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16.10.2014

Mürvet Öztürk: Flüchtlinge und Kommunen nicht im Regen stehen lassen

Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es freut mich sehr, dass wir auch heute wieder über das Thema Flüchtlinge in diesem Hause sprechen. Das ist auch gut so; denn alle in diesem Hause haben in der Vergangenheit festgestellt, dass uns das Thema auch in der Zukunft beschäftigen wird.

Wenn ich aber heute die Beiträge von Herrn Rentsch und Frau Cárdenas sehe, dann stelle ich fest, Sie haben uns mehr oder weniger in unserer Forderung bestärkt, eine nationale Asylkonferenz durchzuführen; denn die Zustände, die Sie aus Bayern und Nordrhein-Westfalen beschrieben haben, haben wir hier Gott sei Dank nicht.

(Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Das spricht umso mehr dafür, dass wir eine nationale Asylkonferenz brauchen, um auf nationaler Ebene zu schauen, wie man mit den anderen Ländern kooperieren kann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ich freue mich sehr, dass es von der Opposition und den Regierungsfraktionen Anträge gibt. Wie ich es verstanden habe, werden sie an die Fachausschüsse überwiesen werden. Dort werden wir auch noch intensiv darüber diskutieren.

Ich will zu Beginn direkt etwas zum Thema Abschiebestopp in die von der Ebola-Epidemie betroffenen Länder sagen. Frau Cárdenas, Sie fordern einen generellen Abschiebestopp. Ich habe mich erkundigt: In keinem der anderen Bundesländer gibt es einen generellen Abschiebestopp. Sogar in Brandenburg, wo Sie gerade verhandeln, habe ich nachgefragt: Auch dort hat man nicht vor, einen generellen Abschiebestopp einzuführen. Das Einzige, was geschieht, ist das, was die Länder eigenständig machen können, und das machen wir in Hessen. Von daher haben wir heute mit dem Antrag gezeigt, dass wir das Gleiche machen wie die anderen sensiblen Länder. Hier werden keine Flüchtlinge in die von Ebola betroffenen Länder abgeschoben, und das bleibt auch so. Das noch einmal zur Klärung, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ich möchte noch einmal die Zahlen in Erinnerung rufen. Bisher hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge prognostiziert, dass 2015 ungefähr 300.000 Flüchtlinge in Deutschland ankommen werden. Ungefähr 40.000 werden wir in Hessen unterzubringen haben. Wir wissen auch, dass wir trotz der internationalen Krisen, die wir weltweit beobachten, immer noch nicht die Zahlen aus den Neunzigerjahren erreicht haben.

Wenn wir die Menge der Menschen, die zu uns kommen und die wir aufnehmen, im Verhältnis zu dem anschauen, was die direkten Nachbarländer leisten, die selbst oft instabil sind und keine starke politische oder strukturelle Situation haben, dann stellen wir fest, dass diese Nachbarländer viel mehr Menschen aufnehmen. Wir haben in der Vergangenheit schon über den Libanon, über Jordanien und die Türkei gesprochen. Das heißt, die eigentliche Verantwortung wird immer noch überwiegend in den Nachbarregionen übernommen.

Bundesentwicklungsminister Müller, der vor Kurzem in Erbil im Irak war, hat selbst in einem Interview festgestellt und darauf hingewiesen, dass die Zahl derer, die zu uns kommen werden, weiter steigen wird, dass damit aber auch unser Beitrag steigen wird.

Ja, es werden mehr leidtragende Menschen, die vor Kriegen oder Gräueltaten geflohen sind, ihren Weg zu uns nach Hessen suchen. Wir sind als Hessen bereit, unseren Beitrag zur humanitären Verantwortung zu leisten. Wir wollen diesen Menschen möglichst schnell helfen und sie möglichst schnell in die deutsche Gesellschaft integrieren. Das ist unser Ziel. Das möchte ich hier festhalten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Meine Damen und Herren, dafür führen wir Gespräche mit den betroffenen Kommunen, Kreisen, Kirchen und Wohlfahrtsverbänden. Von einer Abschottungspolitik können wir beim besten Willen nicht sprechen. Die Art und Weise, wie wir mit den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in Hessen umgehen, mit den hohen Standards, die wir gesetzt haben, war jahrelang immer ein Beispiel für andere Bundesländer. Wir haben auch nicht vor, diese hohen Standards abzubauen. Wir wollen nach wie vor die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, aber auch die erwachsenen Flüchtlinge bei uns vernünftig unterbringen.

Es ist richtig, dass die Clearingstellen zurzeit sehr überfordert sind, dass ihre Kapazitäten ausgeschöpft waren. Wir wissen aber auch alle, dass das daran gelegen hat, dass die Kreise und Kommunen die zugewiesenen Jugendlichen nicht aufgenommen haben. Dazu habe ich auch in der Vergangenheit gesagt: Es gibt einen Unterschied. Man darf von mir aus bei den erwachsenen Flüchtlingen darüber streiten, ob genug finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden. Aber bei den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen werden die Kosten zu 100 Prozent getragen. Es ist auch das Land Hessen gewesen, das darauf gedrängt hat, dass die Kreise diese unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge schneller aufnehmen.

Von daher ist in unserem Antrag und unserem Maßnahmenpaket die Rede davon, dass wir uns dieses Themas besonders annehmen wollen, dass wir die Integration dieser unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge in das Schulsystem, in das Bildungs- und Ausbildungssystem forcieren wollen, ein Konzept erstellen wollen.

Meine Damen und Herren, insofern machen wir unsere Hausaufgaben, und das ist auch gut so. Daher möchte ich an dieser Stelle sowohl dem Sozialminister als auch Herrn Staatssekretär Dippel und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Sozialministerium danken. Gespräche werden geführt, Lösungsvorschläge werden erarbeitet. Das Kultusministerium will jetzt in Kooperation mit dem Sozialministerium ein Konzept für die UMF erarbeiten.

Wir machen viel. Es mag sein, dass es nicht ausreicht. Aber uns vorzuwerfen, dass wir nur Symbolpolitik betrieben oder uns abschotteten – das ist mitnichten so. Das möchte ich hier festhalten.

(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Zum Schluss. Wir alle wissen, dass am Montag – ich weiß, ich muss aufhören – in Baden-Württemberg eine Asylkonferenz von Ministerpräsident Kretschmann durchgeführt worden ist. Auch dort ist gesagt worden, wir brauchen

Vizepräsidentin Heike Habermann:

Frau Kollegin, ich dachte, Sie seien fertig. Ich möchte Sie bitten, sich etwas zu beeilen.

Mürvet Öztürk:

eine Unterstützung vom Bund. Diese brauchen wir definitiv in der Unterbringungsfrage und in der Gesundheitsversorgungsfrage. Auch dort ist das Ergebnis gewesen: nationale Asylkonferenz. Der Bundesrat hat dem überwiegend schon zugestimmt. Ich hoffe, dass das bald kommt, damit der Streit konstruktiver geführt wird. – Herzlichen Dank.

(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vizepräsidentin Heike Habermann:

Danke schön.