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25.06.2014

Priska Hinz: Kosten für den Rückbau des AKW Biblis

Sehr geehrte Abgeordnete! Ich möchte kurz aus der Antwort auf die Große Anfrage der SPD zitieren, die übrigens in einer öffentlichen Ausschusssitzung diskutiert wurde. Alle, die Interesse hatten, konnten also miterleben, wie das diskutiert wurde und wie sich die einzelnen Abgeordneten und Fraktionen dazu verhalten haben.

Auf die Frage:

Wie hoch sind die Rückstellungen von RWE für den Rückbau der beiden Atomkraftwerke?

habe ich geantwortet:

Das Erfordernis von Rückstellungen ergibt sich aus handels- und gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen. Hiernach haben die Unternehmen Rückstellungen nach § 249 HGB zu bilden.

RWE hat auf Anfrage erklärt, „dass Rückstellungen für den Rückbau der beiden Kernkraftwerksblöcke Biblis entsprechend gesetzlichen Vorgaben und auf Basis von Fachgutachten gebildet wurden. Hierbei wurden auch die Kosten der Endlagerung berücksichtigt. Die Höhe der Rückstellungen sowie die vorzunehmenden Anpassungen werden durch Wirtschafts- und Betriebsprüfer überwacht. Rückstellungen werden in den Geschäftsberichten gesondert und transparent ausgewiesen.“

Im Übrigen hat RWE in seinem Bericht insgesamt 10,25 Milliarden Euro an Rückstellungen für seine Atomkraftwerke ausgewiesen.

Es ist allerdings so, dass das Atom- und Strahlenschutzrecht keine explizite Bestimmung enthält, nach der ein Betreiber einer kerntechnischen Anlage der atomrechtlichen Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde die Höhe der Rückstellungen für den Abbau der Anlage mitteilen müsste. Sie müssen in ihrer Bilanz auch nicht einzelne Rückstellungen pro Atomkraftwerk ausweisen.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Leider, aber das ist so. Da dies so ist, können wir zwar wollen und RWE fragen, aber sie müssen uns nicht antworten.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Das ist der Punkt, und das habe ich damals im Ausschuss schon kundgetan.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

– Frau Wissler, Sie waren nicht dort,

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

und Herr Schmitt hat damals sogar zustimmend genickt.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Aber ich will Ihnen Weiteres erläutern,

(Zurufe)
wenn ich die Gelegenheit dazu habe.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD) – Gegenruf des Abg. Manfred Pentz (CDU))

Wenn ich darf, möchte ich gerne weiter ausführen.

Nach einer Studie des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft aus dem Jahr 2012 wurde im Auftrag von Greenpeace ausgerechnet, welche Mittel man für Stilllegungen und Rückbau benötigt. Im Mittel sind das 1 Milliarde Euro pro Leistungsreaktor. So wurde das in der Studie ausgeführt. Die Kosten für die Entsorgung sind dort mit ca. 0,8 Milliarden Euro angegeben. Zusätzlich werden Sicherheitszuschläge von 0,5 Milliarden Euro für unvorhersehbare Mehrkosten pro Leistungsreaktor empfohlen. Wenn man das alles zusammennimmt, kann man sich ausrechnen, dass RWE genügend Rückstellungen für seine Atomkraftwerke hätte.

Jetzt sage ich Ihnen aber noch etwas nettes Neues. Denn wir haben nochmals bei RWE nachgefragt. Sie haben uns mitgeteilt, dass sie die Kosten für Stilllegung und Abbau, einschließlich der Kosten des laufenden Nachbetriebs der Doppelblockanlage Biblis A und B, mit ca. 1,5 Milliarden Euro veranschlagen. Hierin sind die Kosten der Konditionierung und Verbringung der Abfälle bis zu den Endlagern enthalten, also nicht die Endlagerung.

(Zurufe der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE) und Norbert Schmitt (SPD))

Dabei beruft sich RWE auf eine aktualisierte Kostenstudie, die sie bei NIS, Nuklear-Ingenieur-Service, in Auftrag gegeben haben. Der Rückbau einer Doppelblockanlage, so haben sie uns mitgeteilt, sei günstiger als der Rückbau von zwei einzelnen Anlagen. Auch daraus ergibt sich also die Schlussfolgerung, dass wir davon ausgehen können, dass die Rückstellungen reichen.

