Inhalt

28.05.2015

Priska Hinz, Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Ländervotum im Bundesrat zum Verbot von Fracking zur unkonventionellen Erdgassuche

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Hier in Hessen ist die Diskussion um Fracking ja nicht nur abstrakt geführt worden, sondern hier gab es wirklich ein ganz konkretes Risiko, dass die Technologie des Frackings hier Einzug hält. Ich glaube, deshalb ist der Hessische Landtag auch besonders sensibilisiert im Hinblick auf dieses Thema.
Die Koalition hat mit der Koalitionsvereinbarung bereits beschlossen, dass wir uns gegen Fracking einsetzen werden, und entsprechend haben wir auch die Bundesratsinitiative letztes Jahr mit mehreren Ländern eingebracht. Insofern waren wir gut vorbereitet auf die Debatte um einen Gesetzentwurf seitens der Bundesregierung. Ich muss sagen, dass ich schon sehr erstaunt war – um nicht zu sagen: irritiert – über diesen Gesetzentwurf der Bundesregierung, wie viele Schlupflöcher er lässt für den Einsatz dieser Risikotechnologie. Noch bedauerlicher finde ich es, dass die Gegenäußerung der Bundesregierung zeigt, dass sie die Position der Länderkammer, die Position der Länder in diesem Land, überhaupt nicht richtig ernst nimmt. Das finde ich wirklich ein Drama.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Herr Gremmels, das war ja ein bisschen eine Übersprungshandlung, die Sie hier vollbracht haben. Zu erklären, dass die SPD in Hessen total an der Seite von Hannelore Kraft steht, das finde ich schon einmal vergnüglich. Das finde ich an dieser Stelle wirklich gut.
(Zuruf der Abg. Timon Gremmels (SPD) und Torsten Warnecke (SPD))
Sie hätten aber genauso sagen können, wir stehen an der Seite von Volker Bouffier, denn da sind wir völlig einer Meinung in Hessen, jedenfalls die Mehrheit hier in diesem Hause.
(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))
Was die Positionierung der Hessen im Bundesrat und bezüglich Fracking angeht und diesen Verschiebebahnhof, wer ist jetzt an was schuld innerhalb der Bundesregierung, dass dieses Gesetz auf den Weg kam, das mag ja irgendwie für manchen vergnüglich sein, es stärkt aber nicht die hessische Position im Blick auf das Verhalten der Bundesregierung. Und deswegen habe ich doch eine herzliche Bitte, eine herzliche Bitte, dass wir in dieser ernsthaften Frage, die uns wirklich alle angeht, auch zusammenhalten und versuchen, die Positionierung, die Hessen im Bundesrat vorgebracht hat und die eigentlich bislang auf einhellige Zustimmung hier gestoßen ist,
(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))
dass wir die auch weiterhin durchtragen und auch öffentlich in diesem Sinne gemeinsam vertreten.
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich kann Sie an dieser Stelle nicht verschonen, die zuständige Ministerin ist nun einmal die Bundesumweltministerin Hendricks, und sie hat diesen Gesetzentwurf zu vertreten und hat ihn auch in der Bundestagsdebatte vertreten. Es ist schon ein bisschen kurios, wenn ich es freundlich ausdrücken will, dass sie einen Gesetzentwurf einbringt, der Fracking möglich machen soll, und dann sagt, eigentlich braucht Deutschland keine neuen fossilen Energiequellen, die Zukunft gehört den erneuerbaren Energien. Es ist schon ziemlich merkwürdig, diese Wendungen und Umdrehungen so zu vollführen in einer Debatte, wo es um ihren eigenen Gesetzentwurf geht. Weiter hat sie etwas gesagt, wo wir sie eigentlich beim Wort nehmen müssen, nämlich dass sie sich offen zeigt für Veränderungen im Parlament. Da hat sie natürlich in erster Linie den Bundestag gemeint. Das Parlament soll den Einfluss geltend machen. Aber ich sage ganz deutlich, die Folgen dieses Gesetzentwurfes, dieses Gesetzes, haben die Länder zu tragen, und die Bürgerinnen und Bürger kommen in erster Linie mit ihren Problemen zu uns, wenn es eine Aufsuchung geben soll.
(Zuruf des Abg. Manfred Pentz (CDU))
Deshalb bin ich der Meinung, dass die Veränderungen, die der Bundesrat will, genauso Einfluss finden sollen in die Veränderungen des Gesetzentwurfes, und hier hat Frau Hendricks noch Nacharbeit zu leisten.
(Beifall bei der CDU und bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die Risiken sind schon mehrfach diskutiert worden, also die Frage der giftigen Substanzen, die durch Bohrung in das Grundwasser gelangen können, der Flow-Back mit giftigen Materialien, die möglicherweise wieder in Lagerstätten zurückgepresst werden sollen und, Herr Lenders – er sitzt jetzt hinter mir –,
