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01.04.2014

Regierungserklärung der Hessischen Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz – „Hessische Landwirtschaft in die Zukunft führen – leistungsstark, vielfältig, nachhaltig“

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! „Die europäische Agrarpolitik betrifft uns alle.“ Mit diesem Satz hat das Mitglied der Europäischen Kommission Dacian Ciolos am 12. April 2010 eine öffentliche Diskussion über die Zukunft der europäischen Landwirtschaft und die langfristige Ausrichtung der Gemeinsamen Agrarpolitik bis zum Jahr 2020 eröffnet.

Ein zentrales Anliegen der GAP-Reform besteht darin, die landwirtschaftlichen Direktzahlungen an Gemeinwohlleistungen zu binden. Das ist gelungen, wenn auch mit etwas schwächeren Standards als erhofft. Letztlich ist aber eine wichtige Voraussetzung erfüllt worden: Es sind Direktzahlungen für weitere sieben Jahre in einem vertretbaren Konsens gesichert worden. Allein für Hessen sind das jährlich 200 Millionen € für die sogenannte erste Säule. Unsere Aufgabe wird es sein, diese Mittel optimal einzusetzen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Die vereinbarte Ausgestaltung der GAP auf Bundesebene und unsere landespolitischen Ziele ergänzen sich. So stärken wir in Deutschland bereits in diesem Jahr mit der Umverteilungsprämie unsere kleinen und mittleren Betriebe. Gerade diese Betriebsformen, die ja häufig im Nebenerwerb geführt werden, tragen wesentlich zu einer flächendeckenden und vielfältigen Landwirtschaft in Hessen bei. Die zusätzliche Zahlung für Junglandwirte ab dem nächsten Jahr erleichtert den Einstieg in die Landwirtschaft und die Hofnachfolge. Angesichts der Alterspyramide ist das besonders wichtig.

Ich will aber auch nicht verschweigen, dass mir die neuen Elemente für eine umweltgerechtere Bewirtschaftung, das sogenannte Greening, viel zu bürokratisch und zu weit entfernt von dem ursprünglichen Anliegen sind. Bei den Verhandlungen wurden die Standards deutlich entschärft.

Ich sehe hierzu im Rahmen der nationalen Rechtsetzung in den nächsten Wochen noch erheblichen Diskussions- und Abstimmungsbedarf. Dies wird auch ein Thema bei der übermorgen in Cottbus beginnenden Agrarministerkonferenz sein. Wir wollen da noch Verbesserungen erreichen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Dennoch können die hessischen Landwirte mit dem Ergebnis zufrieden sein – zumindest was die künftige Verteilung der EU-Fördermittel angeht. Obwohl Deutschland schon in diesem Jahr etwa 10 % weniger Mittel aus dem EU-Agrarhaushalt zu erwarten hat, wird deutlich mehr Geld nach Hessen fließen. Wir rechnen in der neuen EU-Förderperiode 2014 bis 2020 mit einem Plus von 70 Millionen € für die sogenannte zweite Säule. Ausschlaggebend dafür ist ein neuer Verteilungsschlüssel für die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums.

Das ist keine schlechte Ausgangsbasis, wenn wir uns mit den Zukunftsperspektiven der hessischen Landwirtschaft befassen und wenn wir neue Schwerpunkte für eine nachhaltige Landbewirtschaftung setzen wollen.

Aber wie ist es generell um die Zukunftsfähigkeit unserer Familienbetriebe bestellt? Betrachten wir uns dazu exemplarisch doch einmal den für die Einkommen der landwirtschaftlichen Familien wichtigsten Produktionszweig, die Milchviehhaltung. Heute vor genau 30 Jahren ist in Europa die Milchgarantiemengenregelung in Kraft getreten. Es gab damals in Hessen rund 22.000 Milchviehbetriebe mit durchschnittlich zehn Tieren. Heute zählen wir noch rund 3.000 Milchviehhalter mit durchschnittlich 50 Tieren. Betriebe mit mehreren Hundert Kühen sind auch in Hessen keine Seltenheit mehr. Die Milchviehhaltung konzentriert sich inzwischen auf wenige Standorte in Hessen.

