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24.06.2014

Mürvet Öztürk: Gesetz zur Änderung des Härtefallkommissionsgesetzes und des Hessischen Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute diskutieren wir über eine weitere Novellierung des Härtefallkommissionsgesetzes, was meiner Meinung nach, unserer Meinung nach und nach Meinung der Koalition ein Erfolg ist, weil wir in diesem Hause die Humanität in der Flüchtlingspolitik in den Mittelpunkt stellen. Das möchte ich mit großer Freude festhalten. Ich freue mich sehr, dass dieses Anliegen, das wir GRÜNEN am Herzen getragen haben und auch weiterhin tragen, in der Koalitionsvereinbarung seine Niederschrift gefunden hat und wir gemeinsam mit dem Koalitionspartner schon vor der Sommerpause einen Gesetzentwurf zur Novellierung einbringen konnten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Ich finde, über manche Erfolge darf man sich wirklich freuen, denn in der täglichen Arbeit, die in der Flüchtlingspolitik und in der Asylpolitik von uns allen die Übernahme gemeinsamer Verantwortung fordert, ist es wichtig, dass man auch kleine Baustellen benennt und die Größe hat, zu sagen: Wir gehen das gemeinsam an, wir korrigieren an diesen Baustellen, wir möchten der Humanität ohne Einschränkungen in diesem Haus Vorrang geben. – Deshalb haben wir mit diesen Vorschlägen die Diskussion in diesem Hause erneut angestoßen.

Worum geht es genau? Es geht um Fälle, um Einzelschicksale, um Familien, um Personen, die seit Jahren in Hessen leben, die seit Jahren in Hessen keinen gesicherten Aufenthalt haben, weil sie als Asylbewerber – aufgrund welcher Situation auch immer – keine Anerkennung bekommen haben, weil Sie über ein Petitionsverfahren keine Möglichkeit bekommen haben, an einen gesicherten Aufenthaltstitel zu gelangen.

Aber da in diesen Einzelfällen Familien mit vielen Kindern, alte oder traumatisierte Personen und vor allem auch Menschen, die manchmal seit 15 bis 20 Jahren bei uns leben und gut integriert sind, eine große Rolle spielen, soll für sie endlich eine Möglichkeit geschaffen werden, als Härtefälle anerkannt zu werden. In Paragraf 23 des Aufenthaltsgesetzes ist auch aufgenommen worden, dass die Innenminister der Länder die Möglichkeit haben, zu sagen: Das sind für uns besondere Härtefälle; deswegen sollen diese Menschen bei uns bleiben. Wir wollen Gnade vor Recht ergehen lassen.

Wir haben in der ersten Härtefallkommission, die 2005 eingerichtet worden war, festgestellt, dass die Beratung seitens der Abgeordneten, die vorher schon im Petitionsausschuss waren und nachher – im Verhältnis 1 : 1 – in der Härtefallkommission gesessen haben, zwar sehr gut war, der Sachverstand von außen aber, also z. B. der Sachverstand der Wohlstandsverbände, der Flüchtlingsverbände, der Kirchen und auch des Innenministeriums, für die Härtefallkommission ebenfalls sehr wichtig ist.

Deshalb haben wir im Jahr 2008 – damals SPD und GRÜNE gemeinsam – eine Änderung vorgenommen. Wir haben nach der Debatte, die hier stattgefunden hat, und im Rahmen der gemeinsamen Arbeit in der Härtefallkommission festgestellt – auch vonseiten der FDP und der CDU ist das festgestellt worden –, es ist durchaus richtig, Sachverstand von außen in die Kommission zu holen. So gab es zwar eine zweite Novellierung unter der CDU/FDP-Regierung, aber im Grunde haben wir alle gemerkt, dass es, wenn wir in Einzelfällen humanitär entscheiden wollen, wichtig ist, den Blick von außen in die Kommission zu holen. Das haben wir gemacht. Deswegen finde ich es gut, dass wir nicht weiter darüber gestritten, sondern einfach gearbeitet haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

In dieser Härtefallkommission haben wir aufgrund der Beschäftigung mit den Einzelfällen festgestellt, dass es durchaus Personengruppen gibt, die zwar arbeiten, also versuchen, ihren Lebensunterhalt eigenständig zu sichern, aber aufgrund der Unterbrechung in ihrer Erwerbsbiographie, aufgrund von Niedriglohnbeschäftigungen oder aufgrund von anderen Problemsituationen – aufgrund von fehlenden Mindestlöhnen, wollte ich schon sagen – nicht ausreichend verdienen und daher ihren Lebensunterhalt nicht vollständig sichern können. Wir haben in der Härtefallkommission oft gemeinsam darum gerungen und uns überlegt, wie wir damit umgehen. Oftmals war es so, dass die Härtefallkommission trotzdem ein Härtefallersuchen an den Minister gerichtet hat, der Minister dann aber selbst schauen musste, wie er mit diesen Härtefällen umging.

