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24.04.2013

Sigrid Erfurth: Steuerhinterziehung bei Amateuren wie Profis gleichermaßen bekämpfen

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Pentz, Sie haben sich sehr bemüht,

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Rot-Grün das Etikett anzukleben,

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

wir würden den Bürgerinnen und Bürgern das vorenthalten, was ihnen zusteht und würden uns der Steuergerechtigkeit widersetzen.

(Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Das ist schon ein starkes Stück. Ich sage Ihnen: Wir wollen die Gerechtigkeitslücken in der Besteuerung schließen und nicht aufreißen und vertiefen, wie Sie das vorhaben.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich mache es ganz kurz:

Wir wollen Steuergerechtigkeit durch Erhöhung des Grundfreibetrags herstellen, damit die Menschen, die wenig haben, am Ende mehr in der Kasse haben. Wir wollen das durch die Erhöhung des Spitzensteuersatzes gegenfinanzieren; dadurch wird die Belastung für Menschen, die etwas mehr verdienen, erhöht. Wir wollen die Abgeltungssteuer abschaffen, damit Kapitaleinkünfte endlich auch genauso hoch besteuert werden wie Lohneinkünfte. Auch das ist ganz wichtig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wir wollen das Ehegattensplitting ersetzen. Außerdem wollen wir eine einmalige Vermögensabgabe zur Tilgung der Schulden aus der Finanzkrise.

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

– Das ist durchaus nicht verfassungswidrig. Das hat auch Konrad Adenauer schon einmal getan. Denken Sie einmal nach.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wir wollen Erbschaften höher besteuern. – So viel zur Gerechtigkeit.

Meine Damen und Herren von der CDU und meine Herren von der FDP, die größte Gerechtigkeitslücke aber ist und bleibt die Steuerhinterziehung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Steuerhinterziehung ist asozial. Sie entzieht dem Staat das, was ihm zur Finanzierung seiner Ausgaben zusteht. Genau diese Steuerhinterziehung wollen wir bei Amateuren und bei Profis gleichermaßen bekämpfen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir GRÜNE haben uns aus gutem Grund schon lange gegen das Steuerabkommen mit der Schweiz eingesetzt. Wir wollen eben nicht, dass Steuerhinterzieher unerkannt, unentdeckt und straffrei bleiben. Herr Pentz, das, was Sie erzählen – die würden strafverfolgt, wenn man das Steuerabkommen anwendet –, ist doch aus der Luft gegriffen. Das stimmt doch gar nicht. Der Kern des Steuerabkommens ist doch, dass man unentdeckt bleibt. Wen wollen Sie denn da bestrafen?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Da haben Sie doch überhaupt keinen Täter, den Sie bestrafen können. Das ist eine völlig verquere Logik. Sie sollten das einmal nachlesen. Dann würden Sie merken, dass Sie da etwas erzählen, was überhaupt nicht haltbar ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Wir wollen nicht, dass Menschen, die Geld aus undurchsichtigen Geschäften in der Schweiz angelegt haben, dieses Geld ganz legal nach Deutschland zurücktransferieren dürfen.

(Petra Fuhrmann (SPD): So ist es! – Zuruf des Abg. Manfred Pentz (CDU))

Herr Pentz, das Steuerabkommen, das Sie hier verteidigen, sichert allen Anonymität zu, die Geld aus kriminellen Geschäften erworben haben – seien es Schmiergelder, Schwarzgelder oder organisierte Kriminalität.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich frage Sie: Wollen Sie das wirklich? Wollen Sie Geld aus Drogenhandel, Bestechung und anderen kriminellen Handlungen, das ist der Schweiz geparkt war,

(Zuruf von der CDU)

über den Weg dieses Steuerabkommens ganz legal nach Deutschland zurückholen? Wollen Sie das wirklich?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE) – Zurufe von der CDU – Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Herr Pentz, wir GRÜNE jedenfalls wollen das nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Am Wochenende sind sämtliche Vorteile, die das Schweizer Steuerabkommen für Steuerhinterziehung gehabt hätte, einer breiten Öffentlichkeit mit einem Schlag nachvollziehbar und deutlich geworden.

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Auf einmal wurde klar, was dieses von Schwarz-Gelb ausgehandelte Abkommen bedeuten würde – das Steuerabkommen, das der Finanzminister hier schon oft verteidigt hat,

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

und das Sie, Herr Kollege Pentz, heute hier wieder gelobt haben.

