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30.05.2012

Sigrid Erfurth: Schwarzgeldbesitzer in der Schweiz endlich angemessen an der Finanzierung der Staatsaufgaben beteiligen

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Noll, das war schon herzallerliebst, wie Sie sich hier für die Besteuerung von Einkommen und dafür, dass Steuersünder und Steuerflüchtlinge endlich ihrer gerechten Besteuerung zugeführt werden, stark gemacht haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Das war schon schön. Am Anfang Ihrer Rede haben Sie gesagt: Bisher gibt es keine Regelung für die Besteuerung von Vermögen in der Schweiz. – Herr Noll, ein Blick in das Gesetz erleichtert manchmal die Rechtsfindung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Ulrich Caspar (CDU))

Wir haben in Deutschland eine ganz einfache Regelung: Alles Vermögen, das man anlegt und dessen Erträge sind in der Bundesrepublik Deutschland zu versteuern.

(Zuruf des Abg. Minister Jörg-Uwe Hahn)

– Das hat er nicht gesagt. Er hat gesagt: Bisher haben wir kein Abkommen mit der Schweiz, und das Geld bleibt unversteuert. – Das zeigt doch, auf welcher Linie Sie sozusagen schwimmen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Das Geld, was eben in die Schweiz verbracht wird, so kam es an,

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

könnte dort ganz rechtmäßig nicht versteuert werden.

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

So war der Duktus Ihrer Eingangssätze.

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Ich hoffe sehr, dass das nicht so ist, denn unser Steuerrecht sieht das anders vor. Das ist da sehr klar und eindeutig: Jeder Steuerbürger ist verpflichtet, nach seinem Welteinkommen eine Steuererklärung abzugeben. – So einfach ist die Welt. Bisher hätten die Steuerbürger oder die Menschen, die ihr Geld in der Schweiz angelegt haben, das locker hier versteuern können. Es hat sie niemand daran gehindert. Alle hätten das hier versteuern können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Das hat nur funktioniert, weil man den Mantel der Anonymität gesucht und weil man das Geld in die Schweiz verbracht hat und sich dann unter dem Schutz des Schweizer Bankengeheimnisses sicher wähnte und genau wusste: Wenn man es nicht will, dann wird das Vermögen hier nicht bekannt.

Wenn man das Abkommen so in Kraft setzt, wie Sie es jetzt vorhaben, bleibt das weiter so. Die Menschen, die Kapitalvermögen in die Schweiz verbracht haben, werden auch künftig auf den Schutz der Anonymität rechnen können. Auch künftig wird nicht mitgeteilt, wer Geld in der Schweiz angelegt hat; auch künftig wird nicht mitgeteilt, wie hoch das Vermögen ist, das in der Schweiz angelegt ist, und auch künftig werden Steuerbehörden die Hände gebunden bei der Verfolgung von Steuerhinterziehung, soweit man eben Vermögen in der Schweiz angelegt hat. Das ist die Wahrheit über dieses Abkommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Nun erklärt die FDP, dass es gerade wegen der Blockadepolitik der rot-grün geführten Landesregierungen zu großen Nachteilen für die Länder kommt.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

– Das finde ich auch. – Herr Rentsch, es ist ein ziemlicher Treppenwitz, wenn die FDP das behauptet. Gerade die Länder müssten den rot-grün geführten Bundesländern dankbar sein, dass sie dieses Abkommen bisher so nicht in Kraft gesetzt haben,

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

weil nämlich die Nachverhandlungen dazu geführt haben, dass das Abkommen schon wesentlich besser geworden ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

– Genau. – Der Bund hatte nämlich eine ziemlich wichtige Kleinigkeit vergessen, und diese Kleinigkeit landet bei den Ländern. Es geht nämlich um die Erbschaftsteuer. Die Erbschaftsteuer war überhaupt nicht geregelt, und erst jetzt bei den Nachverhandlungen ist verhandelt worden, dass die Steuer aus Erbschaften auch in der Bundesrepublik ankommt.

(Zuruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das ist neu, und das sollte uns als Hessen freuen, denn das ist eine Landessteuer. Wer also sein Vermögen im Falle der Erbschaft offenlegt und eine ganz normale Vermögensteuer abgibt, wird nach deutschem Recht besteuert. Wer sich aber dem verweigert, der muss den nach deutschem Steuerrecht höchsten Satz, nämlich 50 Prozent, zahlen. Das ist, finde ich, ein guter und richtiger Weg, und hier hat die von Ihnen sogenannte „Blockadepolitik“ sozusagen dazu geführt, dass das Abkommen ein kleines bisschen gerechter geworden ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Es ist aber noch nicht alles gut, weil Sie die Schenkungsteuer rausgelassen haben; die ist noch nicht zufriedenstellend geregelt. Wer also regeln möchte, dass das Vermögen nicht im Falle seines Todes übergeht, sondern, dass, wie man immer so schön sagt, „mit warmen Händen geschenkt wird“, der bleibt weiter in der Steuerhinterziehung.

Der kann weiter dafür sorgen, dass sein Vermögen am deutschen Staat vorbei in der Schweiz gelagert wird. Ich finde, auch da muss noch einmal nachgesteuert und nachgebessert werden. Da ist noch viel, viel Raum für Verbesserungen.

Im Wege der Nachverhandlungen, die die rot-grün geführten Bundesländer durchgesetzt haben, wurde erreicht, dass der Steuersatz für die hinterzogenen Vermögen angehoben wurde. Auch das ist gut, weil dann nämlich, wenn das Abkommen in Kraft tritt, wahrscheinlich irgendwann auch mehr Steuern in den Kassen landen werden.

