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09.07.2009

Mürvet Öztürk zum Thema: Optionszwang im Staatsangehörigkeitsrecht streichen

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das weiche S im Namen Öztürk ist mir aufgefallen. Ich bedanke mich für die richtige Aussprache und freue mich, heute trotz Sommerpause noch zu einem Punkt sprechen zu können, der vielen Leuten sehr am Herzen liegt. Es geht darum, den Optionszwang im Staatsangehörigkeitsrecht zu streichen.

(Unruhe)

Präsident Norbert Kartmann:

Meine Damen und Herren, bitte.

Mürvet Öztürk:

Das fordern wir GRÜNEN heute; denn Deutschland ist ein Einwanderungsland. Hessen ist längst ein Einwanderungsland. Dieser Realität müssen wir Rechnung tragen, auch in diesem Hause.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Meine Damen und Herren, mit der Einführung des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit durch Geburt im Inland ist endlich unter der rot-grünen Bundesregierung im Jahr 2000 ein entscheidender Schritt in Richtung Anpassung des Staatsangehörigkeitsrechts an die Realität eines Einwanderungslandes geschaffen worden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das war ein erster Schritt. Allerdings hat dieser Reformschritt einen kleinen Mangel, den wir heute nicht ignorieren können. Mittlerweile ist es so, dass Kinder, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind und deren Eltern Ausländer sind, wenn ein Elternteil mindestens acht Jahre in Deutschland regelmäßig lebt und einen rechtmäßigen Aufenthalt hat, von Geburt an die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen. Allerdings ist es so, dass diese Kinder bei Eintritt ihrer Volljährigkeit entscheiden müssen, ob sie die Staatsbürgerschaft ihrer Eltern behalten wollen oder ob sie sich für die deutsche Staatsbürgerschaft entscheiden. Das ist die sogenannte Optionsregelung, die langsam in Kraft tritt.

Es sind auch in Hessen immer mehr junge Menschen betroffen. Schauen wir uns die Zahlen an. In den Jahren 2000 bis 2007 sind ca. 35.000 Kinder allein in Hessen geboren worden, von denen vermutet wird, dass sie diesem Optionszwang unterliegen. Das ist weder gerecht, noch ist es integrationspolitisch vertretbar. Das ist ein Zustand, den wir nicht aufrechterhalten können. Deswegen fordern wir GRÜNEN: Streichen Sie den Optionszwang, reichen Sie eine Bundesratsinitiative ein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Dass der Optionszwang integrationspolitisch kontraproduktiv ist, ist nicht umstritten. Es ist so, dass sich mittlerweile zahlreiche namhafte Personen einem Aufruf angeschlossen haben, der am 24. Juni 2009 rundgegangen ist. Ich vermute, dass auch die Herrschaften von CDU und FDP diesen Aufruf bekommen haben. Denn dort haben Personen unterschrieben wie Prof. Dr. Rita Süssmuth, Frau Cornelia Schmalz-Jacobsen, Dr. Hans-Jochen Vogel und Frau Marieluise Beck. Alle fordern, dass dieser Optionszwang gestrichen werden soll.

Es gibt ein Problem; denn wenn wir diesen Optionszwang nicht streichen, würden wir mehr oder weniger auf der europäischen Ebene total zurückfallen. In Europa gibt es mittlerweile die Möglichkeit, dass Menschen die doppelte Staatsbürgerschaft haben können. Dieses europäische Recht müssen wir auch in Hessen umsetzen.

Wenn Sie sich die Zahlen anschauen, wie viele Menschen 2008 auf Antrag die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen haben und bei denen die Mehrstaatlichkeit akzeptiert wurde, werden Sie sich wundern. 13.323 Personen sind in Hessen auf Antrag eingebürgert worden, und von diesen wurde bei 7.043 Personen die Mehrstaatlichkeit akzeptiert. Das sind über 50 Prozent. Das ist eine Realität, der sich die Landesregierung nicht verweigern kann, der sich auch die CDU-Fraktion nicht verweigern sollte.

Schließlich haben Sie mit diesem Thema – das dürfen wir nicht vergessen – 1999 einen schandhaften Wahlkampf geführt. Sie haben populistischen Wahlkampf geführt. Sie haben die Leute auf der Straße gegen die doppelte Staatsbürgerschaft, gegen Ausländer unterschreiben lassen. Meine Damen und Herren, das ist bis heute eine Schande, die Sie über Hessen gebracht haben. Die müssen Sie bereinigen, meine Herrschaften von der CDU.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU))

– Sie haben die Leute so verwirrt, dass sie an die Stände gegangen sind und gegen Ausländer unterschreiben wollten. Herr Beuth, das können Sie hier nicht widerlegen. Das ist eine Tatsache, der Sie sich nicht verweigern können.

(Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU))

Sie betreiben ständig Realitätsverweigerung. Das können Sie weiterhin so machen. Wir werden das nicht hinnehmen. Wir werden Ihnen heute mit diesem Antrag noch einmal die Möglichkeit geben, sich der Realität zu stellen, mein lieber Herr Beuth. Dem scheinen Sie nicht nachgeben zu wollen. Aber das ist Ihr Problem, nicht meines.

Schauen wir uns die Zahlen an. Von den in Hessen lebenden 7.043 Personen sind 1.754 aus europäischen Staaten, 1.035 sind marokkanische Staatsbürger, 799 sind afghanische Staatsbürger, und 540 sind iranische Staatsbürger, die ihre eigene Staatsbürgerschaft neben der deutschen Staatsbürgerschaft behalten konnten. Das heißt, die Realität in diesem Land ist eigentlich unumstritten. Wir geben Ihnen und auch der FDP-Fraktion die Möglichkeit, sich Ihren namhaften Politikern anzuschließen, den Aufruf vom 24. Juni nicht verpuffen zu lassen.

Ergreifen Sie die Möglichkeit – auch Herr Integrationsminister Hahn sollte die Möglichkeit ergreifen –, hier endlich eine ernsthafte Integrationspolitik zu betreiben, eine Integrationspolitik im Sinne der Menschen mit und ohne Migrationshintergrund in Hessen, denn die Schande, die die CDU dem Lande gebracht hat, muss endlich getilgt werden. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)