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28.04.2010

Sigrid Erfurth: Steuerkonzept der FDP belastet Normalverdiener und Familien und treibt Land und Kommunen in den Ruin

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Milde, Sie waren wirklich nicht zu beneiden.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Sie mussten hier ein weltfremdes Konzept Ihres Koalitionspartners verteidigen. Dann haben Sie sich gerettet, indem Sie die wesentliche Aussage, nämlich das Steuersenkungsvolumen, einfach ausgeblendet haben und das bisschen, was man durchaus positiv würdigen kann, haben Sie herausgezogen, um zu sagen: Wir müssen Vereinfachungen vornehmen. – Dann haben Sie die Steuervorschläge des Finanzministers gelobt, über die man wirklich reden muss. Da haben Sie Recht. Man muss darüber reden, wie man das Steuerrecht vereinfachen kann. Herr Kollege Milde, aber so kann es nicht gehen. Man kann doch nicht einfach sagen: „Das gefällt uns nicht. Das ist in der Parteizentrale entstanden. Dann schauen wir einmal, wo die Realität die FDP noch erwischt.“ Ich finde, so kann es nicht gehen. Da sollten Sie sich ein bisschen mehr an dem orientieren, was die FDP beschlossen hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Ich möchte Ihnen ein paar Zahlen vorstellen: 22,9, 19,9, 17, 15, 14. Das sind zwar fünf Zahlen, aber es ist nicht das Fünf-Stufen-Modell der FDP. Meine Damen und Herren, das sind die Eingangssteuersätze des deutschen Einkommensteuerrechts von 2000 bis 2010. Der Eingangssteuersatz wurde also in den letzten zehn Jahren um 8,9 Prozent gesenkt. Bis zum Jahre 2005, also während der rot-grünen Bundesregierung, sind wir von 22,9 auf 15 Prozent heruntergegangen. Das ist die Realität. Das ist das, womit wir uns auseinandersetzen müssen.

Diese Zahlenreihe könnte ich Ihnen auch für den Spitzensteuersatz aufmachen. Ich nenne nur die Eckdaten: 51 Prozent im Jahr 2000. Dann hat Rot-Grün den Spitzensteuersatz bis 2005 auf 42 Prozent gesenkt. Da ist er noch immer. Dazu gekommen ist jetzt die sogenannte Reichensteuer mit 45 Prozent im Spitzensteuersatz bei sehr hohen Einkommen von über 250.000 Euro.

Meine Damen und Herren, wenn ich mir diese Zahlen betrachte, dann frage ich mich: Wo war die FDP eigentlich in den letzten zehn Jahren. Wo hat die FDP die letzten zehn Jahre verbracht? Die Steuersätze sind so niedrig wie nie zuvor in Deutschland seit 1958. Vor zehn Jahren, da mag Ihr Drei-Stufen-Modell – so hieß es damals noch – sicher eine wichtige Überlegung gewesen sein, wie man die damals zu hohen Steuersätze absenken könnte. Aber, meine Herren von der FDP, die Welt hat sich seitdem weitergedreht. Es hat die Absenkung gegeben, wie ich sie Ihnen vorgetragen habe.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Sie halten krampfhaft an einem überholten Konzept fest. Denn auch der von Ihnen so hoch gelobte Stufentarif wird das Problem der Sprünge von einer Stufe auf die nächste nicht lösen. Auch da haben Sie diese Probleme. Aber er ist teuer. Er ist unendlich teuer. Er wird die Haushalte in Bund und Ländern stark belasten. Er wird ihnen Geld entziehen, Geld, das wir dringend benötigen.

Meine Damen und Herren, 16 Milliarden Euro – wir haben es mehrfach gehört – hat sich die FDP als Steuersenkungsvolumen bis 2012 auf die Fahnen geschrieben. Sie bleiben Ihrem Konzept treu. Das muss man Ihnen zugute halten. Das Konzept ist: „Wer hat, dem wird gegeben.“ Denn die 2 Prozent-Pauschale für die Werbungskosten – anders kann ich mir das nicht erklären – ist ein Beispiel dafür, wie man sozusagen auch die am höchsten entlastet, die am meisten haben. Da sind Sie sich treu geblieben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Barbara Cárdenas (DIE LINKE))

Man kann das auch sehr schön in den verschiedensten Darstellungen in den Zeitungen nachlesen, z. B. kürzlich in der „Frankfurter Rundschau“. Da ist ausgerechnet worden: Den größten Nutzen haben die Menschen, die mehr als 53.000 Euro im Jahr versteuern. Da haben wir nämlich eine Steuerersparnis von mehr als 1.500 Euro. Geringverdiener, die weniger als 10.000 Euro im Jahr verdienen, bekommen lediglich 36 Euro an Entlastung, wenn es nach dem Konzept der FDP geht. Meine Damen und Herren von der FDP, ich kann Ihnen nur die sorgfältige Lektüre des VhU-Papiers zur Schuldenbremse empfehlen, das wir am Montag übersandt bekommen haben.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Der Unternehmerverband hat auf Seite 14 eine sehr schöne Feststellung getroffen: „Starke Schultern können mehr tragen als schwache.“ Richtig, kann ich nur sagen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE) – Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Das ist ein Satz, der mir sehr gut gefällt und den wir GRÜNE oft benutzen. – Ja, Herr Rentsch, würden Sie es doch einmal umsetzen, nicht nur freundlich klatschen.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP) – Zuruf des Abg. Wolfgang Greilich (FDP))

– Herr Rentsch, nein, das haben wir nicht gelesen. Aber ich habe Ihr Konzept sehr sorgfältig gelesen. Ich habe nichts gefunden, was diesen Satz umsetzbar macht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Reinhard Kahl (SPD) und Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Ich kann Ihnen die Lektüre des Papiers des Hessischen Unternehmerverbandes weiterhin anempfehlen. Auf Seite 14 – Sie merken, das ist die Schlüsselseite des Papiers – steht ein weiteres sehr wichtiges Zitat, das ich Ihnen nicht vorenthalten möchte. Dort heißt es: Angesichts der immens großen Aufgabe, vor der das Land Hessen nach jahrzehntelanger Verschuldungspolitik steht, ist an mehreren Hebeln anzusetzen. Dazu gehören erstens Kürzung der Ausgaben, zweitens Steigerung der Einnahmen und drittens Steigerung der Effizienz der Erbringung der öffentlichen Dienste.