Die Konsequenz ist, dass auf der einen Seite produktionsintensive Regionen zunehmend unter Druck geraten, weil das Land knapp wird und die Pachtpreise steigen. Die Beschaffung der Futtergrundlage und die umweltgerechte Verwertung der Wirtschaftsdünger werden immer schwieriger. Mit einer Erhöhung der Flächenintensität schwindet die Artenvielfalt auf den Äckern und Wiesen, und Nitratüberschüsse belasten die Gewässer. Gleichzeitig liegen in anderen Regionen Hessens Flächen brach und werden nicht mehr gepflegt. So verändert sich unsere Kulturlandschaft.

Dieses Ungleichgewicht kann sich ab dem nächsten Jahr sogar noch verstärken, wenn in einem Jahr, am 1. April 2015, die Milchquotenregelung europaweit ausläuft und die Erzeugungsmengen freigegeben werden. Große exportorientierte Molkereiunternehmen sind auf Wachstum eingestellt. Auch viele Milchviehhalter wollen expandieren. Der Preisdruck durch große Abnehmer im Einzelhandel, den ich skandalös finde, tut sein Übriges.

Dabei müssen wir aber an die letzte Krise denken, die ein paar Jahre zurückliegt und aus der wir gelernt haben sollten. Nach einer Phase mit hohen Erzeugerpreisen in ganz Europa kam es im Herbst 2008 plötzlich zu einem dramatischen Einbruch der Exportmärkte. Die Milchpreise sind auf ein historisches Nachkriegstief gefallen. Milchlieferanten kleiner lokaler Molkereien und Ökomilcherzeuger waren zwar weniger stark betroffen, weil ihre Milch nicht für den Export, sondern für den regionalen Markt bestimmt war, aber zahlreiche andere Betriebe gerieten binnen kurzer Zeit in akute Existenzgefährdung. Deshalb sollten wir die Zukunft der hessischen Landwirtschaft nicht an den extremen Schwankungen der Weltagrarmärkte und den kurzfristigen Gewinnerwartungen der Spekulanten festmachen. Es ist falsch, politisch auf eine Exportstrategie zu setzen. Wir müssen hier einen anderen Weg gehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU und der LINKEN)

Eine ungehemmte Wachstumsspirale birgt erhebliche Risiken, nicht nur für die landwirtschaftlichen Betriebe, sondern auch für eine umweltschonende, flächendeckende Landbewirtschaftung in Hessen, Risiken aber auch für die Natur, für die Gewässer, für den Boden – und damit für die Akzeptanz der Landwirtschaft in der Gesellschaft. Das müssen wir vermeiden. Selbstverständlich bleibt es der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit jedes einzelnen Landwirts vorbehalten, wie weit er seinen Betrieb ausdehnen will; aber ich möchte die Bäuerinnen und Bauern in Hessen ausdrücklich dazu ermutigen, einen anderen Weg zu gehen. Wir werden unsere Förderung auch danach ausrichten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Die Landesregierung möchte erreichen, dass die hessische Landwirtschaft die ökologischen und sozialen Anforderungen der Zukunft erfüllen kann. Klimawandel, Erhalt der biologischen Vielfalt und die nachhaltige Sicherung des Boden- und Wasserhaushalts sind dabei die zentralen Punkte. Wir wollen deshalb in Hessen die familiengeprägte, bäuerliche Landwirtschaft stärken. Unterschiedliche Bewirtschaftungsformen, also die ökologische und die konventionelle Landwirtschaft, dürfen dabei nicht gegeneinander ausgespielt werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Wir wollen eine Politik für und mit allen Bäuerinnen und Bauern machen. Ich setze hierbei auf Dialog. Das habe ich den Bäuerinnen und Bauern und auch den Verbänden auf verschiedenen Veranstaltungen schon gesagt. Wir werden deshalb den „Zukunftspakt hessische Landwirtschaft“ inhaltlich fortschreiben und weitere Verbände mit einbinden. Die Vorarbeiten sind bereits gelaufen, und wir werden die Verbände demnächst bitten, ihre Stellungnahmen dazu abzugeben. Ich glaube, das ist ein wichtiger Punkt des Koalitionsvertrags, den wir damit umsetzen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Eines unserer wichtigsten agrarpolitischen Gestaltungsinstrumente auf der Landesebene ist der Entwicklungsplan für den ländlichen Raum, der aktuell neu aufgestellt wird. Der finanzielle Rahmen wird durch den schon erwähnten, für Hessen günstigeren Verteilungsschlüssel sowie durch eine Umschichtung von Geldern aus dem Bereich der Direktzahlungen deutlich aufgestockt.

