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18.11.2010

Sigrid Erfurth: Gesetz zur Schuldenbremse

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Milde, ich habe Ihnen sehr aufmerksam zugehört. Sie haben noch einmal resümiert, wie wir gemeinsam erarbeiten sollten, zu gemeinsamen Lösungen zu kommen. Wenn Sie uns im letzten Jahr aufmerksam beobachtet haben, dann werden Sie und andere deutlich erkannt haben, dass meine Fraktion sehr ernsthaft am Thema Schuldenbremse gearbeitet hat und arbeitet und das Thema sehr, sehr ernst nimmt.

Ich will es Ihnen noch einmal in Erinnerung rufen. Wir haben im Januar dieses Jahres ein Konzept vorgelegt: „Hessens Weg aus der Schuldenfalle“. Wir haben eine Fraktionsanhörung dazu durchgeführt. Als die Regierungsfraktionen den Gesetzentwurf vorgelegt haben, haben wir beantragt, im Plenarsaal eine große Anhörung mit Vertretern der Finanzwissenschaft und Verfassungsrechtlern sowie Vertretern der gesellschaftlichen Gruppen durchzuführen, um ein Stimmungsbild zu bekommen und auch um eine möglichst breite Debatte in der Gesellschaft über die Schuldenbremse auszulösen.

Wir haben dann in der letzten Woche ein umfassendes Konzept vorgelegt, aus dem sich unsere Vorschläge zur Umsetzung der Schuldenbremse ergeben. An dem Punkt – das sage ich durchaus mit Stolz – sind wir weiter als die Fraktionen von CDU und FDP.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und wir haben Ihnen einen Änderungsantrag zum Gesetzentwurf von CDU und FDP vorgelegt, in dem all unsere Vorstellungen zusammenfließen. Nun werden Regierungsfraktionen nicht müde, zu verkünden, dass sie die Schuldenbremse auf jeden Fall in der Hessischen Verfassung haben wollen. Was uns allerdings fehlt, ist: Herr Milde, Sie erklären noch nicht, wie Sie das Ziel erreichen wollen, und das haben Sie auch heute wieder nicht getan. Sie haben gesagt, das machten wir dann im Haushaltsvollzug. Ich finde: An dem Punkt müssen wir ein bisschen präziser werden. Wir können den Menschen doch nicht sagen: Wir versprechen euch, dass wir ab 2020 keine Schulden mehr machen, aber wie wir da hinkommen, lasst mal unsere Sorge sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Im Finanzplan steht alles drin!)

– Herr Milde, der „Finanzplan“, „im Finanzplan steht alles drin“.

(Lachen bei der SPD)

Dazu möchte ich doch einmal den ehemaligen Finanzminister Weimar zitieren, der gesagt hat: „Das ist ein Märchenbuch, das mach ich Ihnen in fünf Minuten.“

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Milde, also bitte, ich glaube, wir sollten uns da ernster nehmen, und das wissen Sie auch. Wir sollten da ernster sein. Wir sollten da mit dem nötigen Ernst herangehen und auch die Bedenken der Menschen ernst nehmen. Das ist der Punkt.

Wir haben in der Anhörung insbesondere von Vertretern der sozialen und gesellschaftlichen Gruppen – es waren nicht nur die Sozialverbände – gehört, dass sie Ängste haben, dass dann am unteren Ende der Gesellschaft gekürzt und wichtige Bereiche nicht mehr finanziert werden. Meine Damen und Herren von der CDU und besonders auch meine Herren von der FDP, diese Bedenken müssen wir ernst nehmen und bearbeiten. Ich denke, wir müssen noch einmal ein Stück an dem Gesetzentwurf arbeiten und ernsthafte Versuche unternehmen, da zusammen zu kommen.