Was nicht gut ist, ist, dass der Steuersatz statisch ist.

(Beifall des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Wenn wir nämlich, was Rot-Grün anstrebt, die Regierung im Bund übernommen haben

(Zuruf des Abg. Wolfgang Greilich (FDP))

– Herr Greilich, das werden wir 2013 sehen –, und die Steuern auf Vermögen endlich angehoben werden, dann haben wir ein Steuerabkommen, das einen statischen Steuersatz vorsieht. Das ist schlecht. Da muss man nachverhandeln. Da muss man die Möglichkeit schaffen, den Steuersatz anzupassen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Schlecht ist – ich sprach es an –, dass die Steuerhinterzieher und die, die ihr Vermögen mit Wissen und Wollen in die Schweiz verbracht haben, weiterhin in der Anonymität leben. Das war der Schweiz wichtig. Offenbar ist es auch der FDP wichtig. Anders kann ich mir Ihr Eintreten dafür nicht erklären.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Florian Rentsch (FDP): Sie sind wirklich konstant in dem Bemühen!)

– Herr Rentsch, ich bin auch sehr dafür, dass ich bei mir konstant bin.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Denn ich möchte, dass auch die Menschen, die mehr haben, ordnungsgemäß besteuert werden und dass keine Scheingerechtigkeit geschaffen wird. Das, was Sie vorschlagen, ist Scheingerechtigkeit.

(Petra Fuhrmann (SPD): So ist es! – Zuruf des Abg. Mario Döweling (FDP))

Die möchte ich nicht. Ich möchte erreichen, dass auch die Menschen, die ihr Geld am Staat vorbei gemogelt haben, künftig ordnungsgemäß Steuern zahlen.

(Beifall der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Kommen wir zu der wichtigen Frage der Einnahmen. Sie haben hier in vielen Nebelwolken erklärt: Es geht um viel Geld. – Ja, das tut es. Allerdings weiß keiner genau, um wie viel Geld es genau geht. Denn in der öffentlichen Debatte ist immer von 100 Milliarden € Vermögen die Rede – das ist wirklich irre viel Geld –, die in der Schweiz geparkt sind. Es werden aber doch nicht alle Anleger darauf warten, dass die Schweizer Banken das Geld endlich versteuern. Was glauben Sie denn? Die haben doch ihr Geld längst in andere Steueroasen verschoben. Das Abkommen lässt es auch zu, dass weiter verschoben werden kann, nämlich noch bis zum 01.01.2013. Diese Frist gehört verkürzt. Dieses Schlupfloch gehört zugemacht. Diesen sogenannten Verschwindern – das ist auch ein schönes Wort aus dem Abkommen – muss man einen Riegel vorschieben. Man muss die Geltungsdauer des Abkommens deutlich vorziehen, um dem Verschwinden der Steuervermögen einen Riegel vorzuschieben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Wie viel Geld bringt das Abkommen, wenn es denn unterzeichnet würde, tatsächlich in die öffentlichen Kassen? Das ist die spannende Frage. Das weiß niemand. Das hat sogar der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Herr Hartmut Koschyk, in einem Brief vom 15. Mai an den finanzpolitischen Sprecher der GRÜNEN im Bundestag eingeräumt, nämlich dass es schlicht unmöglich ist, das genaue Aufkommen zu schätzen. Er schreibt mit entwaffnender Offenheit:

Aufgrund der Entwicklungen in den letzten Jahren

– es geht um die Übernahme der OECD-Standards für den Informationsaustausch –,

die insgesamt das Vertrauen in die Sicherheit vor der Entdeckung von Schwarzgeld in die Schweiz verringert haben dürften, ist davon auszugehen, dass eine Reihe von Anlegern ihre Kapitalanlagen bereits in vermeintlich sichere Anlagestandorte transferiert haben.

So die Analyse aus dem Bundesfinanzministerium. Diese Analyse teile ich. Es wird vermutlich auch nicht das Vermögen dabei herauskommen, das immer durch die Gazetten geistert. Was letztlich in den bundesdeutschen Kassen landet, das wird sehr viel weniger sein.

Aufgrund dieser Unsicherheiten hat das Finanzministerium als Einnahme im Bundeshaushalt 2 Milliarden Euro Steuereinnahmen veranschlagt. Das ist kein Pappenstiel. 2 Milliarden Euro ist ein ordentliches Wort. Die Frage ist nur: Was bekommen wir dafür, oder was kosten uns diese 2 Milliarden Euro? Diese 2 Milliarden Euro bringen den Steuerhinterziehern dauerhaft Anonymität und kosten den Staat die Verfolgung von Menschen, die ihr Einkommen ins Ausland verlagert haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Sie bringen Anonymität und verhindern – Herr Noll, Sie haben es gesagt – den Ankauf von Steuer-CDs. Diese CDs, nebenbei gesagt, haben uns 2010 und 2011  300, 350 Millionen Euro Steuereinnahmen gebracht.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Ich glaube, auch das war ein ganz gutes Geschäft.

Dieses Abkommen macht den eigentlichen EU-Standard des automatischen Informationsaustauschs nahezu unmöglich. Es ist ein bilaterales Abkommen der Bundesrepublik mit der Schweiz und wird den EU-Standard, der eigentlich angestrebt war, unmöglich machen.

Ich ziehe einen Strich darunter. Ich finde, so ist das Abkommen immer noch nicht unterschriftsreif. Da ist dringend noch Nachbessern und Nachverhandeln angesagt. Vielleicht kommen wir dann zu ordentlichen Einnahmen für die Staatskassen. Dann können wir es auch unterschreiben. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Vizepräsident Heinrich Heidel:

Schönen Dank, Frau Erfurth.