Wir werden den größten Teil der Gelder dazu nutzen, ein neues, stärkeres Agrarumwelt- und Landschaftspflegeprogramm zu finanzieren. Wir wollen damit bessere Akzente setzen für die Erhaltung und Wiederherstellung vielfältiger, strukturreicher Ackerflächen, für den Schutz selten gewordener Wildpflanzen und Wildtiere – damit meine ich nicht die Giraffen in der Rhön –

(Heiterkeit)

und für den besseren Schutz der Wild- und Honigbienen. Wir werden mit zusätzlichen und attraktiveren Förderangeboten neue Schwerpunkte setzen, um das Grundwasser, die Oberflächengewässer und den Boden besser zu schützen – nicht zuletzt auch deswegen, um die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie weiterhin mit dem Ansatz der Freiwilligkeit zu erreichen. Das scheint uns der bessere Weg zu sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Bewirtschaftungsformen mit dem Einsatz von Totalherbiziden werden wir im Rahmen der Agrarumweltförderung künftig nicht mehr unterstützt; denn das entspricht nicht unserem Verständnis von einer besonders umweltgerechten Landwirtschaft.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Die Grünlandgebiete im hessischen Mittelgebirge wollen wir besser schützen. Neben der wirtschaftlich hohen Bedeutung für die Tierhaltung hat Dauergrünland einen besonders hohen ökologischen Wert. In Deutschland kommen auf Grünland mehr als 2.000 Pflanzenarten vor. Das sind 52 Prozent des gesamten Artenbestandes. Ein Großteil dieses hochwertigen Pflanzenbestandes ist bedroht, weil häufig nur noch wenige, ertragsstarke Gräser begünstigt und unrentable Grünlandflächen nicht mehr gepflegt werden. Wir werden deshalb in dem neuen Agrarumwelt- und Landschaftspflegeprogramm die Förderung der naturverträglichen Grünlandbewirtschaftung erweitern und mit attraktiveren Konditionen versehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Wir werden weiterhin die Ausgleichzulage für benachteiligte Gebiete anbieten und somit den Mittelgebirgsregionen auch in Zukunft eine besondere Förderung zum Ausgleich der natürlichen Standortnachteile ermöglichen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

In diesem Zusammenhang möchte ich noch die Schaf- und Ziegenhaltung, aber auch die extensive Rinderhaltung erwähnen. Wir planen hier eine besondere Vergütung der naturschutzfachlichen Landschaftspflegeleistungen.

Die Landesregierung – das ist vorhin in der mündlichen Frage angeklungen – will die Landwirtschaft in Hessen gentechnikfrei erhalten. Um diesen Anspruch zu verdeutlichen, wird Hessen dem „Europäischen Netzwerk gentechnikfreier Regionen“ beitreten. Der Antrag ist gestellt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Darüber hinaus wollen wir uns zur Gentechnikfreiheit auf allen landeseigenen Flächen verpflichten. Wir werden zudem – was in dem Zusammenhang besonders wichtig ist – eine eigene Eiweißstrategie für Hessen erstellen, um Landwirte und Züchter zu unterstützen, die gentechnikfreies Futter erzeugen oder beziehen wollen. Wir wollen nicht, dass unsere Landwirte bei der Erzeugung ihrer Produkte von gentechnisch manipulierten Futtermitteln abhängig sind, die dann in die Nahrungskette gelangen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren Abgeordneten, wenn es um die Zukunftssicherung der hessischen Landwirtschaft, um die Erhaltung eines attraktiven und lebendigen ländlichen Raumes, um den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und um regional erzeugte, gesundheitlich unbedenkliche Lebensmittel geht, braucht es natürlich auch – nicht nur, aber auch – eine bessere Förderung des ökologischen Landbaus.

