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03.02.2011

Sigrid Erfurth: Länderfinanzausgleich

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Länderfinanzausgleich die Dritte. In kurzer Folge haben wir das Thema schon wieder in der Aktuellen Stunde. Ich hätte mich gefreut, wir hätten die Haushaltsausschusssitzung in der letzten Woche tatsächlich zu einer fachlichen Debatte genutzt und das, was heute hier fehlt, miteinander diskutieren können. Dann wären wir vielleicht auch ein Stück an dem Punkt vorangekommen, den der Kollege Milde hier thematisiert hat. Herr Milde, Sie haben sehr schön angefangen. Sie haben den Systemwechsel im Länderfinanzausgleich gefordert

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

und haben als Zeugen dafür den ehemaligen Bundespräsidenten benannt. Ich glaube, wir sind uns in der Analyse gar nicht uneinig. Wir sind uns durchaus einig, dass der Länderfinanzausgleich ziemlich undurchdringlich ist, dass er ungerecht ist und dass er die falschen Anreize setzt.

(Zuruf des Abg. Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE))

Genau vor diesem Hintergrund haben wir GRÜNE ein Gutachten in Auftrag gegeben, das klären soll: Wie kann man diese Systemfehler ändern? Wie kann man es künftig besser machen? Das war unser Ansatz. Diese Fragen wollten wir beantworten.

Sie haben genauso wie andere Kollegen thematisiert, dass der Länderfinanzausgleich, in den im Moment nur drei, manchmal vier Länder einzahlen, für die Geberländer eine ziemliche Überbelastung darstellt. Die zahlen 7 Milliarden € in den Länderfinanzausgleich. Für die anderen Nehmerländer ist das zum Teil, wenn man den reinen Länderfinanzausgleich sieht, in ihren Länderhaushalten gar nicht so irre viel. Aber es ist ein Stück, das sie brauchen. Davon profitieren vor allem Stadtstaaten, besonders Berlin. Da muss man sich doch einmal fragen: Wie kann man das ändern? Wir haben versucht, Antworten darauf zu finden, indem wir aus der horizontalen Verteilung herauskommen und in eine vertikale Verteilung gehen, um die unselige Neiddebatte, die auch Willi van Ooyen hier thematisiert hat, endlich zu beenden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Petra Fuhrmann (SPD) und Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Ich frage Sie: Was ist falsch daran, sich zu überlegen, wie man es besser machen kann? Sie sind uns Antworten schuldig geblieben. Sie sagen, wir müssen die Gerechtigkeitsfrage stellen. Aber haben Sie sie beantwortet? Sie haben sie nicht beantwortet.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Sie erklären völlig zu Recht: „Es darf nicht sein, dass Bundesländer erzielte Mehreinnahmen wieder abgeben müssen und sich dadurch im Länderfinanzausgleich nichts ändert.“ Sehr richtig. Da stimme ich Ihnen zu. Aber was ist Ihre Antwort auf dieses Problem? – Nichts. Nichts haben wir dazu gehört. Wir haben auch im Haushaltsausschuss nichts dazu gehört.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist der Punkt, den wir Ihnen ankreiden: dass Sie sich nicht vernünftig mit der Sache auseinandersetzen. Es bringt doch nichts, in jedem Plenum in einer Aktuellen Stunde fünf Minuten lang eine neue populistische Sau durch den Saal zu treiben, in der Sache aber überhaupt nichts zu bewegen. Ich finde, das muss sich ändern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Ministers Michael Boddenberg)

Wir haben einen guten Versuch unternommen. Daran will ich noch einmal erinnern. Wir haben im März des letzten Jahres einen gemeinsamen Antrag mit CDU und FDP beschlossen, in dem wir gesagt haben: Der Länderfinanzausgleich kann so nicht bleiben. Wir wollen, dass ernsthaft verhandelt wird, und wir wollen, damit die Verhandlungen Nachdruck bekommen, als Ultima Ratio die Klage hintendran stellen. – Ich stelle fest: Es ist fast ein Jahr vergangen. Es hat sich in Sachen Verhandlungen nichts Erkennbares getan, überhaupt nichts.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ich kann sagen: „Ich bin es als GRÜNE gewohnt, dass die Regierung nicht das macht, was ich gerne hätte.“ Aber ich würde mir als Regierungsfraktion doch einmal langsam überlegen, wie es sein kann, dass die Landesregierung einen klaren Auftrag, den wir hier gegeben und mit Mehrheit verabschiedet haben, nicht ausgeführt hat. Ernsthafte Verhandlungen haben nicht stattgefunden. Ich finde, das ist der Sache nicht angemessen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Der Finanzminister hat auf unsere Frage im Haushaltsausschuss in der letzten Woche erklärt: „Na ja, wenn man freundlich mit Wattebäuschchen wirft, dann bewegen die sich nicht. Da brauchen wir die Klage.“ Stimmt. Deswegen haben wir es auch so verabschiedet, in genau dieser Hierarchie: „vernünftig verhandeln, und wenn das nichts nützt, klagen“, aber nicht gleich mit der Klage kommen und sagen: „Vogel friss oder stirb“. Ich finde, so kann es nicht sein.