Ich möchte aber wiederholen, was ich schon im Ausschuss gesagt habe: Es ist völlig egal, ob sie uns das mitteilen und ob sie das Atomkraftwerk in ihrer Bilanz ausdrücklich ausweisen oder nicht – mir als Ministerin ist das egal, denn RWE ist verantwortlich, und wir lassen sie nicht aus der Pflicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Deswegen habe ich gesagt, es ist mir wurscht, ob sie uns das mitteilen oder nicht. Sie haben die Verpflichtung, und wir lassen sie nicht aus der Verantwortung.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Alle Genehmigungsverfahren werden bei uns nach Recht und Gesetz gemacht. Deswegen ist es völlig abwegig, wenn Sie hier so tun, als würden wir RWE nach dem Mund reden oder RWE etwas Gutes tun. Mir das vorzuwerfen bei meinem biografisch-politischen Werdegang,

(Widerspruch bei der SPD und der LINKEN)

das ist nun völlig abwegig. Aber gut, damit müssen Sie selbst klarkommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Meine Damen und Herren, der eigentliche Punkt aber, auf den ich nochmals kommen will, ist das Problem einer deutlich erhöhten Transparenz bei der Insolvenzsicherung der Nuklearrückstellungen. Das kann nur erreicht werden, wenn wir rechtliche Grundlagen dafür haben.

(Zuruf der Abg. Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Solche rechtlichen Grundlagen kann nur die Bundesregierung schaffen.

(Zurufe von der CDU)

Deswegen habe ich hier keine rechtliche Handhabe, selbst wenn ich sie mir wünschen würde.

Aus diesem Grund hat auch die Umweltministerkonferenz bereits im letzten Jahr dazu einen Beschluss gefasst und die Bundesregierung aufgefordert, eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe einzusetzen, um diese Fragen zu klären. Wir wollen, dass die Energieversorger in der Pflicht, in der Verantwortung sind. Wir wollen die Insolvenzsicherung. Wir wollen, dass das Geld dann vorhanden ist, wenn es für den Abbau, die Entsorgung und die Endlagerung notwendig ist. Das wollen wir erreichen. Wenn die Bundesregierung nicht in die Puschen kommt, dann werden wir dem Nachdruck verleihen. Deswegen werden wir eine Bundes- ratsinitiative einbringen, damit wir hier endlich weiterkommen und die Bundesregierung endlich einmal agieren muss.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Dabei muss sichergestellt werden, dass die Rückstellungen auf realistischen Kostenschätzungen beruhen. Auch dafür brauchen wir eine rechtliche Grundlage. Die ausreichende Finanzierungssicherheit muss gewährleistet sein. Deswegen hoffen wir sehr, dass wir mit unserer Bundesratsinitiative, wenn sie denn jetzt gestartet wird, einen Erfolg erzielen werden.

Natürlich muss das Verursacherprinzip gelten. Aber das hat der Ministerpräsident für die Landesregierung bereits in der letzten Sitzung hier erklärt. Wir wollen die EVUs hier nicht aus der Verpflichtung entlassen, sondern wir wollen, dass das Verursacherprinzip gilt. Auch hier werden wir uns ganz klar positionieren.

Dafür brauchen wir den Antrag der LINKEN nicht, sondern da ist die Hessische Landesregierung in ihrem Wirken schon viel weiter.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Wir haben schon mindestens ein weiteres Bundesland da- bei, das diese Bundesratsinitiative mit uns gemeinsam auf den Weg bringen wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Damit ist dieser Antrag ausreichend beantwortet.

Dann haben Sie noch die Castoren angesprochen. Die Bundesumweltministerin wollte vor Ostern eine Lösung haben und wollte sie der Ministerpräsidentenkonferenz unterbreiten. Die Bundesumweltministerin ist zu keinem Gesamtkonzept gekommen. Deswegen hat sie dann verkündet, sie wolle bilaterale Gespräche führen. Ein solches bilaterales Gespräch wurde vor Ostern mit dem Ministerpräsidenten des Landes Hessen geführt.