(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))
die Frage der Verpressung von Fracking in Zusammenhang zu bringen mit der Verpressung bei K + S, aus der wir aussteigen wollen,
(Zuruf der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))
– wir wollen dort möglichst schnell aussteigen – wie Sie wissen, denn erstens ist es keine giftige Substanz in diesem Sinne und zweitens wollen wir dort aussteigen, und das als Argument zu nehmen, hier irgendwo einzusteigen, da müssen Sie mir erklären, wie Sie da die Schleife kriegen wollen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)
Es ist ziemlich abwegig, das eine mit dem anderen zu begründen. Gesundheitsgefährdungen können mit dieser Risikotechnologie einher gehen und sind überhaupt nicht ausgeschlossen. Natürlich sind auch die Eingriffe in die Natur ganz besonders dramatisch. Denn es ist nicht nur mal ein Bohrloch an einer Stelle, wie es hier schon einmal genannt wurde, es werden viele Bohrlöcher sein. Die Natur wird zerstört werden müssen, und dann kommt auch noch die Infrastruktur dazu, die man braucht. Es ist nicht nur ein Bohrloch, sondern es sind Bohrtürme. Es ist auch die Verkehrsinfrastruktur für den gesamten Transport. Wenn Sie sich das einmal in Kanada oder in den USA anschauen wollen, dann sollten Sie das tun. Ich kann mir nicht vorstellen, wie in einem dicht besiedelten Gebiet in der Bundesrepublik Deutschland so etwas stattfinden soll, nicht einmal zu Forschungszwecken. Ich habe noch keinen Vertreter und keine Vertreterin einer Landesregierung aus den Bundesländern gehört, die schon einmal hier geschrien hätten im Blick darauf, dass sie diese Technologie in irgendeiner Form erprobt oder sogar als Regel in ihrem Land existent haben wollen. Von daher stellt sich diese Frage nach dieser Technologie und dass wir sie in Deutschland brauchen, überhaupt nicht.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)
Ich will noch darauf eingehen, dass hier so getan wird, als bräuchten wir Fracking aus energiepolitischen Gründen. Abgesehen davon, dass schon darauf hingewiesen wurde, dass man, selbst wenn man jetzt in Fracking einsteigen würde, nicht so viel Erdgas produzieren könnte, dass wir tatsächlich unabhängig werden, ist doch das, was wir mit der Energiewende in Deutschland betreiben, zum einen dafür, dass wir in neue Technologien einsteigen, die nachweislich weder gesundheitsgefährdend noch umweltgefährdend sind und stattdessen naturverträglich sind.
(Zuruf des Abg. René Rock (FDP))
– Genau, Herr Rock. Auf Ihren Einwurf habe ich doch gewartet.
(Zuruf des Abg. René Rock (FDP))
Wer sich für Fracking einsetzt, mit all den Naturzerstörungen, die damit einhergehen, sich aber gegen jede Windkraftanlage stellt, der hat irgendwie nicht kapiert, wo der Unterschied ist.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU und der SPD)
Eine Windkraftanlage, die man wieder abbauen kann, wenn man eine bessere Technologie findet, gegen eine Risikotechnologie, die Naturzerstörung par excellence betreibt – diesen Unterschied müssten selbst Sie verstanden haben. Das eine für toll zu erklären und gegen das andere zu kämpfen, das ist nur mit einer besonderen Affinität für Risikotechnologien bei der FDP zu erklären. Anders kann ich mir das jedenfalls überhaupt nicht vorstellen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)
Der letzte Punkt, auf den ich noch eingehen will, ist die Frage des Klimaschutzes und des Klimawandels. Alle fossilen Energieträger, die wir zurzeit aus der Erde holen und die wir statt erneuerbarer Energien einsetzen, führen dazu, dass wir den Klimaschutz nicht vorantreiben, sondern dass der Klimawandel weiter voranschreitet. Die Beschlüsse, die die Bundesrepublik bereits getroffen hat, dass mindestens 80 Prozent CO2-Einsparung bis 2050 erfolgen soll – die Länder gehen teilweise darüber hinaus, auch Hessen will darüber hinausgehen –, sind mit solchen Technologien nicht zu schaffen.
Auch aus diesem Grund, allein aus Eigeninteresse für das Überleben der Menschheit, können wir nicht weiter auf fossile Ressourcen und die Ausbeutung der Bodenschätze setzen. Wir sollten diese Ressourcen in der Erde lassen und auf erneuerbare Energien setzen. Wenn es irgendwann einmal bessere Verfahren gibt, effizientere Möglichkeiten, Kohlenstoffe einzusetzen, dann kann man vielleicht wieder darangehen, Rohstoffe aus der Erde zu bergen. Zurzeit brauchen wir diese nicht, sondern wir brauchen erneuerbare Energien in diesem Land. – Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)