Inhalt

25.09.2014

Priska Hinz, Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Woolrec-Skandal

Meine Damen und Herren, liebe Abgeordnete, sehr geehrter Herr Präsident! Wir hatten das Thema in dieser Woche bereits in einer öffentlichen Ausschusssitzung behandelt. Ich bitte schon jetzt um Entschuldigung, dass ich wahrscheinlich länger als fünf Minuten brauchen werde; denn wir haben gut eineinhalb Stunden zu diesem Thema getagt, und es scheint mir, als sollte heute noch einmal einiges in der großen Runde erläutert werden.

Zunächst: Die Firma Woolrec ist aus meiner Sicht tatsächlich ein Unternehmen, das nicht nur gegen einige, sondern gegen viele Auflagen verstoßen hat. Nicht umsonst ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen dieses Unternehmen, auch gegen den Gutachter. Und, liebe Frau Schott, für Ermittlungen ist nicht die Umweltministerin, sondern in einem Rechtsstaat die Staatsanwaltschaft zuständig. Deswegen freue ich mich, dass dort die Ermittlungen im Gange sind, und ich hoffe auch, dass sie zu einem Ziel führen. Das ist das Erste.

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Das Zweite. Die Ermittlungen gegen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des RPs sind – das ist meine Kenntnis bis heute – alle ohne Auflagen eingestellt. Herr Abg. Eckert, dies hat der Regierungspräsident Witteck in der öffentlichen Ausschusssitzung auch so kundgetan.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Wenn Sie eine andere Kenntnis haben, Herr Abg. Eckert, dass dies nicht richtig ist und noch eine Ermittlung läuft, dann frage ich Sie, warum Sie diesen Vorhalt nicht auch in der öffentlichen Ausschusssitzung gegenüber dem Regierungspräsidenten gemacht haben.

Dann hätten wir das sofort, auf der Stelle aufklären können.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD) – Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Ich verstehe nicht, dass Sie damit hinter dem Berg halten. Ich weiß auch nicht, wen Sie damit vorführen wollen. Es wäre schlimm genug, wenn es weiterläuft. Aber wenn es so ist, dann ist es das gute Recht der Staatsanwaltschaft. Dann muss man gelassen abwarten, was solche Ermittlungen ergeben.

Das Nächste. Dass Sie hier sagen, der Regierungspräsident Witteck selbst sei Kern des Problems, finde ich deshalb einigermaßen erstaunlich, weil die Genehmigung der Firma Woolrec im Jahr 2001/2002 gelaufen ist, und der Regierungspräsident Witteck ist seit 2009 im Amt. Also hat er mit der Genehmigung ursprünglich nichts zu tun. Deswegen finde ich diese Aussage, ehrlich gesagt, etwas schwierig.

Noch etwas zum Regierungspräsidium, weil ich glaube, dass das wichtig ist; denn hier waren die Kontrollen angesprochen, dass hier angeblich nicht kontrolliert wurde oder alles vorher der Firma bekannt war.

Es gab nach den Akten sowohl angekündigte Kontrollen als auch unangekündigte Kontrollen. Dies ist üblich bei Firmen: angekündigte und unangekündigte Kontrollen. Der Regierungspräsident Witteck hat, nachdem es Vorwürfe gab, dass der Firma vorher mitgeteilt wird, dass es Besuche und Kontrollen gibt, von allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – auch dies hat er noch einmal in der Ausschusssitzung in dieser Woche vorgetragen – bis hin zu Fahrern eidesstattliche Erklärungen eingeholt, und alle haben in diesen eidesstattlichen Erklärungen mitgeteilt, dass sie keine Daten herausgegeben haben.

Ich glaube, das ist das, was ein Behördenchef machen muss und machen kann. Zu anderen Mitteln kann man nicht greifen, weil das ansonsten bedeuten würde, dass die Mitarbeiter sich wirklich strafrechtlich schuldig gemacht hätten. Aber das ist dann wirklich eine Frage der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu Olfen. Die Landesanstalt für Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen hat zum Freisetzungsverhalten des im Winter/Frühjahr 2012 in Olfen lagernden Woolits das Regierungspräsidium Gießen informiert, das anschließend im März 2012, also sobald es davon Kenntnis hatte, eine Beprobung der Halde und der laufenden Produktion in der Anlage Braunfels-Tiefenbach veranlasst hat. Außerdem wurden die Mengenbilanzen der Firma Woolrec überprüft. Dabei wurde festgestellt, dass die ursprüngliche Rezeptur für die Woolit-Herstellung offensichtlich geändert worden war und damit ein Verstoß gegen die Produktanerkennung und den Bescheid vorlag.