Auch das habe ich in einer öffentlichen Sitzung des Umweltausschusses verkündet: genau ein Gespräch, anscheinend wie mit anderen Ministerpräsidenten.

(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Auch hier ist die Bundesumweltministerin anschließend nicht zu einem Gesamtkonzept gekommen, sondern hat jetzt mit einem Land, nämlich mit Baden-Württemberg, eine Lösung für fünf Castoren gefunden, weil ihr die Castoren nächstes Jahr sozusagen fast vor die Füße rollen und sie keine Lösung für das Problem insgesamt hat.

(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Vizepräsidentin Heike Habermann:

Frau Ministerin, die Redezeit der Fraktionen ist abgelaufen.

Priska Hinz:

Ich gehe davon aus, dass alle noch wissen wollen, wie der Stand in Sachen Castoren ist.

Weil die Bundesministerin bei der Suche nach einem Gesamtkonzept nicht weitergekommen ist, hat sie jetzt mit einem Land eine bilaterale Lösung gefunden, was fünf Castoren angeht. Hinsichtlich der übrigen 21 Castoren gab es keine weiteren Gespräche.

Die Landesregierung steht weiterhin zu dem, was in unserem Koalitionsvertrag steht: Wenn sachliche Kriterien es notwendig machen, Castoren nach Hessen zu bringen, wird Hessen sein Gewicht in die Waagschale werfen. Ich füge das hinzu, was ich in dem Zusammenhang immer gesagt habe: Wenn es notwendig sein sollte, werde ich nach Biblis gehen und das gemeinsam mit den Kommunalpolitikern vor der Bevölkerung vertreten. Ich werde die Kommunalpolitiker nicht alleine lassen. Ich werde dann auch zu dem Infoforum gehen. Damit das aber überhaupt stattfinden kann, muss die Bundesumweltministerin erst einmal wieder Kontakt mit dem Land Hessen aufnehmen; denn seit Ostern ist da nichts mehr passiert. Auch die Ministerpräsidentenkonferenz wurde mit dem Thema nicht weiter befasst.

Vizepräsidentin Heike Habermann:

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schäfer-Gümbel?

Priska Hinz:

Noch ein Satz. – Unabhängig davon werden wir im Falle einer Schadenersatzklage, wenn sie denn kommen sollte, den Bund auf jeden Fall in die Pflicht nehmen. Das ist völlig unabhängig von den Castoren. Wir sind der Meinung, dass der Bund hier eine Verantwortung trägt, weil er nämlich eine Weisung ausgesprochen hat,

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

indem er allen Ländern, die ein Moratorium aussprechen sollten, deutlich gemacht hat, dass sie eine einheitliche Sprachregelung verwenden sollten. Es ist hier auch schon besprochen worden, dass das keine explizite, sondern eine implizite Weisung war.

(Zurufe von der SPD)

Das ist überhaupt nichts Neues.

Zu Fragen, was in Zeitungen über irgendwelche Insidergespräche steht, bei denen ich nicht anwesend war, kann ich Ihnen nichts berichten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD):

Frau Ministerin, herzlichen Dank für die letzte Bemerkung, die im Blick auf den Artikel in der Frankfurter Rundschau vom 25. Juni sehr aufschlussreich war. Meine Frage ist: Klären Sie jetzt intern von sich aus, ob es eine Verknüpfung zwischen den Folgen der Verurteilung wegen der rechtswidrigen und stümperhaften Stilllegung von Biblis A und Biblis B auf der einen Seite und der Unterbringung von Castoren in Biblis gegeben hat, oder ist der Vorgang für Sie erledigt?

Priska Hinz:

Ich weiß nicht, ob ich mit einem Journalisten irgendetwas klären soll, was er geschrieben hat.

(Zurufe von der SPD)

Die Bundesumweltministerin hat erklärt, dass sie mit den Ministerpräsidenten über die Frage der Unterbringung der Castoren persönlich sprechen möchte.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Insofern liegt der Ball im Spielfeld der Bundesumweltministerin. Ich habe hier erst einmal weiter nichts zu klären.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Heike Habermann:

Vielen Dank.