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27.01.2010

Mürvet Öztürk zum Entschließungsantrag der CDU und der FDP: Erneuter Aufklärungsrekord ist großartiger Erfolg für hessische Polizei

Meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr verehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Natürlich begrüßen wir es als GRÜNE, wenn Bürgerinnen und Bürger in Hessen von weniger Kriminalität betroffen sein sollten. Das wird zumindest in der Statistik behauptet; ob dem so ist, können wir nachher schauen. Ich möchte diese Debatte erst einmal dazu nutzen, den Polizistinnen und Polizisten in Hessen ausdrücklich für ihre engagierte Arbeit zu danken, die sie täglich – ohne Rücksicht auf Wochenenden und Feiertage – zu leisten hatten und das wahrlich nicht immer unter ganz einfachen Umständen.

(Allgemeiner Beifall)

Diesen herzlichen Dank möchte ich noch einmal im Namen meiner Fraktion aussprechen, und auch ganz persönlich.

Es kann nicht geleugnet werden, dass die Polizei diese hervorragende Leistung nicht wegen, sondern trotz dieser Landesregierung erbringt.

(Lachen des Abg. Wolfgang Greilich (FDP))

Sie ist seit elf Jahren im Amt, und die Bedingungen waren für die Polizisten wie gesagt wahrlich nicht immer einfach. Wir denken da an massive Überstunden und an dauerhafte Stellenunterversorgung. Meine Damen und Herren, das haben die Polizistinnen und Polizisten hier leisten müssen, trotz dieser Landesregierung.

Ich möchte zunächst einmal kurz festhalten, dass ich den Umgang mit dem Parlament schon sehr befremdlich finde, denn uns Parlamentariern lag bei der Vorstellung der Polizeilichen Kriminalstatistik dieselbe überhaupt nicht vollständig vor – auch nicht, wie die Koalition von CDU und FDP ihren Auftrag, den sie vom Wähler bekommen hat, eigentlich bewertet. Hält sie es nicht für notwendig, erst einmal nach den vollständigen differenzierten und aufgeschlüsselten Zahlen zu fragen, bevor sie die Arbeit der Landesregierung in den Himmel lobt? Ist das ihre Aufgabe? – Das finde ich nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Uns Parlamentariern – sagen wir einmal, uns normalsterblichen Parlamentariern – liegen die vollständigen Zahlen nicht vor. Meine Damen und Herren von CDU und FDP, ich kann Ihre Lobreden vondaher beim besten Willen nicht nachvollziehen. Also das tut mir leid.

Die vollständigen Zahlen liefern einige Rückschlüsse. Auf diese möchte ich kurz eingehen; und Sie haben in Ihrem Entschließungsantrag die einen oder anderen Punkte angesprochen. Darin sagen Sie z. B., Hessen sei eines der sichersten Bundesländer, wie es Minister Bouffier behauptet. Aber – mit Verlaub – das ist mitnichten so. Sie behaupten das, doch das ist Augenwischerei, denn wenn Sie sich die Zahlen genau anschauen, stellen Sie fest: Mit einer Aufklärungsquote von 57,8 Prozent liegen wir im Bundesvergleich auf Platz 7 und nicht auf Platz 1. Meine Damen und Herren, das ist lediglich Mittelfeld. Wenn Sie hier ein Mittelklassespiel als Spitzenleistung bezeichnen wollen, dann können Sie das gern machen. Das ist aber nicht unser Verständnis. Wer hat denn eine höhere Aufklärungsquote? Wenn man sich die Zahlen in Bayern anschaut, stellt man fest: Dort sind es 64,7 Prozent. In Thüringen sind es 64,5 Prozent und beim rheinland-pfälzischen Nachbarn sind es 62,3 Prozent. Das sind also alles Werte, die viel höher sind, als unsere angeblich höchste Aufklärungsquote.

Meine Damen und Herren, wenn man sich die Zahlen ganz ehrlich anschaut, dann müssen ehrlich zugeben, dass diese eher stabil sind. Die Situation hat sich weder verschlechtert noch verbessert. Auch kleine Verbesserungen, so behaupten es die Fachleute, sind Standardabweichungen. Da Sie diese hier aber wieder als großen Erfolg verkaufen, stelle ich fest: Meine Güte, haben Sie es nötig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bezweifle auch, was Sie unter Punkt 5 Ihres Antrags behaupten, dass diese Statistik in der Lage ist, das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung wiederzugeben. Ich begrüßte es natürlich, wenn das so wäre, denn die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in Freiheit ist für uns GRÜNE ein sehr wichtiges Anliegen. Wir wollen aber gern wissen: Wie können Sie behaupten, dass der massive Anstieg von unaufgeklärten Wohnungseinbrüchen bei der Bevölkerung nicht eine größere Verunsicherung hervorruft als es der Rückgang der Straßenkriminalität überhaupt aufwiegen kann? Ich möchte, um die Statistik besser einordnen zu können, vor allen Dingen vom Herrn Minister wissen: Wie hoch ist die Anzahl der Kontrolldelikte, Herr Minister, also der Delikte, deren Auftreten überhaupt erst durch Kontrollen der Polizei festgestellt werden? Diese Delikte haben nämlich die gute Eigenschaft, dass sie bei der Feststellung auch sofort die Aufklärung mitliefern,

