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06.09.2012

Sigrid Erfurth: Für mehr Stabilität in Europa – Europa braucht Haushaltskonsolidierung statt Schuldenunion

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Aktuelle Stunde ist eigentlich nicht der geeignete Ort, um sich mit den ernsthaften Problemen der Eurozone zu beschäftigen, vor allem wenn man bedenkt, welche Äußerungen es im Vorfeld auf diese Aktuelle Stunde gegeben hat. Da konnten wir hören und lesen, dass der Europaminister

(Zuruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

dieses Landes sich hinter die Äußerungen von Herrn Dobrindt gestellt hat, der den EZB-Präsidenten Draghi einen Falschmünzer nannte. Ich finde es auch sehr bedauerlich, dass Sie die Parallele von Italien zu Herrn Draghi gezogen haben. Ich glaube, das wird dem Amt des EZB-Präsidenten überhaupt nicht gerecht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der Europaminister dieses Landes, der gleichzeitig Justizminister ist, war sich nicht zu schade, diese Äußerungen von Herrn Dobrindt zu unterstützen und die Bundeskanzlerin aufzufordern, gegen die EZB zu klagen – dieser Europaminister, der sich gleichzeitig rühmt, Eurobonds verhindert zu haben. Da kann man wirklich nur ganz fassungslos den Kopf schütteln.

(Zuruf des Abg. Alexander Noll (FDP))

– Jetzt höre ich auch noch von der FDP: „Das ist richtig!“ Herr Kollege Noll, ich finde, das ist eine sehr seltsame Argumentation.

Wir haben in der Eurozone einen Konstruktionsfehler, der in der Debatte immer wieder einmal eine Rolle spielt. Wir haben zwar den Euro eingeführt, aber wir haben es nicht geschafft, die Wirtschafts- und Fiskalpolitik in der Eurozone so zu harmonisieren, dass wir den Euro auf verlässliche Grundlagen stellen. Daran müssen wir immerzu schrauben. Eine verlässliche Grundlage wäre unter anderem gewesen, Eurobonds mit klaren, verlässlichen Regeln einzuführen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE) – Zurufe von der FDP)

– Herr Noll, hören Sie auf den zweiten Satz.

Hören Sie auf den zweiten Satz: Mit klaren, verlässlichen Regeln, die die Länder, welche diese Bonds in Anspruch nehmen, zu klaren und verlässlichen Regeln in ihrer Haushalts- und Fiskalpolitik bringen. Nur dann kann es funktionieren, da gebe ich Ihnen recht.

Es ist auch versäumt worden, einen Schuldentilgungsfonds einzuführen, damit die Länder mit großen haushaltstechnischen Problemen überhaupt Licht am Ende des Tunnels sehen können.

(Zuruf von der FDP)

Auch das wurde verwehrt – unter anderem von der schwarz-gelben Bundesregierung und mit Ihnen ganz vorne an der Spitze.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es kann doch nicht sein, dass eine Regierung, die sozusagen einer Feuerwehr das modernste Löschfahrzeug abspricht, sich dann beschwert, wenn die Feuerwehrleute mit dem vorhandenen Material ein Feuer zu löschen versuchen. Gerade das versuchen Sie nämlich im Moment.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Sie haben ihnen die wirksamen Instrumente versagt. Und jetzt scheint es so zu sein, dass die EZB die einzige Institution ist, die überhaupt noch krisenreduzierend eingreifen kann; der Kollege Schäfer-Gümbel hat darauf hingewiesen. Dann dürfen Sie doch nicht so tun, als sei dieser Mechanismus des Teufels. Es ist doch das Einzige, was im Augenblick funktioniert.

Sie müssen sich doch eingestehen, dass Krisenländer wie Italien oder Spanien überhaupt nicht gegen die Krise ansparen können. Das ist im Moment de facto nicht möglich. Wenn sich ein Land zu Zinsleistungen von 6 Prozent oder 7 Prozent refinanzieren muss – dagegen kann eine Volkswirtschaft nicht ansparen. Sie behaupten doch immer, Sie wüssten, wie Wirtschaft funktioniert. Wenn Sie das aber verneinen und negieren, dann haben Sie es an diesem Punkt wohl nicht verstanden, Herr Noll.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Sie haben ja öfter Probleme bei der Wahrnehmung der Realitäten,

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der FDP)

aber es wäre schön, wenn Sie das an dem Punkt einmal ausschalten würden.

Ich hätte nie geglaubt, von diesem Pult aus einmal den ehemaligen Bundesvorsitzenden der FDP zitieren zu müssen. Aber es wäre sehr sinnvoll, wenn Sie sich vielleicht einmal an seine Worte erinnern würden. Es gab einmal ein sehr lesenswertes Interview in der Frankfurter Rundschau.

Vizepräsident Lothar Quanz: 

Das muss jetzt aber eine knappe Fassung werden, Frau Erfurth.

(Heiterkeit)

Sigrid Erfurth: 

Das wird eine sehr knappe Fassung, Herr Präsident. – Sie kennen den Namen sehr wohl, aber vielleicht mögen Sie sich nicht so gern daran erinnern: Guido Westerwelle hat gesagt, es sei sehr von Schaden, wenn solche Äußerungen, die parteitaktisch motiviert seien, hier getätigt würden. Das schade dem Ansehen Europas und unserem Ansehen in der Welt. – Das sollten Sie von der FDP sich vielleicht einmal hinter die Ohren schreiben: nicht aus parteitaktischen Erwägungen unserem und dem Ansehen Europas in der Welt zu schaden. Dann wären wir wahrscheinlich einen Schritt weiter. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNSI 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Vizepräsident Lothar Quanz: 

Danke, Frau Erfurth.

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