Daraufhin hat das RP Gießen mit Bescheid vom 18. Mai 2012 untersagt, Woolit, das nicht der Spezifikation des Anerkennungsbescheides entsprach, als Produkt an die Ziegelindustrie abzugeben. Also hat das RP direkt auf das reagiert, was in Olfen erkannt wurde. Ich denke, dass man dies anerkennen muss. Im Übrigen wurde der Firma dann auch die Anerkennung entzogen.

Am 26. September 2012 ist dann die Stilllegung der Firma Woolrec angeordnet worden, und am 4. Februar 2013 wurde dann auch der öffentlich-rechtliche Vertrag geschlossen, in dem die Firma Woolrec GmbH mit sofortiger Wirkung auf die Genehmigung zum Betrieb der Behandlungsanlage in Braunfels-Tiefenbach verzichtet hat. Dass sie jetzt trotzdem eine Schadenersatzklage machen, ist das eine. Aber auf jeden Fall ist 2012 behördlicherseits die Genehmigung bereits entzogen worden.

Ich glaube, auch dies ist ein richtiger Schritt bei dem Thema Woolrec und dem, was die Firma sich geleistet hat, weil sie eben nicht so produziert hat, wie das ursprünglich von ihr beantragt war und wie es genehmigt worden war.

Dann möchte ich – auch davon kann ich Sie leider nicht entlasten – zu den Bodenuntersuchungen kommen, denn Sie haben gesagt, es müsse Transparenz in das ganze Thema hinein. Daher will ich Ihnen jetzt die Transparenz geben: Nicht der Regierungspräsident und auch nicht das Regierungspräsidium haben höchstselbst Bodenproben genommen und untersucht, haben auch nicht Gemüseproben genommen und untersucht

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

– das sage ich Ihnen jetzt –, sondern die haben es in Auftrag gegeben, und zwar bei Gutachtern und Instituten, die etwas davon verstehen. Denn ein RP kann das nicht selbst machen.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Weil die Kapazitäten im Land nicht vorhanden sind! Es werden Stellen abgebaut! – Lebhafte Gegenrufe von der CDU – Glockenzeichen des Präsidenten)

Vizepräsident Frank Lortz:

Meine Damen und Herren, das Wort hat die Frau Ministerin.

Priska Hinz:

Ich befürchte, ich muss Ihnen einmal unter vier Augen erklären, wie eine Landesverwaltung aufgebaut ist und dass das Regierungspräsidium kein Labor ist.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe der Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE) – Michael Boddenberg (CDU))

Das RP Gießen hat die Hessische Landesanstalt für Umwelt und Geologie beauftragt, Bodenproben aus dem Umfeld der Firma Woolrec auf Dioxine, Furane, PCB, PAK, PCP, Schwermetalle, Arsen und künstliche Mineralfasern zu untersuchen. Gutachten gab es dann am 06.11.2012 und am 27.03.2013. Beide kommen zu dem Ergebnis, dass die Maßnahmenwerte für Dioxine in der Bundes-Bodenschutzverordnung nicht annähernd erreicht werden.

Künstliche Mineralfasern wurden an zwei von fünf Standorten nachgewiesen. Daraufhin wurde noch ein Gutachten für diese beiden Standorte gemacht, und es wurde festgestellt, dass auf der einen Fläche mit Schlacke durchsetztes Bodenmaterial aufgebracht worden war, das wahrscheinlich die Prüfwertüberschreitung von Nickel verursacht hat. Der Gutachter hat der Stadt Braunfels empfohlen, den Boden auszutauschen. Ob die Stadt das gemacht hat, wissen wir nicht. Auf jeden Fall ist das empfohlen worden, weil das eine Fläche der Stadt ist. Wir gehen davon aus, dass die Stadt Braunfels entsprechend verantwortungsvoll gehandelt und dies getan hat.

Was das Gemüse angeht, hat der Landesbetrieb Landwirtschaft im Auftrag des Regierungspräsidiums Gießen am 28.09.2012 Bodenproben sowie Obst-, Gemüse-, Salat- und Grasproben untersucht, Gutachten vom 01.11.2012, sowie erneut am 03.07. und 23.09.2013 in Abstimmung mit der BI Tiefenbach auf ausgewählten Grundstücken insgesamt 25 Obst- und Gemüseproben genommen. Die Untersuchungsberichte zeigen, dass die Auslösewerte für Dioxine und dioxinähnliche PCB nicht überschritten wurden.

(Vizepräsidentin Heike Habermann übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren, das sind nicht nur die Ergebnisse, sondern diese Ergebnisse sind der Bevölkerung, der BI bekannt. Sie hatten Akteneinsichtsrecht.