(Zuruf des Ministers Volker Bouffier)

wie beispielsweise bei Schwarzfahrern oder wenn sie der Oma die Katze vom Dach runterholen. Ich möchte gern wissen: Wie viele dieser Fälle sind Kontrolldelikte und wie viele sind ganz einfach zu lösende Delikte gewesen? Das kann ich diesen Zahlen nicht entnehmen, meine Damen und Herren. Ich glaube nicht, dass die hessischen Bürgerinnen und Bürger ein höheres Sicherheitsempfinden haben würden, wenn die Ahndung der Schwarzfahrer sehr hoch ist. Das möchte ich hier ganz offen ansprechen, und da sind Sie uns, Herr Innenminister, noch eine Antwort schuldig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Ministesr Volker Bouffier)

Offen bleibt z. B auch die Frage, wie hoch die Aufklärungsquote bei Delikten der Wirtschaftskriminalität ist, oder wie es bei der Internetkriminalität aussieht. Herr Bellino hat es angesprochen, dass man da noch etwas machen muss. Ich hätte mir gewünscht, dass man es schon in den letzten zehn Jahren gemacht hätte, denn in Fachkreisen wird der Anstieg der Kriminalität in diesen Bereichen eindeutig kritisiert.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU) – Gegenruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Ich würde gern wissen, wie viele Steuerhinterzieher oder wie viele Hacker Sie eigentlich gefangen haben. Dazu kann ich den Zahlen leider nichts entnehmen, und deswegen wundert es mich sehr, dass die CDU-FDP-Koalition wie gesagt diese Lobreden hält.

Sehr verehrte Damen und Herren von der CDU und der FDP, nun zu den „angemessenen Rahmenbedingungen“, die Sie unter Punkt 6 Ihres Antrags ansprechen. Wir wissen ganz genau, dass die massiven Stellenstreichungen der letzten Jahre eigentlich nicht zu vertreten waren, und es ist makaber, dass Sie in Anbetracht dieser Situation hier von „angemessen Rahmenbedingungen“ sprechen. Das ist eine Ignoranz ohnegleichen, meine Damen und Herren. Damit tun Sie der Polizei unrecht. Sie haben jahrelang massive Überstunden und massiven Stellenabbau hinnehmen müssen. Davon sagen Sie gar nichts, sondern reden hier von „angemessenen Rahmenbedingungen“.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Zum Schluss wundert es einen natürlich nicht, dass Sie die umstrittene Novelle des HSOG als sehr erfolgreich bezeichnen und sich dazu auch noch beglückwünschen. Daher frage ich mich wieder einmal: Was kann diese Landesregierung eigentlich mehr, außer ihre eigene Arbeit in den Himmel zu loben? – Wie gesagt, anscheinend haben Sie es nötig.

Einige kritische Punkte des HSOG möchte ich aber unerwähnt lassen, denn darüber haben wir im Ausschuss ausreichend diskutiert. Ich möchte hier ganz klar festhalten: Wir bezweifeln es ganz massiv, dass sich weder die Sicherheit noch das Sicherheitsempfinden der hessischen Bevölkerung durch Maßnahmen wie Rasterfahndung, Kennzeichen-Lasererfassung oder Wohnraumüberwachung überhaupt steigern lassen.

Meine Damen und Herren, dazu haben wir ein Beispiel, wenn wir uns den jüngst in den USA vereitelten Flugzeuganschlag anschauen. Dieser hat gezeigt: Es gibt ausreichend Daten. Diese liegen vor. Es stellt sich nur die Frage, ob sie auch von kompetenten Personen ausgewertet werden und ob die Behörden ausreichend vernetzt sind. Meine Damen und Herren, tun Sie vondaher nicht so, dass die Datensammlerei eine höhere Sicherheit bringen würde.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, wir brauchen auch nicht sehr viel Fantasie, um heute feststellen zu können, dass Sie sich bei der nächsten Statistik wieder hier hinstellen und sagen werden: Die Einschränkungen zulasten der Freiheit haben mehr Sicherheit gebracht. – Wir können heute ganz genau prognostizieren, dass dem so sein wird. Wir lassen uns trotzdem überraschen. Vielleicht fällt Ihnen einmal etwas Neues ein.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Bis dahin möchte ich mich bei den fleißigen Polizistinnen und Polizisten des Landes Hessen recht herzlich bedanken und hoffe, dass sie bald bessere Arbeitsbedingungen haben werden.

Sie haben wahrscheinlich keinen Zweifel daran, dass wir diesem Entschließungsantrag keinesfalls zustimmen werden. Die vollständigen Zahlen liegen nicht vor. Die sollen erst einmal kommen. Diese möchten wir als Parlamentarier bewerten. Dann können wir noch einmal darüber reden. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

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