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27.06.2013

Mürvet Öztürk: Hessischer Landtag blickt mit Sorge auf die Vorkommnisse in der Türkei

Verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch meine Fraktion hat in den letzten Tagen die Entwicklungen in Istanbul, im Gezi-Park und in der ganzen Türkei mit großer Besorgnis zur Kenntnis genommen. Die unverhältnismäßige Gewalt, die die Polizei gegenüber friedlichen Demonstranten ausgeübt hat, hat uns hier in Deutschland sehr erschrocken, aber auch sehr viele Menschen in der Türkei und weltweit.

Für uns ist es wichtig, festzuhalten, dass die Meinungsfreiheit und die Versammlungsfreiheit universelle Rechte sind. Sie zu schützen ist die Aufgabe eines jeden Rechtsstaates – und erst recht eines Staates, der auf dem Weg ist, der EU beizutreten, nämlich der Türkei.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Hans-Christian Mick (FDP))

Die Proteste in den letzten Tagen sind sehr kreativ und friedlich gewesen, wie wir auch in den Medien immer wieder zur Kenntnis nehmen können. Es hat im Gezi-Park angefangen. Zunächst ging es dort darum, Umwelt und Natur zu schützen, gegen Großprojekte zu demonstrieren, für mehr Meinungsfreiheit und Bürgerbeteiligung einzutreten und sich dagegen zu wehren, dass die individuelle Freiheit der Menschen immer mehr eingeschränkt wird. Umso inspirierender und interessanter waren diese Erklärungen, die man in der Türkei für die Bewegung im Gezi-Park zu finden versucht hat.

Eines möchte ich festhalten. Für diese neue Bewegung – diese neue Zivilgesellschaft, die dort zusammengekommen ist und versucht, über parteipolitische Interessen hinweg ein neues Wir zu entwickeln – müssen auch wir neue Worte und neue Formeln entwickeln. Liebe Damen und Herren in diesem Hause, mit alten, bekannten Parolen werden wir da nicht weiterkommen. Es ist wichtig, dass wir dieses neue Wir in der Türkei unterstützen und versuchen, die Sprache des Dialogs und der Versöhnung sowohl von der Regierung in der Türkei zu fordern, als sie aber auch hier selbst zu praktizieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Auf unserer Delegationsreise in die Türkei, auf der wir eine Partnerregion gesucht haben – die dann Bursa geworden ist –, haben wir im Deutschen Generalkonsulat ein Gespräch mit Vertreterinnen und Vertretern der Stiftungen geführt. Schon damals wurde dort gesagt, die Spaltung in der türkischen Gesellschaft sei immer größer geworden, aber der Weg heraus könne nicht eine Zuspitzung sein, keine Gewalt gegen Proteste, wie das jetzt die türkische Regierung tut. Nach meiner Meinung schätzt sie die Situation falsch ein. Das ist keine Demonstration, keine Bewegung, die von außen gelenkt ist. Es ist der falsche Weg, sie verbal als von außen gelenkte Bewegung zu diskreditieren, wie das in den letzten Tagen versucht wurde.

Es ist wichtig, dass wir die türkische Gesellschaft – sie ist jung, dynamisch und demokratisch orientiert und tritt für Säkularität, Freiheit und Menschenrechte ein – unterstützen. Daher wünsche ich mir von diesem Haus heute, mit diesem Antrag, das Signal zu senden, aber auch alle diplomatischen Wege, die wir haben, zu begehen, um mit unseren Freundinnen und Freunden zu reden. Bitte keinen falschen Zungenschlag hineinbringen – klar in der Sprache sein, aber auch unterstützend und dialogisch. Das ist mein Appell. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))