Hessen zählt mit über 10% der landwirtschaftlichen Fläche schon heute zu den führenden Bundesländern im ökologischen Landbau. Es ist unser Ziel, diesen Anteil nicht nur zu halten, sondern auszubauen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Dabei geht es nicht nur um die besonderen Leistungen der ökologischen Landwirtschaft für Natur und Umwelt, sondern auch um das Angebot von hochwertigen, marktfähigen Bioprodukten für einen Markt, der seit vielen Jahren kontinuierlich hohe Zuwachsraten aufweist. In Hessen ist die Nachfrage auf diesem Markt viel höher als das, was dort produziert wird.

Deswegen wollen wir alle Landwirte ermutigen, umzustellen oder ihren ökologischen Landbau beizubehalten; denn es ist auch für die Klimaschutzbilanz nicht besonders sinnvoll, wenn man ökologisch produzierte Lebensmittel aus Asien oder aus Amerika einfliegt. Besser ist, sie werden hier produziert, sie können hier vermarktet werden, und sie können auch hier verzehrt werden.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sehr verehrte Abgeordnete, wir entwickeln daher einen Ökoaktionsplan, in dem umfassende und sorgfältig aufeinander abgestimmte Projekte und Handlungsansätze gebündelt werden. Auch dies ist Ausfluss der Koalitionsvereinbarung. Ich möchte Ihnen daraus einige Kernpunkte vorstellen. Wir werden die Förderbeträge für die ökologische Bewirtschaftung anheben. Herr Gremmels, Ökoaktionsplan: Hören Sie einmal genau hin, vielleicht erfahren Sie noch etwas Neues.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der ökologische Landbau hat insbesondere durch den Verzicht auf chemisch-synthetische Dünge- und Pflanzenschutzmittel im Durchschnitt geringere Erträge und höhere Aufwendungen als ein konventionell wirtschaftender Betrieb. Allerdings tragen diese Betriebe in ganz besonderer Weise zum Erhalt der Artenvielfalt und zum Klimaschutz bei. Durch eine spezifische Flächenförderung sollen diese Differenz ausgeglichen und der Gemeinwohlbeitrag honoriert werden.

Wir streben deshalb an, die Hektarsätze ab 2015 um mindestens 20 € bei Grünland und um mindestens 50 € bei Ackerland zu erhöhen. Damit wird es möglich sein, einerseits einen soliden Bestand an ökologischer Bewirtschaftung in den Grünlandgebieten zu sichern und andererseits einen deutlichen Impuls in den ackerbaulichen Gunstlagen zu setzen, um die marktorientierte Erzeugung auszuweiten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Wir werden den Fördersatz für ökologische und besonders artgerechte Formen der Tierhaltung in der landwirtschaftlichen Investitionsförderung erhöhen. Die einzelbetriebliche Investitionsförderung werden wir erhalten, auch für die konventionelle Landwirtschaft. Besonders artgerechte Stallbaumaßnahmen, die auch für konventionelle Landwirte offenstehen, sollen aber mit einem um bis zu 20% höheren Fördersatz honoriert und damit bevorzugt gefördert werden können.

