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07.03.2012

Mürvet Öztürk: Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Liebe Kollegen von der sogenannten Regierungsfraktion!

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

– Na ja, als Regierung muss man auch regieren und nicht nur die Fraktion dafür sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, man sieht es an diesem ganz einfachen Beispiel: Die Anerkennung der im Ausland erworbenen Berufsqualifikation ist ein unstrittiges Thema. Eigentlich ist das ein Thema, an dem wir gemeinsam – Opposition und Regierungsfraktionen – über die Fraktionsgrenzen hinweg seit Jahren versuchen, einen konkreten Schritt nach vorn zu gehen. Deswegen konnten wir sehen, dass darüber auch im Bundesrat einstimmig entschieden worden ist. Daher hätte ich mir gedacht, dass die hiesige Landesregierung diese Chance nutzt und von sich aus einmal mit einem Vorschlag kommt und sagt: So wollen wir die Anerkennung der im Ausland erworbenen Berufsqualifikation auf hessischer Ebene umsetzen; das sind die Vorbereitungsmaßnahmen, die wir getroffen haben.

Aber statt dass Sie selbst mit einem derartigen Vorschlag kommen, bedarf es eines Antrags der Opposition, damit sich Herr Herr hierhin stellen und sagen kann, wir machen schon alles. – Meine Damen und Herren, das ist ein bisschen zu dürr. Das tut mir leid.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Schon seit Jahren sind wir uns darüber im Klaren, dass der demographische Wandel auch nicht an uns in Hessen vorbeiziehen wird. Der Anteil der Älteren an der Bevölkerung wird steigen, der der Jüngeren wird sinken. Die Fachkräftediskussion wird schon seit Jahren geführt. Von der IHK wird gesagt, in den nächsten Jahren werden 147 000 Fachkräfte in Hessen fehlen. Wir wissen ganz genau, dass auch bei uns Ärzte oder Ingeneure Taxi gefahren sind. Solche Erfahrungen haben wir in der Vergangenheit gemacht.

Ich erinnere daran, dass beispielsweise bereits im Januar 2010in einer Sitzung des Integrationsbeirats von Herrn Hahn gesagt wurde, das Gesetz werde kommen, und man wolle in Hessen Vorbereitungen darauf treffen.

Jetzt ist es März 2012. Das Gesetz ist im Dezember 2011 beschlossen worden. Wir wissen, dass es einer gewissen Vorbereitungsphase bedarf. Aber als GRÜNE würden wir beispielsweise gerne wissen: Haben Sie eine interministerielle Arbeitsgruppe eingerichtet, in der Sie sich Gedanken über die Umsetzung dieser Gesetze machen wollen? Wie sieht es mit der berufsbezogenen Sprachförderung dieser Personengruppen aus? Werden Sie später beispielsweise Stipendienprogramme aufsetzen, bei denen sich Menschen bewerben können und die Nach- und Weiterqualifizierung finanziert bekommen? Oder wollen Sie sich lieber zurücklehnen und sagen: Das Anerkennungsgesetz ist da; man soll sein Glück probieren; wenn man es schafft, ist es gut, und wenn nicht, ist es auch nicht schlecht, denn dann haben wir nichts damit zu tun. Wollen Sie wieder ganz passiv zuschauen oder wollen Sie in diesem Bereich aktiv arbeiten?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Herr Herr, Sie bringen das Beispiel mit den Spätaussiedlern. Es war auch schon vorher so, dass ein sogenannter Russlanddeutscher seinen Berufsabschluss hier in Deutschland hätte anerkennen lassen und dann arbeiten können.

Die Tatsache, dass so wenige ihre Berufsabschlüsse anerkannt bekommen haben, zeigt, dass hier eine gewisse Unterstützung notwendig ist.

Diese Unterstützung haben Sie heute hier nicht konkreter dargestellt. Ich weiß gar nicht, ob Ihnen das Problem wirklich bewusst ist. Schauen Sie sich die Akteure an, beispielsweise die Industrie- und Handelskammern und die Handwerkskammern. Die haben sich ganz früh an die Arbeit gemacht und angefangen, ihre Anlaufstellen deutschlandweit umzustrukturieren.

Die Industrie- und Handelskammer hat ihre zentrale Anlaufstelle in Nürnberg benannt. Die Handwerkskammern haben deutschlandweit fünf verschiedene Anlaufstellen organisiert – jede land- und berufsbezogen. –. Alle sogenannten Facheinrichtungen und Kammern sind vorbereitet. Der Einzige, der nicht darauf vorbereitet ist, scheint das Land Hessen zu sein. Meine Damen und Herren, das ist wieder einmal typisch.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE) – Widerspruch des Abg. Dr. Norbert Herr (CDU))

Meine Damen und Herren, es geht gar nicht darum, dass wir Sie mehr oder weniger ärgern wollen oder wie auch immer. Uns geht es wirklich darum, dass wir bei einem Thema, bei dem es einen Konsens gibt, wirklich schnell mit Vorschlägen aufwarten – damit Menschen, die davon betroffen sind, sowohl ihre Anlaufstellen kennenlernen als auch sich bei der Nach- und Weiterqualifizierung Unterstützung holen können. Denn die Zahl derer, die hoch qualifiziert sind, aber in Hessen unter ihrer Qualifikation arbeiten, ist relativ hoch. Je eher Hessen mit innovativen und guten Ideen einen ersten Schritt tut, desto besser ist das für unser Land. Daher habe ich die Hoffnung, dass die Ministerin – je nachdem, wer hier die Federführung hat – in ihrem Redebeitrag gleich einmal substanzielle Aussagen trifft und nicht nur Schaumschlägerei betreibt. Meine Damen und Herren, davon haben wir heute genug gehabt. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Vizepräsidentin Sarah Sorge:

Herzlichen Dank.