Wir haben uns ja der Mühe unterzogen, basierend auf dem Haushaltsentwurf 2011, den die Landesregierung vorgelegt hat, einmal zu schauen, wo denn Einsparpotenziale und Effizienzgewinne möglich sind. Ich kann Ihnen versichern, dass das keine spaßige Veranstaltung war. Das war sehr ernst, und es war auch mit sehr großen Diskussionen darüber verbunden, wo wir denn reingehen, und wo wir das denn machen. All dieser Schweiß und dieses Bemühen haben nicht dazu geführt, dass wir die Schere schließen konnten, jedenfalls nicht mit dem, was wir an der Hand hatten. Daher müssen Sie doch einmal anerkennen, dass sich dieses Schließen der Lücke nur dann realisieren lassen wird, wenn man auch über Einnahmeerhöhungen, über die Einnahmeseite nachdenkt. Das müssen Sie, glaube ich, sehr ernsthaft in den Blick nehmen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das haben auch die Finanzwissenschaftler, die im Rahmen der Anhörung im Plenarsaal referiert haben, gesagt – Herr Kollege Schmitt hat schon darauf hingewiesen –, dass die staatlichen Ebenen zum großen Teil unterfinanziert sind und dass man dazu kommen müsse, dass wieder mehr Einnahmen in die Kassen kämen. Es mag einmal dahingestellt sein, auf welchem Weg man dazu kommt. Das müssen nicht immer Steuererhöhungen im klassischen Sinne sein. Das können Rahmenbedingungen sein, die eine Landesregierung stellen kann. Das kann auch sein, dass man sich nämlich darum bemüht, bestehende Gesetze richtig auszuführen, indem man sich beispielsweise darum bemüht, Steuerschlupflöcher zu schließen und den Vollzug der Steuer ordnungsgemäß durchzuführen. All das wird letztlich aber nicht reichen, um im Jahre 2020 zu einem ausgeglichenen Haushalt zu kommen.

Ich möchte Ihnen noch einmal die Worte von Herrn Prof. Dr. Thomas Lenk vom Institut für Öffentliche Finanzen am Institut Leipzig in Erinnerung rufen. Prof. Lenk hat deutlich gemacht, dass die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte das Gebot der Stunde sei. Darüber hinaus sei es unumgänglich über Einnahmeerhöhungen und Ausgabensenkungen nachzudenken. Dieser Dreiklang, den wir Ihnen seit Januar dieses Jahres erzählen, spiegelt sich also auch hier wieder. Und, auch das hat er hinzugefügt: Es verbietet sich, über Steuersenkungen nachzudenken.

Meine Damen und Herren, diese Überlegungen sind in unseren Gesetzentwurf eingeflossen. Wir schlagen Ihnen daher vor, die Einnahmeseite im Gesetz mit zu beleuchten und festzulegen, dass sich auch die Hessische Landesregierung um Einnahmen kümmern muss; und wir schlagen Ihnen vor, einen verbindlichen Abbaupfad festzulegen, der festschreibt, wie das strukturelle Defizit abzubauen ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Damit soll deutlich werden, und ich finde, dass dies ein wesentlicher Punkt ist, dass der Schuldenabbau rasch beginnen muss und nicht beliebig, nach Gutdünken oder nach dem Motto: Wir werden dann vielleicht einmal sehen, sodass es dann von den jeweiligen Mehrheiten nach Hinten geschoben werden kann. Nein, wenn wir ernst machen wollen, dann müssen wir jetzt anfangen, und wir müssen mit dem Schuldenabbau jetzt und mit verbindlichen Schritten beginnen. Das muss sich auch in der Verfassungsänderung widerspiegeln.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir stellen erfreut fest, dass unsere, die Forderung der GRÜNEN zum Schutzwall der Kommunen auf große Zustimmung trifft. Dazu wird es eine Formulierung im Gesetzentwurf geben, die die Bedenken der Kommunen aufgreift und vor Eingriffen in ihre Hoheitsrechte schützen und auch sicherstellen soll, dass sie nicht unter der Schuldenbremse leiden werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der CDU und meine Herren von der FDP, ich möchte zum Abschluss noch darauf hinweisen: Wir sind bereit, mit den übrigen Fraktionen ernsthaft über den Gesetzentwurf zu reden und zu verhandeln, mit dem Willen – bis zur dritten Lesung – zu Regelungen zu kommen, die alle Fraktionen, die an der Schuldenbremse interessiert sind, gemeinsam tragen können. Ich hoffe in diesem Sinne auf gute Gespräche.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Vizepräsident Heinrich Heidel:

Schönen Dank, Frau Erfurth.