Ich finde, da ist sehr schön zusammengebracht, dass die hessischen Haushalte in den letzten Jahren immer über ihre Verhältnisse gelebt haben und dass man dieses Problem nicht mit weiteren Steuersenkungen in den Griff bekommen kann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wir GRÜNE haben Ihnen mit unserem Konzept zur Schuldenbremse eine etwas andere Gewichtung vorgelegt. Wir setzen andere Schwerpunkte. Aber etwas ist doch hoch spannend. Der Verband der hessischen Unternehmer sieht keinen Spielraum für Steuersenkungen. Darüber finden Sie kein Wort in diesem Papier. Ganz im Gegenteil, er sieht es als wichtig an, auf dem Weg zur dringend nötigen Konsolidierung der Haushalte die Einnahmen zu steigern.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Was macht die FDP? Es wird das Steuersenkungsmantra aufgesagt – ohne Rücksicht auf reale Gegebenheiten. Meine Herren von der FDP, Sie sollten erkennen, es hat sich in den letzten zehn Jahren in der Steuerpolitik viel geändert, auch wenn ich persönlich nicht immer mit allem zufrieden war. Aber es ist nicht die Zeit – da sollten Sie Realismus einkehren lassen – weiter dieses Mantra aufzusagen. Sie haben Verantwortung für den hessischen Landeshaushalt.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

In diesem hessischen Landeshaushalt ist in den letzten Jahren ein Schuldenrekord nach dem anderen aufgestellt worden. Das Land Hessen hat die Pflicht, bis 2020 die Haushaltslage so in den Griff zu bekommen, dass keine neuen Schulden mehr aufgenommen werden. Ich frage Sie: Wie wollen Sie das schaffen, wenn Sie den öffentlichen Haushalten immer weiter Mittel entziehen? Ich glaube, so, wie Sie das vorhaben, funktioniert das nicht.

Wir haben gehört, wenn die Vorstellungen der FDP Realität werden, werden dem Landeshaushalt round about 600 Millionen Euro zusätzlich fehlen. Dagegen sind die jetzigen Sparvorschläge, die Finanzminister Weimer mit dem Haushaltsaufstellungserlass an die einzelnen Fachressorts gegeben hat, ein laues Lüftchen.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Wie wollen Sie das schaffen? Wie wollen Sie den Spagat zwischen Schuldenbremse und weiteren Steuersenkungen hinbekommen? Ich glaube, darüber müssen Sie noch einmal ganz gehörig nachdenken.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Ich frage Sie: Wie wollen Sie die Finanzierung der Kommunalfinanzen sicherstellen? Auch dazu findet sich kein Wort, zumindest nicht in dem Parteitagsbeschluss. Allerdings haben Sie in der hessischen FDP gemerkt, dass es nicht ganz so einfach ist mit den Absenkungen im Kommunalen Finanzausgleich, die Sie im Koalitionsvertrag mit der CDU beschlossen haben. So haben die Spitzen der FDP, die wohl gemerkt haben, dass es überall rumpelt, nach einer Präsidiumssitzung eine Presseerklärung herausgegeben, die ich mit großem Interesse gelesen habe.

Dort heißt es nämlich, es komme jetzt zentral darauf an, durch Veränderungsvorschläge den geplanten Eingriff in den Kommunalen Finanzausgleich zu vermeiden, da ansonsten besonders finanzschwache Kommunen betroffen wären. – Das stimmt. Durch den Eingriff sind besonders finanzschwache Kommunen betroffen. Aber ich frage mich, wie denn diese Presseerklärung des Präsidiums der hessischen FDP zu verstehen ist. Wollen Sie jetzt mit sich selbst verhandeln, oder wollen Sie mit dem Finanzminister noch einmal neu in Verhandlungen eintreten, um zu klären, wie denn die Kürzungen im KFA gemeint sind? Sie haben zumindest gemerkt, dass es für die Kommunen schwierig wird. Eine Lösung habe ich aber noch nicht gehört. Ich bin sehr gespannt, ob der Kollege Blum, der wahrscheinlich nach mir reden wird, dazu etwas sagen kann.

Vizepräsident Lothar Quanz:

Frau Erfurth, und Sie kommen bitte zum Schluss.

Sigrid Erfurth:

Ich danke Ihnen, Herr Präsident. Ich komme zum Schluss. – Ich möchte abschließend einen Appell an die FDP richten: Sammeln Sie Ihr weltfremdes Steuersenkungskonzept ein. Und an die CDU: Lassen Sie den Unsinn nicht durchgehen, denn wir haben gemeinsam Verantwortung für den hessischen Landeshaushalt. Denken Sie daran: Die Steuersenkungen von morgen sind die Gebührenerhöhungen in den Kommunen von übermorgen.

Vizepräsident Lothar Quanz:

Vielen Dank, Frau Erfurth.