Das haben Sie jetzt vielleicht auch gemerkt. Deshalb hat die FDP ein bisschen was zurückgenommen und sagt heute: „Wir wollen erst einmal verhandeln“, während Sie in den letzten zwei Plenarrunden gesagt haben: „Klagen, klagen, klagen.“ Irgendwie haben Sie vielleicht gemerkt, dass das nicht funktioniert.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

– Herr Kollege Rentsch, Sie werden nach mir reden. Ich bin sehr gespannt, wie Sie sich aus der punktgenauen Teppichlandung herausargumentieren.

(Zuruf des Abg. Leif Blum (FDP))

Es gibt in Hessen eine ziemlich lange Tradition der Regierungsfraktionen und auch des Finanzministers, sich über die Höhe des Länderfinanzausgleichs aufzuregen. Die Argumente sind alle nicht neu. Auch die, die wir heute gehört haben, sind alle nicht neu. Bereits am 21. Mai 2004 – das habe ich auf der Homepage des Finanzministeriums gefunden – hat der damalige Finanzminister Karlheinz Weimar gesagt, ohne den Länderfinanzausgleich wäre Hessen längst schuldenfrei. Diese Argumentation zieht sich bis heute durch.

(Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der CDU)

– Da klatscht die CDU.

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Herr Irmer, Herr Bellino und Herr Milde, dieses einfache Erklärungsmuster reicht aber nicht aus, um den hessischen Landeshaushalt zu retten. Das müssen Sie sich eingestehen. Das wird nicht in alle Ewigkeiten reichen, um die Verschuldung in Hessen zu rechtfertigen.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Nicht der Länderfinanzausgleich ist schuld am strukturellen Defizit in Hessen, sondern ganz allein die Hessische Landesregierung mit ihrer Haushaltspolitik.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Meine Damen und Herren von der CDU und meine Herren von der FDP, es wird als Konsolidierungsbeitrag nicht ausreichen, dass Sie sagen: Wir erheben jetzt Klage gegen den Länderfinanzausgleich. Da müssen Sie sich schon ein bisschen mehr anstrengen. Es wird nicht reichen, zu sagen: Wir erheben Klage, und dann halten wir irgendwann die Schuldenbremse ein. – So einfach kommen Sie nicht davon. Sie können nicht erwarten, dass das Bundesverfassungsgericht Sie aus der Schuldenfalle herauspaukt und dafür sorgt, dass Sie keine Anstrengungen mehr zur Haushaltskonsolidierung unternehmen müssen.

Es ist unbestritten – ich habe es gesagt –: Es gibt Fehlentwicklungen beim Länderfinanzausgleich. Die müssen wir angehen. Dafür müssen wir gemeinsam streiten. Es ist auch richtig und wichtig, dass sich am Ende die Reihenfolge bei der Finanzkraft nicht verkehrt.

(Zuruf des Abg. Leif Blum (FDP))

Aber allein damit werden Sie die hessischen Haushaltsprobleme nicht lösen. Es wäre leichtfertig von Ihnen, darauf zu setzen, dass man Haushaltskonsolidierung mit einem Richterspruch des Bundesverfassungsgerichts löst. Sie kennen den alten Spruch: Auf hoher See und vor Gericht ist man in Gottes Hand. – Da ist es völlig ungewiss, ob und in welcher Höhe sich ein nennenswerter Konsolidierungsbeitrag durch den Länderfinanzausgleich ergibt.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Herr Rentsch, wir bleiben dabei, da sind wir uns einig, die Klageandrohung ist richtig und wichtig.

(Beifall bei dem BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Die CDU redet von Gerechtigkeit. Das einzige, das Sie uns immer gesagt haben, war: Es ist nicht gut, wenn sich andere mit unserem Geld mehr leisten als wir. – Wir haben im Haushaltsausschuss den Finanzminister gefragt, wie hoch er die Chancen einschätze, die 13 Nehmerländer dazu zu bringen, ihren Haushalt so aufzustellen, wie Hessen es gerne hätte.

Vizepräsident Frank Lortz:

Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.

Sigrid Erfurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident, schönen Dank, ich bin beim letzten Gedanken für diesen Beitrag.

(Leif Blum (FDP): Das ist immer noch der erste Gedanke!)

Der Hessische Finanzminister hat uns auf unsere Frage, ob wir die Nehmerländer in ihrer Haushaltspolitik beeinflussen könnten, geantwortet, dass könne nicht gehen. Ich finde, er hat Recht, das sehen wir genauso. Damit hat er genau das klar gemacht, was die CDU immer versucht, dass nämlich die Parole: Andere leisten sich mit unserem Geld zu viel, in den Bereich der Stammtische gehöre und nicht in eine sachliche Debatte. Kehren Sie zurück zur sachlichen Debatte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Frank Lortz:

Vielen Dank, Frau Kollegin Erfurth.