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28.03.2012

Sigrid Erfurth: Besteuerung muss sich wieder an Leistungsfähigkeit orientieren

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich eine kurze Bestandsaufnahme machen. Die Schulden in Hessen sind so hoch wie nie. Der Haushaltsausgleich ist seit Jahren nicht gelungen. Die Einnahmen reichen nicht, die Ausgaben zu decken. Die Landesregierung setzt bei Einsparungen und Effizienzsteigerungen die falschen Schwerpunkte.

Auch anziehende Konjunktur und wieder steigende Steuereinnahmen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die öffentlichen Haushalte in der Bundesrepublik Deutschland unterfinanziert sind. Mit Sparen allein sind die Staatsfinanzen auf Dauer eben nicht in den Griff zu bekommen – weder auf der Bundesebene noch auf der Landesebene und auch nicht in den kommunalen Haushalten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Marius Weiß (SPD))

Die beste Verteilungsarithmetik hilft überhaupt nichts, wenn die Decke, an der alle ziehen, viel zu kurz ist.

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Es wird niemandem richtig langen. Es gibt immer welche, die richtig frieren. Deshalb ist es höchste Zeit, dafür zu sorgen, dass die Decke wieder größer wird, sprich: dass die Steuereinnahmen wieder steigen.

(Zuruf des Abg. Peter Seyffardt (CDU))

– Das machen Sie jedes Jahr, das stimmt. Die Inflation hilft dabei. Dadurch steigen sie auch ein bisschen. Herr Seyffardt, aber wenn Sie ein bisschen aufgepasst haben, dann haben Sie vielleicht auch gemerkt, dass ich auch gesagt habe, dass alleine die ansteigenden Steuereinnahmen nicht ausreichen, um die Defizite zu decken. Das sehen Sie auch beim Blick in den hessischen Landeshaushalt: Die Einnahmen steigen zwar, aber sie reichen bei Weitem nicht aus, um die Defizite zu decken. Man muss sich mehr einfallen lassen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist nicht die Zeit für Steuergeschenke. Und nötig erachtete Korrekturen im Bereich der Einkommensteuer dürfen nicht zu weiteren Steuerausfällen führen. Wir erleben gerade auf Bundesebene, dass der Abbau der sogenannten kalten Progression durchgeführt werden soll. Ich sage deutlich in Richtung der Regierungsfraktionen: Diese Beschlüsse sollten so nicht Wirklichkeit werden, denn sie führen dazu, dass weitere Steuerausfälle zu verzeichnen sind.

Unser Ansatz ist klar. Wir wollen die Besteuerung an der Leistungsfähigkeit der Bürgerinnen und Bürger orientieren. Es gilt für uns der altbewährte Satz: Starke Schultern müssen mehr als schwache tragen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Marius Weiß (SPD) und Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Es ist leider traurige Realität, wie sie Willi van Ooyen beschrieben hat, die Schere zwischen Arm und Reich geht in der Bundesrepublik immer weiter auseinander. Das derzeitige Steuerrecht begünstigt diese Entwicklung. Es ist daher das Gebot der Stunde, den Spitzensteuersatz deutlich anzuheben.

Wir fordern die Landesregierung auf, in diesem Sinn in Berlin tätig zu werden. Die dabei erzielten Mehreinnahmen kann man teilweise zur Gegenfinanzierung bei der Anhebung des Grundfreibetrages nutzen, damit auch die Menschen am unteren Ende der Einkommensskala etwas davon haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eine isolierte Anhebung des Grundfreibetrages und eine Verschiebung des Einkommensteuertarifs, wie es die Bundesregierung derzeit plant, nützt wieder denen, die viel haben, besonders viel und wird daher von uns GRÜNEN nicht unterstützt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eine besondere finanzpolitische Schieflage ergibt sich, wenn man die Besteuerung des Vermögens betrachtet. Darum haben wir diesen Teil, der im Antrag der LINKEN gar nicht betrachtet ist, in unseren Antrag aufgenommen. Ich habe schon mehrfach hier vorgetragen, das deutsche Besteuerungssystem begünstigt im Vergleich zu anderen OSZE-Staaten vermögende Menschen ganz besonders. Wir sind am unteren Ende der Skala. Bei den vermögensbezogenen Steuern haben wir noch viel Nachholbedarf.

In Anbetracht der großen Aufgaben, die vor uns liegen, müssen größere Vermögen stärker zur Besteuerung herangezogen werden. Der einfachste und effektivste Weg ist die Anhebung der Erbschaftsteuer.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Ist die Landesregierung nicht in der Lage zuzuhören? – Allgemeine Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Die Erbschaftsteuer ist ohnehin gerade in der Kritik. – Die Regierung macht, was sie immer macht, nämlich vor sich hinreden und nicht zuhören.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Vizepräsident Lothar Quanz:

Darf ich Sie auf der Regierungsbank darum bitten, wenn Sie Gespräche führen wollen, bitte rauszugehen; für den Moment ist das sicherlich dann angesagt.

(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist eine Missachtung des Parlaments!)

Sigrid Erfurth:

Der wissenschaftliche Beirat des Finanzministers hat auch erkannt, dass – so steht es in der Zeitung – Schluss mit billigen Erbschaften sein und dringend etwas an der Erbschaftsteuer getan werden muss, um zu weiteren Einnahmen im Bereich der Steuer zu kommen und etwas für die Gerechtigkeit zu tun.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Steuern sind kein Selbstzweck. Sie dienen der Finanzierung der öffentlichen Aufgaben. In diesem Sinn gilt die Verpflichtung, für die nötigen Einnahmen nach dem Leistungsprinzip zu sorgen. Ich bitte die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen, in diesem Sinne tätig zu werden und nicht weiter an der Einnahmebasis des Staates herumzuschrauben. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Marius Weiß (SPD) und Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Vizepräsident Lothar Quanz:

Danke, Frau Erfurth.