Das erspart es den Landwirten, die erst später auf Ökolandbau umstellen, den Stall neu bauen zu müssen; sie haben dann stattdessen die Möglichkeit, mit dem vorhandenen Stall tatsächlich ökologisch zu produzieren. Wir glauben, dass diese öffentlichen Mittel effektiv eingesetzt sind.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Wir werden die Verarbeitung und Vermarktung regionaler ökologischer Erzeugnisse und die verbrauchernahe Versorgung stärken. Neben einer Unterstützung der verschiedenen Formen der landwirtschaftlichen Direktvermarktung ist es wichtig, dass sich die Erzeugerbetriebe noch besser organisieren und z. B. in Form von Erzeugerzusammenschlüssen ihr Angebot stärker bündeln. Das nutzt sowohl den ökologischen Erzeugern als auch den konventionellen, die ausdrücklich eingeladen sind, sich an dieser Direktvermarktungsstrategie zu beteiligen.

Die Verarbeitungs- und Vermarktungsunternehmen und nicht zuletzt die traditionellen Lebensmitteleinzelhändler möchte ich dabei noch sehr viel stärker einbinden. Auch die Anbauverbände des ökologischen Landbaus sollen ihre Kompetenz und ihre Ideen in unser gemeinsames Ziel stärker einbringen, als sie das bisher konnten.

Das Land wird hier eine moderierende und koordinierende Rolle spielen, damit wir tatsächlich zu einer besseren Strategie kommen und zu einem größeren Anteil von Direktvermarktung; denn das bestärkt nicht nur das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher in die Produkte, die sie regional erhalten, sondern es ist auch die Möglichkeit, die Gewinnmargen für die Landwirte zu erhöhen. Damit sichern wir die Existenzgrundlage der hessischen Landwirtschaft besser.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sehr verehrte Abgeordnete, zukunftsfähige Landwirtschaft bedeutet, dass in erster Linie junge Menschen in dem Berufsfeld Landwirtschaft eine Lebensperspektive erkennen und weiterhin bereit sind, hier eine qualifizierte Ausbildung anzustreben, um als Landwirt bzw. als Landwirtin zu arbeiten. Wir werden deshalb auch weiterhin ein attraktives Aus- und Weiterbildungsangebot, vom Lehrberuf über den Fachschul- und Meisterabschluss bis zur Hochschulausbildung, unterstützen. Dabei sollen die zukünftigen Landwirte auch unterschiedliche Erzeugungsarten kennenlernen; denn nur wer unterschiedliche Arten kennt, kann sich am Ende entscheiden, ob er konventionell oder ökologisch produziert.

Wir werden deshalb die Bildungsangebote zur ökologischen Landbewirtschaftung ausbauen. Dazu wird an den vier Fachschulen in Trägerschaft des Landesbetriebs Landwirtschaft ab dem Schuljahr 2014/2015 ein Lernfeld „ökologischer Landbau“ verpflichtend angeboten.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Den Startschuss konnte ich letzte Woche in Alsfeld bei der Verleihung der Zeugnisse für die Oberklasse der sogenannten Winterschule geben. Es waren auch Abgeordnete anwesend, und es war eine schöne Veranstaltung. Ich glaube, die Schule in Alsfeld zeigt, dass ein solches Lernfeld durchaus auch von den jungen Leuten akzeptiert wird. Das macht uns Mut, dies künftig auch in den anderen Schulen anzubieten.

Wir wollen aber auch, dass der ökologische Landbau im gesamten Bundesgebiet angemessen berücksichtigt wird.

Deswegen werden wir bei der Agrarministerkonferenz einen Antrag stellen, in dem wir die Kultusministerkonferenz auffordern, den Rahmenlehrplan entsprechend zu ändern. Ich gehe davon aus, dass unser Kollege Lorz dies in der Kultusministerkonferenz genauso engagiert vertreten wird, wie ich es in der Agrarministerkonferenz getan habe, und dass wir uns dann durchsetzen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir werden die Beratungsangebote für den besonders nachhaltigen und für den ökologischen Landbau verstärken. Die Beratungsteams des Landesbetriebs Landwirtschaft leisten eine hervorragende Arbeit und finden deshalb in der Praxis eine hohe Akzeptanz.

Ich möchte aber auch die zahlreichen, meist ehrenamtlich engagierten Vereine und Verbände, die sich um den Erhalt unserer einzigartigen Natur- und Kulturlandschaft verdient machen, ermutigen, auf die Landwirtschaft zuzugehen und mit ihr noch enger zusammenzuarbeiten. Hierfür werden wir im neuen Agrarumwelt- und Landschaftspflegeprogramm eine finanzielle Unterstützung anbieten.

