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30.09.2010

Sigrid Erfurth: "Hessen packts an – für einen leistungsgerechteren und anreizorientierten Länderfinanzausgleich"

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie können die lebhafte Debatte mit dem Kollegen von der LINKEN draußen führen.

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Die FDP suggeriert mit dem Titel der Aktuellen Stunde „Hessen packt an“: Jetzt soll zugepackt werden, jetzt wollen wir handeln. – Aber all dieser Aktionismus, meine Herren von der FDP, kann nicht darüber hinwegtäuschen: Es war die schwarz-gelbe, dann die schwarze, dann wieder die schwarz-gelbe Landesregierung in Hessen, die dafür gesorgt hat, dass der hessische Landeshaushalt verschuldet ist wie nie zuvor.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und dem Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE) – Zuruf der Abg. Judith Lannert (CDU))

– Frau Lannert, genau das ist das Thema. – Je stärker die Landesregierung mit der Verschuldung unter Druck geraten ist, desto stärker wurde der Sündenbock Länderfinanzausgleich aus dem Hut geholt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Heute hieß es sogar: Hätten wir den LFA nicht, hätte Hessen Überschüsse erwirtschaftet. – Das spielte schon im letzten Plenum eine Rolle. Diese platte Nummer sollten wir Ihnen nicht durchgehen lassen. Für die Verschuldung in Hessen ist in erster Linie und ganz allein die Hessische Landesregierung verantwortlich, und nicht der Länderfinanzausgleich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und dem Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Ich möchte nur diese Fakten feststellen. Nicht der Länderfinanzausgleich ist in erster Linie Schuld an der hohen Verschuldung in Hessen. Nachdem wir dieses Jammerlied „Wenn der LFA nicht wär‘, dann wär‘ das Leben halb so schwer“ immer wieder von Ihnen gehört haben und wir Ihnen dieses Jammerlied nicht länger durchgehen lassen konnten, ist es uns endlich gelungen, im März dieses Jahres, auf der Grundlage eines Antrags der GRÜNEN, einen gemeinsamen Antrag mit den Kollegen von der CDU und von der FDP zu verabschieden, mit dem wir uns auf feste Optionen und feste Zeithorizonte verständigt haben. Wir haben gesagt, bis Ende nächsten Jahres soll auf dem Verhandlungsweg versucht werden, eine Lösung zu finden. Wenn das nicht mehr zieht, soll auf dem Klageweg versucht werden, mehr Druck in die Leitung zu bringen.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Das haben wir so gesagt, denn der LFA ist zwar nicht der einzige Grund für die Verschuldung, es ist aber unbestritten, er ist reformbedürftig. Das haben sogar am Ende die Kollegen der LINKEN eingestanden, dass der LFA reformbedürftig ist.

(Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU))

– Dass das für Sie kein Maßstab ist, das ist mir klar. – Die Kollegen der LINKEN haben sich an diesem Punkt vergaloppiert.

(Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU))

Herr Beuth, wir können insgesamt feststellen – das hat auch Kollege Milde beschrieben –, der LFA ist nicht anreizorientiert, er setzt die falschen Anreize und sorgt nicht dafür, dass die Bemühungen um die eigenen Einnahmen belohnt werden. Das ist alles unbestritten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und bei Abgeordneten der CDU)

Diese Fehlanreize müssen beendet werden. Das ist doch völlig klar. Aber an einem Punkt kann ich Sie nicht rauslassen: Diese Neiddebatte, die Sie immer aufmachen, lässt sich aus dem Gutachten nicht ableiten.

(Zuruf der Abg. Judith Lannert (CDU))

Sie führen immer an: Andere Bundesländer machen mit unserem Geld viele schöne Sachen, die wir uns nicht leisten können. – Das ist doch die Neiddebatte, die Sie sonst immer ablehnen. An diesem Punkt spielen Sie ein Spiel, das nicht in Ordnung ist. Wie wollen Sie das regeln, wenn Sie sich hinstellen und sagen: Wir wollen nicht, dass die Kollegen aus dem Nachbarland die Kinderbetreuung mit unserem Geld freistellen? Wie wollen Sie das regeln? Herr Rentsch, wollen Sie, dass der Finanzminister des Nachbarlands bei Ihnen vorbeikommt, seinen Haushalt vorlegt und fragt, ob er diese oder jene Maßnahme machen darf?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Lieber Florian Rentsch, wollen Sie dann die drei Kilometer Straße, die zu einem Hotel führt, genehmigen, aber den freien Kindergartenplatz für das alleinerziehende Zimmermädchen nicht? Das ist doch absurd.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Da bauen Sie doch eine Bürokratie auf – –

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

– Sie wollen doch nicht ernsthaft in die Einnahmehoheit, in die Ausgabehoheit und in die Souveränität des Haushalts der anderen Bundesländer eingreifen. Das wollen wir bei uns nicht, das wollen wir bitte auch nicht bei anderen Bundesländern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Wir wollen – da sind wir uns wieder einig –, dass der Länderfinanzausgleich auf vernünftige Beine gestellt wird. Wenn Sie dazu noch einmal ein Gutachten benötigen, um sich das bestätigen zu lassen, ist das in Ordnung. Sie hätten vielleicht kein neues Gutachten gebraucht,

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Sie hätten vielleicht einmal bei den Kollegen der CDU fragen können. Es gab zum Beispiel in der Föderalismuskommission ein Gutachten von Prof. Peter Huber, seinerzeit noch Professor an der Universität in München, heute Innenminister in unserem Nachbarland Thüringen. Da haben Sie ein Geberland mit an dem Tisch. Prof. Huber hat 2004 Ähnliches festgestellt wie jetzt Ihr Gutachter.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Vizepräsident Frank Lortz:

Frau Kollegin Erfurth, Sie müssen zum Schluss kommen.

Sigrid Erfurth:

Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich weiß, dass Thüringen ein Nehmerland ist.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Prof. Huber hat 2004 schon Ähnliches festgestellt wie heute Ihr Gutachter. Vielleicht finden Sie dort Verbündete auf einem richtigen Weg. Wir brauchen Druck auf der Leitung, und wir brauchen Verbündete, die den richtigen Weg beschreiben. In diesem Sinne sollten wir weitermachen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Frank Lortz:

Vielen Dank.