Diskussion gut, aber es tut der Sache nicht gut. Daher sollten wir uns darauf verständigen, solche Dinge, die der Sache nicht guttun, nicht nur um des schönen Scheins willen ins Plenum einzubringen. Das bringt nichts, und das sollten wir auch nicht tun.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Daher ist unser dringender Rat, die Verpflegung für Schülerinnen und Schüler, die dringend notwendig ist, nicht über die Umsatzsteuer zu regeln. Deshalb werden wir eurem Antrag auch nicht zustimmen können, weil wir es für den falschen Weg halten. Wir müssen vielmehr – ich sage es noch einmal – mit direkten Zuschüssen für Kinder arbeiten, die es wirklich brauchen und die unserer Unterstützung wirklich bedürfen.
Das ist zielgenau, und das vermeidet Mitnahmeeffekte. Wir dürfen auch nicht aus den Augen lassen, so ein ermäßigter Steuersatz schadet der Staatskasse, da kriegen wir weniger Kohle rein. Mein Vorschlag: Wir sollten diesen Unsinn mit den Ausnahmetatbeständen beenden und den normalen Steuersatz für alles anwenden. Was wir dann einnehmen, setzen wir zielgenau für die Förderung des Schulessens ein. Dann haben wir viel, viel mehr gewonnen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)