Sie haben auch zum Teil die Gutachter ausgesucht. Sie haben selbst Gespräche mit der HLUG führen können. Alles dieses ist der BI bekannt. Ich kann die Sorge und Ängste der BI durchaus nachvollziehen. Aber diese Werte sind so eindeutig, dass wir nicht sagen können: Da besteht Gefahr. – Das wäre fahrlässig. Nach den Werten besteht keine Gefahr für die Bevölkerung, sowohl was die Bodenwerte als auch was der Verzehr von Obst und Gemüse angeht.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein letzter Punkt. Den Herrn Kollegen Lenders sehe ich gerade nicht mehr.

(Zurufe der Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD) und Hans-Jürgen Irmer (CDU))

– Alles klar, das kann auch gefährlich werden.

(Zuruf)

Also ist es Rückendeckung für mich, super. – Ich würde nicht mit der BI sprechen oder man müsste einmal mit der BI sprechen: Ich habe direkt am Tag nach meinem Amtsantritt mit der Bürgerinitiative gesprochen, weil ich gerade im Januar in Braunfels bei einem Neujahrsempfang war, habe mir daraufhin alle Akten angeschaut, die Gutachten angesehen, habe mit der BI Kontakt aufgenommen und mitgeteilt, dass aufgrund der Datenfakten vonseiten der Landesregierung nichts zu besorgen ist.

Dann gab es ein Gespräch, nachdem es in Eiern mutmaßlich erhöhte Dioxinwerte gab. Das Veterinäramt des Lahn-Dill-Kreises hat daraufhin in Absprache mit der Bürgerinitiative, in Absprache mit mir, in Absprache mit dem Regierungspräsidium Proben aus den Eiern entnommen, und es hat sich gezeigt, dass es erhöhte Dioxinwerte in 20 Eiern gibt.

Daraufhin habe ich die Bürgerinitiative ins Ministerium eingeladen und habe ein Gespräch mit ihr geführt. Es ist also nicht so, dass wir nicht mit den Leuten reden – im Gegenteil nehmen wir das Problem ernst. Natürlich rede ich mit Bürgerinitiativen nur, wenn es angenehm ist, sondern auch wenn es unangenehm ist.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der zuständige Dezernent des Lahn-Dill-Kreises war ebenfalls anwesend, weil er für die Beprobung zuständig ist. Er hat dort mitgeteilt, dass es gemeinsam mit der Bürgerinitiative auch freiwillige Bodenbeprobungen geben wird, um dem Dioxinfund auf die Spur zu kommen.

Der Lahn-Dill-Kreis macht das auf freiwilliger Ebene, weil eigentlich die Eigentümer der Eier das selber in Auftrag geben und finanzieren müssten. Aber der Kreis macht es freiwillig. Die Bodenprobe ist genommen. Und wir erwarten im Oktober das Ergebnis.

Ich konnte aber der Bürgerinitiative nicht sagen, dass wir einen Bodenaustausch vornehmen. Sondern ich habe der Bürgerinitiative gesagt, auch wenn das für sie nicht so gut zu akzeptieren war, dass es die Bodenwerte nicht hergeben, einen großflächigen Bodenaustausch vorzunehmen, weil wir sonst in vielen Gebieten Mittelhessens Bodenaustausch machen müssten. Es gibt Grenzwerte. Die sind einzuhalten. In diesem Fall sind die Grenzwerte weit unterschritten.

Meine Damen und Herren, das ist der Sachverhalt – ganz transparent mit den Werten. Die Gutachten sind alle einzusehen. Ich bin gespannt, was es mit den Dioxinwerten auf sich hat. Leider – muss ich Ihnen sagen – kann man solche Ursachen nicht gut nach dem Motto herleiten: Da gab es eine Firma, die hatte auch noch im Boden Dioxinwerte, die weit unter dem Grenzwert sind; deswegen sind die Eier verseucht. Leider sind oft sogar Ökoeier aufgrund der Bodenhaltung und der Bodenbeschaffenheit mit Dioxinen verseucht.

Deswegen warne ich davor zu glauben, dass man hier einen ursächlichen Zusammenhang herstellen kann. Wir werden aber nichtsdestotrotz der Sache auf den Grund gehen und mit der Bürgerinitiative dementsprechend weiter zusammenarbeiten.

Es tut mir leid, dass es jetzt länger gedauert hat. Aber ich glaube, es war wichtig für alle Abgeordneten, dass ich einmal klarlege, was gemacht wurde und wie der Stand der Dinge ist. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Heike Habermann:

Vielen Dank.