Jetzt, mit dieser Regelung, mit der wir die überwiegende Sicherung des Lebensunterhalts in den Vordergrund stellen, schaffen wir auch einen Freiraum für den Minister und – meiner Meinung nach – die Verwaltung, und wir schaffen damit die Möglichkeit, der einzelnen Situation gerecht zu werden. Wir schaffen damit die Möglichkeit, dass Personen, die älter, krank oder traumatisiert sind und ihren Lebensunterhalt niemals selbst sichern könnten, trotzdem eine Aufenthaltserlaubnis bekommen: Die Humanität spielt hier eine größere Rolle als die Kosten.

Auf der anderen Seite gibt es das hier schon angesprochene Zweidrittelquorum. Das haben wir in der Härtefallkommission festgestellt: Die hessische Härtefallkommission ist die bundesweit größte mit den meisten Mitgliedern. Alle anderen Härtefallkommissionen sind mit weniger Personen besetzt. Von daher finde ich es sehr wichtig, dass wir mit der Aufhebung des Zweidrittelquorums erneut der Einschätzung der Mitglieder der Härtefallkommission den Vorzug geben, statt das an einem Zweidrittelquorum scheitern zu lassen.

Es stimmt, das war in der Praxis nicht oft ein Problem, sondern eher selten. Aber es gab auch Situationen, in denen ein bestimmtes Mitglied der Härtefallkommission fehlte und wir einen Fall nicht als Härtefall anerkennen konnten, bis dieser Mensch erschien und seine Stimme abgeben konnte. Es gibt also kleine praktische Probleme, derentwegen wir gemeinsam das Gesetz so novellieren wollen, wie wir es Ihnen hier vorschlagen.

Ich freue mich, dass wir, wie gesagt, vor der Sommerpause, eine Anhörung durchführen werden und dass wir – hoffentlich – im Herbst das Gesetz in einer solchen Form verabschiedet haben werden, dass wir damit all jenen Menschen, die darauf warten, von uns in ihrer humanitären Situation unterstützt zu werden, ein positives Signal geben und ein Aufenthaltsrecht gewähren können.

Natürlich gehen die Mitglieder der Härtefallkommission mit jedem einzelnen Fall sehr behutsam und sehr sorgsam um. Das war in der Vergangenheit nie ein Problem; es war selten ein Streitthema. So einvernehmlich, wie wir in der Härtefallkommission entschieden haben, würde ich mir auch manche Entscheidung in anderen Gremien wünschen. In der Härtefallkommission stehen die Humanität und die Schicksale der Menschen im Vordergrund. Von daher freue ich mich, dass wir mit dieser Novellierung Änderungen in diesem Gesetz herbeiführen werden.

Zuletzt möchte ich anhand eines besonderen Einzelfalls plastisch darstellen, welche Menschen wir mit diesem Gesetz eigentlich unterstützen. Ich nenne als Beispiel eine ältere Dame, die seit 22 Jahren in Deutschland lebt und mittlerweile 72 Jahre alt ist. Die Familie sichert den Lebensunterhalt bis auf die Krankenkassenkosten. Diese kann die Familie nicht übernehmen, und deswegen ist die ältere Dame seit 22 Jahren in Hessen geduldet und kann keine eigenständige Aufenthaltserlaubnis bekommen.

Präsident Norbert Kartmann:

Frau Kollegin, ich gebe Ihnen einen sanften Hinweis auf die Redezeit.

Mürvet Öztürk:

Es gibt noch viele andere Einzelbeispiele. Es wird die Frage sein, ob wir auch in dieser konkreten Konstellation die Menschen dabei unterstützen können, endlich eine Aufenthaltserlaubnis zu bekommen.

Jetzt höre ich auf; ich habe überzogen. Ich wollte nur meine Freude darüber kundtun, dass wir – durchaus auch als GRÜNE – mit diesem Gesetzentwurf ein Herzensanliegen eingebracht haben. Wenn das beschlossen würde und sich auch die FDP dazu entschließen könnte, es zu unterstützen, wäre das wieder ein Fall, in dem fraktionsübergreifend und ein positives Signal nach außen sendend die Humanität in den Mittelpunkt gestellt würde. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

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