Auch gibt es spezielle Bildungs- und Beratungsangebote des LLH für Nebenerwerbslandwirte sowie das Beratungsangebot zur Hofübergabe und für Betriebe in der Umstellung auf den ökologischen Landbau. Ich glaube, dass das ein guter Auftakt für eine intensive Beratung ist und dass wir damit zu einem guten Ergebnis für die Landwirte in Hessen kommen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sehr verehrte Abgeordnete, wir wollen aber auch in der Forschung gezielte Anstöße geben, um Innovationen nicht nur für eine ökologische, sondern für eine insgesamt nachhaltige Landwirtschaft voranzubringen. Die Landwirtschaft bewegt sich in einem Spannungsfeld: Auf der einen Seite soll sie weltweit Unterernährung und Hunger bekämpfen und deshalb ihre Produktionsleistung permanent steigern. Auf der anderen Seite trägt aber genau dies zu einer Intensivierung und damit zur Belastung der lebenswichtigen Ökosysteme bei.

Der Ausweg aus diesem Dilemma führt über eine Erhöhung der Produktivität der ökologischen Landwirtschaft einerseits und eine stärkere Ökologisierung der konventionellen Landwirtschaft andererseits. In dieser einfach klingenden Formel stecken aber viele ungelöste Fragen.

Es gibt ein hohes Innovations- und Forschungspotenzial. Ich bin froh, dass wir in Hessen hervorragende Hochschulen in Geisenheim, in Witzenhausen und in Gießen haben, die in diesem Bereich arbeiten können, etwa in der Züchtung, im biologischen Pflanzenschutz oder in der natürlichen Tiermedizin. Ich bin der Meinung, dass wir die Agrarforschung nicht von den internationalen Pflanzenschutz- und Saatgutkonzernen abhängig machen dürfen, sondern dass wir hier durchaus auf die heimischen Hochschulen zurückgreifen können.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nicht zuletzt wollen wir im Rahmen des LEADER-Programms einen Wettbewerb für ökologische Modellregionen in Hessen eröffnen. Kommunen sollen sich bewerben können, um innovative Projekte nach ökologischen Kriterien in der gesamten Wertschöpfungskette voranzutreiben, von der Erzeugung und der Verarbeitung bis zur Gastronomie und zur Vermarktung. Ich freue mich auf den Wettbewerb und die vielen guten Ideen, die die Menschen in Hessens Regionen hoffentlich hervorbringen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete, wir wollen die Landwirtschaft bei der umwelt- und tiergerechten Erzeugung sowie bei der Produktion hochwertiger und gesunder Lebensmittel unterstützen. Ich sage ausdrücklich: Dazu brauchen wir alle Landwirte, egal welcher Produktionsrichtung. Wir brauchen nicht nur die konventionelle, sondern auch die ökologische Landwirtschaft; denn wir sitzen alle in einem Boot. Wir haben unsere Natur nur einmal – unsere biologische Vielfalt, unsere Gewässer und unser Klima –, und deswegen müssen wir sie gemeinsam schützen wollen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Falls es in Hessen Gräben zwischen den Vertretern der unterschiedlichen Anbauformen oder den Verbänden, also zwischen ökologischer und konventioneller Landwirtschaft, geben sollte – was ich kaum glaube –, wird es in den nächsten Jahren eine meiner Aufgaben als hessische Landwirtschaftsministerin sein, diese Gräben zuzuschütten und die Barrieren abzubauen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Ich möchte der bäuerlichen Landwirtschaft in Hessen Bedingungen für eine existenzsichernde und nachhaltige Zukunft schaffen, und ich bitte Sie, mich auf diesem Weg nicht nur zu begleiten, sondern auch nach Kräften zu unterstützen. – Herzlichen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Norbert Kartmann:

Frau Ministerin, vielen Dank für die Regierungserklärung.