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06.02.2014

Priska Hinz: Atommüll-Zwischenlager Biblis

Herr Präsident, einen schönen guten Morgen, liebe Abgeordnete! Herr Schmitt, ich freue mich sehr, dass Sie uns als Landesregierung so viel Fürsorge und Zuwendung angedeihen lassen wollen. Aber an dieser Stelle ist es völlig unnötig. Das kann ich schon einmal sagen.

(Zurufe von der SPD – Gegenrufe von der CDU)

Es ist völlig unnötig, weil es innerhalb der Landesregierung in der Frage der Zwischenlagerung von Castoren in Biblis überhaupt keinen Dissens gibt. Auch die Aussage des Ministerpräsidenten, auf die Sie hingewiesen haben, bleibt nach wie vor richtig. Frau Hendricks hat als Bundesumweltministerin nämlich gesagt:

Es kann nicht sein, dass nur sozialdemokratisch geführte Regierungen Atommüll aufnehmen.

Der Ministerpräsident hat geantwortet:

Es erscheint mir allerdings nicht zielführend, Castortransporte aus dem britischen Sellafield, die wir mit Tausenden Polizeibeamten absichern müssen, von der Küste aus Hunderte von Kilometern durchs Land zu schicken, nur damit auch ein unionsregiertes Land von der Zwischenlagerung betroffen ist.

Da hat er als Antwort auf Frau Hendricks doch völlig recht.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Manfred Pentz (CDU))

Was hätte denn die Bundesumweltministerin als Kriterium für Hessen genannt, wenn im September Rot-Grün hier eine Mehrheit gehabt hätte? Was hätte sie denn dann für ein Argument vorgebracht?

(Heiterkeit des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Egal ob unionsgeführt oder sozialdemokratisch geführt, ob grün geführt – wir alle sind in der Verantwortung, zu schauen, wie man am besten die Castoren zwischenlagert, bis wir nach dem Endlagersuchkonzept auch tatsächlich ein Endlager in der Bundesrepublik haben. Zu dieser Anstrengung sind wir alle aufgerufen,

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und zwar deshalb alle, weil alle, die daran interessiert sind, das Problem wirklich zu lösen, dem Endlagersuchgesetz zugestimmt haben, dass keine Castoren mehr nach Gorleben kommen sollen, damit man ein Endlagersuchkonzept auf den Weg bringt. Dann muss natürlich, allerdings nach fachlichen Kriterien, geschaut werden, wo man die Castoren unterbringen kann.

Zu den fachlichen Kriterien zählt erstens die Frage der Platzkapazität. Für Biblis gilt, dass noch etwa 1.000 Brennelemente aus Biblis A und B selbst dort gelagert werden müssen, damit wir die Blöcke kernbrennstofffrei machen können, um danach den Rückbau zu organisieren. Das ist wichtig, und dann muss man schauen, wie viel Platzkapazitäten es noch für mögliche andere Castoren gibt.

Der zweite Punkt ist der Sicherheitsaspekt. Das Problem ist immer besonders groß, wenn Castoren von der Schiene auf die Straße umgeladen werden und lange auf der Straße rollen müssen. Das ist der größte Gefährdungspunkt, also auch ein entscheidendes Kriterium.

Die Polizei hat darum gebeten, auch diesen Aspekt bei der Auswahl angemessen zu berücksichtigen. Und das werden die Umweltministerinnen und Umweltminister aller Länder und des Bundes auch so tun.

(Zuruf des Abg. René Rock (FDP))

Drittens stellt sich natürlich auch die Kostenfrage als relevanter Aspekt. Zurzeit ist es so, dass die Energieversorger glauben, das trägt einmal locker alles die öffentliche Hand. Das finde ich schon bemerkenswert. Eigentlich gilt ja das Verursacherprinzip: Der, der den Müll produziert, ist auch dafür zuständig, dass der Müll beseitigt wird.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das werden noch wichtige Verhandlungen mit den Energieversorgern. Diese Verhandlungen muss allerdings im Wesentlichen der Bund führen. Die Bundesumweltministerin hat hoffentlich im Blick, dass sie da in der Verantwortung ist, entsprechend mit den Energieversorgern die Gespräche aufzunehmen.

Wenn wir zwischen den Umweltministerinnen und Umweltministern eine Klärung unter den fachlichen Gesichtspunkten herbeigeführt haben, wo Castoren am besten einzulagern sind, dann muss mit den Energieversorgern gesprochen werden, dass sie entsprechende Anträge auf Genehmigungen stellen. Das ist ein weiterer Aspekt. Auch das liegt in der Verantwortung des Bundes. Die Anträge müssen nämlich beim Bundesamt für Strahlenschutz gestellt werden. Dort läuft das Genehmigungsverfahren. Das ist nicht einfach und dauert lange.

Deswegen hoffe ich sehr, dass wir jetzt relativ rasch in die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern einsteigen und zu einem Ergebnis kommen, damit auch das Bundesumweltministerium handeln kann und die Energieversorger entsprechende Anträge stellen werden.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, anschließend, wenn zwischen Bund und Ländern klar ist, welche Zwischenlager tatsächlich geeignet sind, würde ich natürlich, sofern Biblis eine Priorität hat, mit den kommunal Verantwortlichen vor Ort sprechen – sowohl in Biblis als auch an der Bergstraße. Das ist doch klar.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Wir können doch kein Interesse daran haben, wenn Biblis infrage kommt, dass wir eine Front haben oder aufbauen lassen zwischen uns, die wir auch Verantwortung tragen, und denen vor Ort, die Verantwortung tragen. Man muss dann auch gegenüber der Bevölkerung deutlich machen, warum es notwendig ist – ich glaube, das ist auch verständlich zu machen –: weil wir die Atomenergie geordnet und sicher beenden wollen.

Das ist anders als mit den Castortransporten nach Gorleben in den letzten Jahren. Da wurde wieder die Schleuse für Atomenergie, für die Produktion geöffnet. Die Befürchtung war, es gibt weiteren, noch mehr Atommüll, und Gorleben wird schleichend zu einem Endlager nach politischen und nicht fachlichen Kriterien ausgewählt. Ich glaube, dies können wir für Biblis ausschließen.

(Demonstrativer Beifall des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Wir sollten die Diskussion über Zwischenlager und Endlager gar nicht vermischen. Für Biblis könnte eine Zwischenlagerung infrage kommen, kein Endlager. Für ein Zwischenlager gelten fachliche Kriterien. Wenn die allerdings festgestellt sind, werde ich mit der Bevölkerung reden, mit den kommunalpolitisch Verantwortlichen. Ich hoffe, dass wir einen gemeinsam zu verantwortenden Weg in diesem Sinne gehen können.

Das ist die gemeinsame Haltung der Landesregierung. Sie brauchen dazu überhaupt keine Aktuellen Stunden mehr zu machen. Da stehen wir zueinander, und ich hoffe, Sie stehen auch dazu.

Lebhafter Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der SPD)