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15.09.2011

Sigrid Erfurth: Hessen muss Steuerabkommen mit der Schweiz ablehnen

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Caspar und Herr Noll, ja, Sie haben recht: Dieses Steuerabkommen mit der Schweiz hat ein Ziel erreicht. Es schützt den Vermögensparkraum Schweiz auf lange Zeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Es wird dazu führen, dass Abgleiche in Steuerakten, wem Vermögen zuzurechnen sind, nicht mehr möglich sind. Genau das ist der Punkt, an dem das Steuerabkommen mit der Schweiz einen großen Schwachpunkt aufweist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Denken Sie doch noch einmal an das letzte Jahr. Da hat die Diskussion über die CDs aus der Schweiz dazu geführt, dass wir bis zum Jahresende dreieinhalbtausend Selbstanzeigen hatten. Im nächsten Jahr wurden das noch mehr. Bis zum Jahresende waren es rund dreieinhalbtausend. Wir hatten festgesetzte Mehrsteuern von über 350 Millionen Euro. Wenn Sie das einmal ausrechnen, dann sind das pro Fall rund 90 000 Euro an Steuernachzahlungen. Das sind 90 000 Euro Steuernachzahlungen pro Fall. Jetzt mag jeder einmal überlegen, was er so an Steuern zahlt und was eine Nachzahlung von 90 000 Euro bedeutet. Das ist nur der Betrag für Zinserträge. Welche Vermögen müssen da liegen, um solche Zinserträge auszulösen?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Jetzt hat die Bundesregierung mit der Schweiz verhandelt und will versuchen, über die Abgeltungssteuer zumindest einen Teil der Steuern an den deutschen Fiskus abzuführen. So weit so gut. Das finde ich auch ein richtiges Vorhaben. Aber ich muss sagen: Die Schweizer haben gut verhandelt. Sie haben nämlich das geschützt, was sie immer als den Kern ihres Bankenwesens betrachten, dass es nämlich geheim bleiben muss, wem das Geld gehört. Ich muss sagen: Dass das erhalten blieb, finde ich in Anbetracht der großen Vermögen, die dort von deutschen Steuerhinterziehern lagern, nicht sachgerecht. Ich finde, da hätte sich mehr Engagement gelohnt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Da waren andere Staaten erfolgreicher.

(Ausfall der Tonanlage)

Vizepräsident Lothar Quanz:

Also, hier leuchtet alles richtig.

Sigrid Erfurth:

– Ja, aber ich glaube, ich werde nicht verstanden. Ist es jetzt wieder besser? – Gut.

(Zuruf von der FDP)

Da waren andere Staaten erfolgreicher.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

– Vielleicht sollten Sie sich einmal ein paar Wahrheiten anhören, Herr Rentsch.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit den USA gibt es ein Abkommen über den Kontenabgleich. Wohlgemerkt mit den USA haben die Schweizer ein Abkommen getroffen, dass Kontendaten von Kunden abgeglichen werden können. Warum geht das nicht mit der Bundesrepublik Deutschland?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Machen Sie sich doch bitte einmal klar, dass dieses Abkommen auch dem widerstrebt, was in der Europäischen Union erreicht werden soll. Da soll es einen automatisierten Informationsaustausch geben. Den wird es mit diesem Abkommen nicht geben. Das ist sehr kontraproduktiv, wenn wir mit der Schweiz hier einen Sonderweg gehen. Staaten, mit denen wir auch schon auf dem Weg waren, diesen automatisierten Informationsaustausch hinzubekommen, wie Österreich und Lichtenstein, halten sich jetzt sehr zurück. Ist es das wert, frage ich Sie. Ist es das wert, diesen Sonderweg zu gehen, um weiterhin Vermögen in der Schweiz zu schützen?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich finde, da muss nachverhandelt werden. Ich appelliere an die Landesregierung, hier doch dafür zu sorgen, dass Einkommen von Vermögenden, nämlich Einkommen aus Kapitaleinkünften, genauso behandelt werden wie die Einkommen der Krankenschwester und des Facharbeiters.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deren Einkommen ist nämlich mit Quelle und Herkunft aus jeder Steuerakte nachzuvollziehen. Aber bei dem vermögenden Menschen, der möglicherweise unter Aufbietung krimineller Energie sein Vermögen in die Schweiz transferiert hat, soll das nicht zusammenfügbar sein. Ich bitte Sie: denken Sie doch einmal darüber nach, ob das der richtige Weg ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Der Kollege Weiß hat darauf hingewiesen: Mit dieser Regelung soll auch erkauft werden, dass es künftig keinen Ankauf von Steuerdaten-CDs mehr geben soll. Diese Welle, die wir im letzten Jahr bei den Selbstanzeigen hatten, wird es dann nicht mehr geben. Auch da waren die Schweizer sehr, sehr erfolgreich.

Es wird Steuerfahndern und Betriebsprüfern eine wirksame Waffe aus der Hand geschlagen. Sie können nämlich nicht mehr gucken, wo Vermögen sind. Dann haben Sie hier ganz bewusst blinde Flecken, die Sie nicht mehr zusammenfügen können. Sie können das Vermögenspuzzle in einer Steuerakte nicht mehr zusammenfügen. Da erzeugen Sie, wie gesagt, blinde Flecken, und Sie sorgen dafür, dass es nicht mehr möglich ist, Vermögensdaten zusammenzuführen. Ich denke, dass das durchaus System hat und auch so bleiben soll. Sozusagen als Placebo wurde in das Abkommen hineinverhandelt, dass man in begründeten Fällen auch einmal nachforschen darf. Herr Kollege Weiß hat darauf hingewiesen, dass in zwei Jahren höchstens 999 Auskunftsersuchen erstellt werden dürfen. Ja, wo leben wir denn?

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich hoffe sehr, dass der Finanzminister sich für Hessen für aufkommenssteuerstarke Ämter ein paar Anfragen reserviert, damit wir da auch vernünftig nachfragen können. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Lothar Quanz:

Danke, Frau Erfurth.