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24.03.2010

Mürvet Öztürk zu Ausländerbeiratswahlen

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Ausländerbeiratswahlen sind heute das Thema. Wir haben jetzt verschiedene Positionen und Ansichten gehört, aber eines möchte ich noch einmal festhalten: Herr Bellino, mit Verlaub, ich möchte nochmals daran erinnern, wenn dieser Landtag oder eine bestimmte Fraktion in diesem Landtag nicht einen solchen Druck ausgeübt hätte, dass Herr Hoff schließlich auf sein Mandat verzichten musste, dann weiß ich nicht, ob Herr Tipi hier wäre. Wir freuen uns, dass er hier ist, aber wir sollten doch immer noch bei der Wahrheit bleiben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Horst Klee (CDU): Man muss auch können können!)

Vielleicht schaffen Sie es beim nächsten Mal mit einem Listenplatz.

Am 7. November sind in Hessen die Ausländerbeiratswahlen. Meine Damen und Herren, das ist das einzige durch demokratische Wahl legitimierte Gremium, das die Interessen der Menschen ohne deutschen Pass auf kommunaler Ebene vertritt. Diese Beiräte werden von Menschen ohne deutschen Pass, die nicht EU-Bürger sind, direkt gewählt. Das haben wir heute festgestellt.

Bevor ich auf die Anträge eingehe, möchte ich an dieser Stelle den Ausländerbeiräten ganz herzlich danken. Sie haben jahrelang vor Ort eine sehr engagierte ehrenamtliche Politik betrieben. Sie haben das Thema der politischen Partizipation, das Thema Integration sehr früh aufs Tablett gehoben. Sie haben die Öffentlichkeit und die Politik sensibilisiert – sehr lange, bevor irgendwelche Landesregierungen sich dieses Thema ganz prominent auf die Agenda geschrieben haben. Daher: Herzlichen Glückwunsch, Ausländerbeiräte, steter Tropfen höhlt den Stein, Geduld und Hartnäckigkeit zahlen sich aus – und heute reden alle über Integration.

(Beifall beidem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Zuruf des Abg. Horst Klee (CDU))

Nun stehen die Wahlen vor der Tür. Ich möchte daran erinnern, dass zumindest in dem Antrag der SPD wirklich die Absicht bestand, diese Ausländerbeiratswahlen ganz prominent von der hessischen Landesebene aus zu unterstützen. Es ging gar nicht darum, mehr Geld zur Verfügung zu stellen oder das vorhandene und verteilte Geld extra zu loben, sondern es ging einfach um ein wichtiges Signal.

Auch ich habe gedacht, bei diesem Thema muss die Sachpolitik so weit vorangeschritten sein, dass dieser Antrag eine Mehrheit findet. Aber nein, anscheinend möchte diese Landesregierung lieber Schönwetterveranstaltungen organisieren – wenn es aber ums konkrete Handeln geht, dann will man einfach passiv werden oder nur die eigenen Entscheidungen loben. Meine Damen und Herren, das reicht nicht aus. Hier büßen Sie an Glaubwürdigkeit ein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Gerhard Merz (SPD) – Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Heiterkeit)

Denn die Ausländerbeiräte sind nun einmal das einzige politische Gremium, das Menschen, die die deutsche Staatsbürgerschaft nicht haben, wählen können.

Wir GRÜNE hätten natürlich gerne das kommunale Wahlrecht, eine Vereinfachung der Mehrstaatlichkeit oder eine Vereinfachung der Einbürgerung. All diese Dinge aber sind mit Ihnen nicht machbar. Dann sollten Sie wenigstens die Ausländerbeiratswahlen unterstützen.

Ich nenne Ihnen auch ein paar Zahlen. Im Jahr 1997 lag die Wahlbeteiligung bei leider nur 12,19 Prozent; im Jahr 2001 bei 7,6 Prozent; im Jahr 2005 bei 7,7 Prozent.

Jetzt können Sie sagen: Wenn die nicht wählen gehen, was können wir dafür? – Aber wir haben das Gefühl, auch bei den anderen Wahlen geht die Beteiligung sehr zurück, und auch dort machen wir uns Gedanken, wie wir die Menschen zur politischen Partizipation bewegen können. Warum also nicht hier, bei Menschen, die keinen deutschen Pass haben?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN sowie der Abg. Gerhard Merz und Brigitte Hofmeyer (SPD))

Die Gründe sind vielfältig. Zum Teil gibt es Beschwerden von den Ausländerbeiräten, die sagen, wir haben gar kein richtiges Mitspracherecht. Teilweise dürfen sie keine Anträge stellen, teilweise dürfen sie welche stellen. Da möchten sie gerne ihre Lage geklärt wissen.

Ich gebe aber auch zu, es gibt Menschen, die fragen: Sind denn Ausländerbeiräte noch adäquat? Ist das ein zeitgemäßes Instrument?

Wir haben eine Enquetekommission, in der wir uns darüber gerne Gedanken machen können, ob dieses Instrument der politischen Partizipation für Menschen, die kein anderes Wahlrecht haben, das adäquate Mittel ist. Fakt aber bleibt: Im November sind diese Wahlen. Dafür wünschen wir uns eine Unterstützung.

Ich nenne Ihnen noch einmal Zahlen. Die größte Bevölkerungsgruppe, die davon betroffen ist, sind türkischstämmige Menschen, in Hessen ungefähr 180.000 Einwohner; es sind serbisch-montenegrinische Menschen, in Hessen etwa 39.000 Einwohner; oder auch die kroatischen Mitbürger. Gott sei Dank dürfen die italienischen Mitbürger auch auf der kommunalen Ebene wählen, ebenso die polnischen Mitbürger, rund 43.000 Menschen in Hessen. Die einzige größere Gruppe, die ausgeschlossen ist, sind Menschen aus der Türkei, die zum Teil seit mehr als 15, 20, 25 Jahren in unseren Kommunen leben. Liebe Landesregierung, hier möchte ich mehr Handlung von Ihnen haben. Sonst bleibt das Thema Integration, wie sie es vorgeben, eine Schönwetterveranstaltung, und da sind wir nicht bei Ihnen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Vizepräsidentin Sarah Sorge:

Vielen Dank, Frau Kollegin Öztürk.