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24.06.2010

Sigrid Erfurth: Hessens Landesregierung ruiniert die kommunalen Finanzen

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! „Hessens Landesregierung ruiniert die kommunalen Finanzen.“ So haben die Kollegen von der SPD die Aktuelle Stunde genannt. Ich würde das Ganze in einen größeren Zusammenhang stellen und würde sagen: Die Landesregierung ruiniert den hessischen Landeshaushalt und die Kommunalfinanzen gleich mit.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Denn bei dem Blick auf das finanzpolitische Verhalten der Landesregierung dürfen wir nicht vergessen, dass es gerade die schwarz-gelbe Koalition ist, die mit unsinnigen Steuergeschenken bestimmte Lobbygruppen bedient hat.

(Zuruf des Abg. Fritz-Wilhelm Krüger (FDP))

Das berühmt-berüchtigte Wachstumsbeschleunigungsgesetz mit Geschenken an das Hotelgewerbe entzieht dem Landeshaushalt 250 Millionen €, den Kommunen 150 Millionen Euro, und weitere 50 Millionen Euro werden in der Folge im Kommunalen Finanzausgleich fehlen. Herr Kollege Blum, das ist so. Da hilft es auch nichts, wenn Sie nachher darauf hinweisen, das Sonderinvestitionsprogramm habe die Kommunen doch gerettet. Sie müssen es ja auch mit den entsprechenden Leistungen im KFA bezahlen.

(Beifall dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Leif Blum (FDP): Bleiben wir bei der Wahrheit!)

– Aber die Last ist ungerecht verteilt. Sie haben sehr spät noch die Kurve bekommen, es noch ein bisschen auszutarieren.

(Zuruf des Abg. Leif Blum (FDP))

Herr Kollege Blum, dieser Hinweis rettet Sie nicht. Denn die Regierungskoalitionen in Hessen haben an der zu kurzen Finanzdecke auch noch herumgeschnippelt. Wir haben eine kurze Finanzdecke in Hessen; das ist unbestritten. Wir haben es noch nie geschafft, den hessischen Landeshaushalt auszugleichen. Sie haben wider besseres Wissen an dieser kurzen Finanzdecke noch herumgeschnippelt. Sie haben dafür gesorgt, dass die Steuereinnahmen nicht steigen, sondern dass ganz im Gegenteil die Steuereinnahmen sinken. Ich finde, dieses Verhalten muss ein Ende haben.

Ich frage mich: In welchem Land leben wir eigentlich, wenn jetzt angekündigt wird, auf Bundesebene ist die Verschuldung nur 60 Milliarden Euro statt 80 Milliarden Euro – nur 60 statt 80 Milliarden Euro. Das ist doch verrückt.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Norbert Schmitt (SPD): Nur! – Günter Rudolph (SPD): Das soll schon ein Erfolg sein!)

Sofort fangen die Gesänge an: „Wir müssen die Steuern senken.“ Sofort wird wieder das Steuersenkungsmantra aufgesagt. Ich finde, da müssen Sie an sich arbeiten. Da müssen Sie endlich einmal einen Schlussstrich ziehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Wir GRÜNE haben immer wieder deutlich gemacht, dass wir den Griff in die Kassen der Kommunen für unsystematisch und nicht zielführend halten. Ich will in diesem Punkt gar nicht das allgemeine Wehklagen aufmachen. Das kennen Sie alle. Fast alle tragen Sie in den Kommunen Verantwortung. Ich kenne sehr wohl die Resolutionen quer durch alle Parteien, die in allen Kommunen beschlossen worden sind, mit allen Mehrheiten, die man sich denken kann. Das Problem sollte Ihnen bewusst sein. Ich finde, Sie sollten auch an Lösungen arbeiten. Ich für meinen Teil bin zumindest an Lösungen interessiert. Wir sollten die Schieflagen, die identifiziert sind, aufgreifen und aufarbeiten.

Was die Kommunen brauchen, ist die schon ganz, ganz lange angekündigte Reform des Kommunalen Finanzausgleichs.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Der Finanzminister hat 2006 auf dem Hessentag in Hessisch-Lichtenau den Kommunalen Spitzenverbänden fünf Problembereiche im Kommunalen Finanzausgleich vorgestellt und Änderungsmöglichkeiten ins Gespräch gebracht, über die man sehr wohl reden kann. Seitdem, vier Jahre sind vergangen, ist nichts passiert. Es gibt nur Gespräche, und man kann den Eindruck gewinnen: Es soll auch eigentlich gar nichts passieren.

Also ich vernehme nicht, dass sich da etwas in die richtige Richtung bewegt. Wenn ich mir dann noch überlege, dass diese fünf Problembereiche, die der Finanzminister da aufgetan hat, eigentlich gar nichts mit dem zu tun haben, über das wir uns heute streiten – jetzt geht es nämlich darum, dass die relative Stärke der Kommunen bei der Gewerbesteuer dazu führt, dass das Land ziemlich hohe Ausgaben im Länderfinanzausgleich erbringen muss; dieses Problem ist noch gar nicht angesprochen worden – frage ich mich: Da Sie für identifizierte Probleme innerhalb von vier Jahren keine Lösung zustande bringen, wie lange wollen Sie dann brauchen, um diese Lösung zustande zu kriegen?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist dringend nötig, dass wir nach Lösungen für diesen Problemkreis – ich will ihn einmal adäquate Berücksichtigung der Finanzkraft der Kommunen nennen – suchen. Daher hilft es uns nicht weiter, wenn der Finanzminister erklärt, bei der Neuregelung des Kommunalen Finanzausgleichs wolle man aber am Verteilungsmechanismus überhaupt nichts ändern; und die Steuerverbundmasse verbleibe bei 23 Prozent, so wie es immer war, er dann aber in die Verbundmasse eingreift und sie dann trotzdem kürzt. Das ist doch eine Kürzung durch die Hintertür und durch die Kalte Küche.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das hat nichts mit Verlässlichkeit und Ehrlichkeit zu tun. Ich finde, an dem Punkt müssen wir noch ein bisschen nachsteuern, und dann wird auch das Land möglicherweise irgendwann wieder ein verlässlicher Partner der Kommunen werden. Im Moment sehe ich das nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Vizepräsident Frank Lortz:

Vielen Dank, Frau Kollegin Erfurth.