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18.06.2009

Mürvet Öztürk zur Änderung des Härtefallkommissionsgesetzes

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Regierungsfraktionen der CDU und der FDP möchten in Hessen humanitär ausgerichtete Sachentscheidungen blockieren. Anders kann man die Entscheidung, diesen Entwurf überhaupt einzubringen, nicht deuten. Diese Regierung möchte nach der schwachen Nummer im Zusammenhang mit dem Kulturpreis, die wir heute Morgen beobachten konnten, einen weiteren Beweis dafür liefern, dass sie in Hessen als die Regierung der Desintegration und der Desorientierung in die Geschichte eingehen wird. Das ist schade, aber leider wahr.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

So findet in diesem Land keine Orientierung und auch keine Integration statt. Die Härtefallkommission wurde erst vor knapp sieben Monaten auf der Grundlage eines Gesetzentwurfs der GRÜNEN zusammengesetzt. Es gibt keinen einzigen sachlichen Grund dafür, diese Härtefallkommission zu ändern. Es gibt auch keinen sachlichen Grund dafür, dass diese Regierung den uns heute vorliegenden Gesetzentwurf so zu sagen aus der Hüfte geschossen vorlegt – aus reiner Eitelkeit, nichts anderes findet hier statt –, ohne den Jahresbericht abzuwarten, ohne die Kommission wenigstens ein Jahr lang arbeiten zu lassen und ohne ihr überhaupt eine Chance zu geben, sich zu bewähren und nach außen vernünftig darzustellen. Das ist keine vernünftige Sachentscheidung. Auf dieser Ebene kann man mit humanitären Fällen und auch mit dieser Kommission auf keinen Fall umgehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Ich hätte mir gewünscht, dass wenigstens die Evaluation abgewartet wird. Ich würde mir auch wünschen, dass die Entrüstung all der Kirchenverbände, der Flüchtlingsorganisationen und der Missmut, der deutlich geworden ist, nicht mit einem solch lapidaren Satz in einer Presseerklärung der CDU und FDP abgetan wird.

Vielmehr ist das eine ernst zu nehmende Kritik. Die Flüchtlingsorganisationen, die Liga der Freien Wohlfahrtspflege und die anderen NGOs aus der Härtefallkommission sind entrüstet. Sie fühlen sich in ihrer Arbeit blockiert. Sie sehen es als nicht vertretbar an, weiter in dieser Kommission mitzuarbeiten. Das sollte den Regierungsfraktionen zu denken geben. Das würde ich nicht einfach mit der rechten Hand wegwischen. So geht man mit humanitären Fällen nicht um.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Ich gebe Ihnen ein paar Beispiele. Die Härtefallkommission hat in dieser kurzen Zeit sehr gut gearbeitet. Ich habe mir von der Geschäftsstelle der Härtefallkommission die Zahlen vom 2. Juni vorlegen lassen. Wir stellen fest, dass in den letzten sieben Monaten – was keine lange Zeit ist – 52 Härtefallverfahren beantragt worden sind. Davon sind 41 abschließend beraten worden. Von diesen Anträgen sind 26 als Härtefallersuchen an das Innenministerium weitergegeben worden. In 14 Fällen hat der Herr Minister diesem Ersuchen stattgegeben. In drei Fällen hat der Herr Minister gesagt, er werde ihm stattgeben, wenn der Lebensunterhalt gesichert sei. Neun weitere Fälle sind noch in Bearbeitung.

Das ist eine ordentliche Zahl. Die müssen wir akzeptieren. Sie müssen hier erst einmal sachlich belegen, warum Sie die Zusammensetzung der Härtefallkommission um Abgeordnete erweitern wollen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Schauen wir uns die Härtefallkommissionen anderer Länder an. In Baden-Württemberg und in Bayern sind auch keine Abgeordneten drin. In 14 anderen Bundesländern sind keine Abgeordneten in den Härtefallenkommissionen. Vor allen Dingen sind die Kommissionen sowieso kleiner. Wir GRÜNEN haben nach der Anhörung Ihre Anregung aufgenommen und haben für eine Härtefallkommission gestimmt, die sich aus 17 Mitgliedern zusammensetzt. Dort sind ohnehin Vertreter der Regierungen drinnen. Da sind Vertreter der kommunalen Spitzenverbände drin. Da sind Vertreter der NGO drin. Das fußt also auf einer breiten Basis.

Jetzt sollen noch fünf Abgeordnete hinzukommen. Wenn man hinschaut, wird man vor allem feststellen, dass die Abgeordneten nach Fraktionsstärke berufen werden sollen. Das heißt, die Regierungsfraktionen würden drei Abgeordnete benennen, und die Opposition nur zwei. Damit wollen sie sich eine Sperrminorität verschaffen. Sie wollen die Arbeit blockieren. Sie wollen keine sachorientierte Arbeit der Härtefallkommission zulassen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Willi van Ooyen (DIE LINKE): Sie wollen abschieben!)

Auch die Ausschlussgründe sind nicht akzeptabel. Sie sagen, die Zweidrittelmehrheit solle entscheidend sein, damit die Entscheidung auf einer breiten Basis stehe. Das ist absurd. Wir alle hier wissen ganz genau, dass in diesem Fall leider die letzte Macht vom Volker und nicht vom Volke ausgeht. Er entscheidet nämlich, welchen Fällen er zustimmt und welchen nicht. Von daher ist die Begründung fadenscheinig.

Sie versuchen, mit diesem Gesetzentwurf die Härtefallkommission zu einem Feigenblatt für den Minister zu degradieren. Das können wir nicht akzeptieren. Das nehmen wir nicht hin.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Bevor hier aus der Hüfte heraus eine Änderung der Härtefallkommission geschossen wird und eine neue Zusammensetzung der Kommission beschlossen wird, sollten Sie auf jeden Fall eine Anhörung zulassen. Wir brauchen eine vernünftige Evaluierung der Härtefallkommission. Dabei muss es um die Fragen gehen, wie sie bisher zusammengesetzt war und wie in ihr gearbeitet worden ist.

Ich möchte den Vertretern der Regierungsparteien einen Hinweis geben. Nehmen Sie die Kritik der Kirchen nicht leichtfertig hin. Ich meine die ganze Kritik der Flüchtlingsorganisationen und der Kirchen. Das sind Verbände, in denen teilweise auch Ihr Wählerpotential Mitglied ist. In Ihrem Parteinamen befindet sich ein C für christlich.

(Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Das Sie jetzt so leichfertig mit den Einzelfällen und den humanitären Fällen umgehen wollen, wird Ihnen auf die Füße fallen. So geht man nicht mit Einzelfällen um. Ich warne davor. Ich möchte auch den Integrationsminister bitten – da er schon den Namen Integrationsminister hat –,

(Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

sich dafür einzusetzen, dass auch Menschen mit ungesichertem Status in diesem Land eine vernünftige Chance erhalten.

Die Härtefallkommission, wie wir GRÜNE sie vorgesehen haben, hat die beste Chance, sachorientiert zu arbeiten. Sie möchten das wieder rückgängig machen. Sie möchten sie zu einem Feigenblatt des Ministers machen. Das nehmen wir nicht hin.

Meine Damen und Herren, ich hoffe, Sie werden einer vernünftigen Anhörung zustimmen. Alles andere wäre fadenscheinig. Alles andere sollte für die Regierung beschämend sein. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Vizepräsidentin Sarah Sorge:

Frau Kollegin Öztürk, vielen Dank.