– Ja, Herr Bellino, Steuereinnahmen hätte das bedeutet. Das verkünden Sie hier schon lange. Vielleicht hätten Sie gestern Abend einmal dem Fachanwalt für Steuerrecht aus München in der der „ARD“ zuhören sollen. Der hat gesagt, in seiner Kanzlei sei die Anzahl der Selbstanzeigen enorm gestiegen, und er schätzt es so ein, dass die Steuereinnahmen ohne dieses Abkommen um ein Vielfaches höher sind als mit diesem Abkommen. Der ist ein Fachmann, denn er berät die Hinterzieher.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE) – Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Meine Damen und Herren, auch der Präsident des FC Bayern München und erfolgreicher Wurstfabrikant Uli Hoeneß fand dieses Steuerabkommen gut. Er hat nämlich darauf gesetzt, dass es ihm aus seiner ganz besonderen Notlage hilft. Er hat darauf gesetzt, dass er das Geld, das er bei Schweizer Banken angehäuft hatte – offenbar Spekulationsgewinne in beachtlicher Höhe,

(Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

die er hier nicht versteuert hat – ganz legal wieder nach Deutschland zurücktransferiert, ohne dass dabei irgendjemand seinen Namen erfährt, ohne, dass die Steuerbehörden seinen Namen erfahren – und ohne, dass er dafür eine angemessene Strafe zahlen muss. Wahrscheinlich hätte er auch sehr, sehr viel weniger Steuern gezahlt, als er es jetzt muss.

(Zuruf des Abg. Manfred Pentz (CDU))

Dabei will ich gar nicht die Frage aufwerfen, aus welchen Quellen dieses Geld stammt, dieses „Spielgeld“, der Kapitalstock für dieses „Spielgeld“.

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Darüber wird in den Medien eifrig spekuliert. Darüber werden wir sicher noch etwas hören.

Nach eigenen Angaben wollte Herr Hoeneß „die Sache“, wie er es genannt hat, mit dem Steuerabkommen bereinigen. Das heißt, diese Steuerhinterziehung wäre nie aufgeflogen. Herr Hoeneß hätte sich ganz elegant aus der Affäre ziehen können,

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

ohne Geldbuße, ohne Verzugszinsen – und vermutlich auch zu einem günstigeren Steuersatz.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Dieses elegante Modell der Bereinigung – das war das Modell von Schwarz-Gelb.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Herr Hahn, das hat nichts mit „grüner Kampfrhetorik“ zu tun. Das ist die ganze, die einfache, aber unbequeme Wahrheit.

(Zuruf des Abg. Nancy Faeser (SPD))

Wir wissen, Herr Hoeneß fand dieses Abkommen gut. Das hat er selbst gesagt. Wir wissen auch, dass Herr Hoeneß gern gesehener Gast z. B. bei der CSU in Bayern war.

(Zuruf von der CDU – Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Am 19. Mai 2012 befand Horst Seehofer in einem Interview: Der Hoeneß könnte es ganz nach oben schaffen,

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

auch in der Politik. – Hier war jemand der Politik offenbar sehr, sehr nahe, jemand, der durchaus eigene Interessen hatte. Das ist nicht verwerflich. Dass aber die Politik von Schwarz-Gelb Steuerhinterziehern dabei helfen wollte, ihre Weste weiß zu halten, das finde ich verwerflich,

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

dass Sie der Versuchung nicht widerstanden haben, hier nach einer Lösung zu suchen, die Steuerhinterzieher genauso behandelt wie steuerehrliche Menschen.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Herr Hahn, wenn Sie nichts dabei finden, sich so zu verhalten, dann stellt sich die Frage, in welcher Welt die FDP eigentlich lebt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schwarz-Gelb wollte, dass kein Hahn mehr nach Steuerhinterziehern kräht.

(Zuruf des Ministers Jörg-Uwe Hahn)

Wir wollen das nicht. Es ist gut, dass das verhindert wurde. Es darf kein Abkommen geben, das Steuerstraftäter unterstützt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE) – Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Deshalb gehört für uns der automatische Informationsaustausch zu den wichtigen Bestandteilen eines neuen Abkommens. Es ist wichtig, darauf zu achten, dass in Zukunft auch wirklich Strafen möglich sind – wie Sie das gesagt haben, Herr Pentz: Strafen sind nötig, auch für Steuerhinterzieher, aber kein Verschwinden in der Anonymität, kein Wegtauchen aus der Verantwortung. Das darf es nicht geben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Die Steuermillionen gehen keineswegs verloren. Die Steuereinnahmen werden um ein Vielfaches höher sein, wenn wir mit einem vernünftigen Abkommen – wie es von der EU angestrebt wird, wie es auch sinnvoll ist und wie es schon die USA haben – nach dem 22. September dafür sorgen, dass Steuerhinterzieher nicht besser behandelt werden als Steuerehrliche.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Meine Damen und Herren, gestern haben die Bayern nach 90 Minuten das Spiel für sich entschieden. Schwarz-Gelb hat es in vier Jahren nicht geschafft, das Spiel zugunsten der steuerehrlichen Menschen zu entscheiden.

(Zurufe von der CDU sowie des Abg. Mario Döweling (FDP))

Am 22.09. haben Wählerinnen und Wähler die Chance, die verbrauchte Mannschaft auszuwechseln. Ich hoffe, sie nutzen sie. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie der Abg. Barbara Cárdenas (DIE LINKE))

Vizepräsident Lothar Quanz:

Vielen Dank, Frau Kollegin Erfurth.