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06.09.2012

Mürvet Öztürk: Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen

Sehr verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch wir, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, möchten es begrüßen, dass der Gesetzentwurf endlich in Hessen vorgelegt worden ist. Auch wir haben seit Jahren darauf gedrängt und gesagt: Wenn wir hier die Anerkennung der im Ausland erworbener Qualifikationen vorantreiben wollen, müssen wir handeln.

Mein Kollege Bocklet hat in einem Antrag schon damals eine unabhängige Beratungsstelle gefordert. Ich habe eine kleine Anfrage vorgelegt, wo wir noch einmal auf die Fehlentwicklung hingewiesen haben. Wichtig ist, dass wir hier einfach, wenn wir die Herausforderung der Zukunft, nämlich die Beseitigung des Fachkräftemangels und die Teilhabe der Menschen mit Migrationshintergrund fördern wollen, an einem Strang ziehen müssen und dass dies auf der einen Seite in Hessen nur durch Zuwanderung und durch die Nutzung der Potenziale – auch der Menschen mit Migrationshintergrund – auf der anderen Seite bewältigt werden kann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, denn die Diskussion um den Fachkräftemangel ist längst keine theoretische mehr. Wir haben gestern in verschiedenen Beiträgen erfahren, dass der Mangel in vielen Fach- und Berufsbereichen schon dringlich zu spüren ist, z. B. in den Pflegeberufen, bei den Ärzten und den Facharbeitern. Es ist in den Regionen Hessens teilweise so deutlich spürbar, dass es davon abhängt, ob Hessen in Zukunft wettbewerbsfähig ist, ja oder nein.

Wir haben auch erfahren, dass beispielsweise in den Pflegeberufen im Jahre 2010 allein in Hessen 15.000 Menschen gesucht worden sind. Die IHK hat auch darauf hingewiesen, dass ab dem Jahr 2015 jährlich ca. 147.000 Fachkräfte in Hessen fehlen werden. Von daher ist dieses Gesetz ein längst überfälliges, sowohl auf der Bundes- als auch auf der Landesebene, denn wir möchten in Erinnerung rufen, dass wir seit 2007, seitdem der Nationale Integrationsplan vorliegt, genau über diese Thematik streiten, wie Hürden abgebaut werden können, sodass auch Menschen aus dem Ausland mit ihren Qualifikationen fachgerecht in unseren Arbeitsmarkt integriert werden können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die zahlreichen Beispiele des taxifahrenden Ingenieurs aus dem Iran oder des Arztes aus Indien, der in Krankenhäusern putzt, kennen wir. Auch ich möchte von Einzelbeispielen berichten, mit denen wir uns auch im Petitionsausschuss beschäftigt haben, wo beispielsweise ein Zahnarzt über zwei Jahre lang von dem Petitionsausschuss begleitet werden musste, um endlich seine Approbation zu bekommen, um jetzt erfolgreich seine Zahnarztpraxis in Hessen führen zu können.

Das sind alles Einzelbeispiele; die kennen wir. Durch die gesetzliche Regelung, die jetzt auf Bundesebene vorgegeben wurde, haben wir die Hoffnung, dass wir dieser Situation Abhilfe schaffen können. Ich möchte aber auch darauf hinweisen, dass das Land Hessen nun die Gelegenheit hat, die Vielzahl der Menschen mit ausländischen Abschlüssen so zu unterstützen, dass ihre Fähigkeiten optimal genutzt und eingesetzt werden können. Von daher ist dieses Gesetz wichtig. Ich möchte aber auch sagen, dass dieser Gesetzentwurf weit hinter seinen Möglichkeiten zurückfällt und die Chance nicht richtig ergreift, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Man hätte in diesem Gesetzentwurf durchaus eigene Akzente setzen können. Das Berufsgesetz gibt diese Möglichkeit. Man hätte durchaus darüber nachdenken können, ob man beispielsweise bei der Anpassungsqualifizierung ein Stipendienprogramm aufsetzt, zumindest für die Berufe, die Mangelberufe sind, oder ein BAföG-Programm, damit die Abschlüsse der Menschen, die die Teilqualifizierung haben, über die Weiterbildung und Nachqualifizierung begleitet werden können.

Wir GRÜNE würden schon gerne gemeinsam mit Ihnen an einem Strang ziehen. Aber es ist auch wichtig, dass Sie einsichtig sind und dass Sie die Beratung des Gesetzentwurfs nutzen, um die enthaltenen Schwächen auszugleichen. Wir werden bei den Beratungen des Gesetzentwurfs unseren Schwerpunkt darauf setzen, zu erreichen, dass die Kosten und Gebühren die Menschen nicht daran hindern, ein Anerkennungsverfahren einzuleiten. Wir möchten gern, dass Ratsuchende und Antragsteller ausreichende Angebote bei ihrer Beratung und Begleitung bekommen. Wir möchten gerne, dass die Anpassungsqualifizierung und Kurse für berufsbezogenes Deutsch ausgebaut und erweitert werden – auch das ist ein wichtiger Punkt – und dass vor allem die Kompetenzfeststellungsverfahren und die Anerkennung von Teilqualifizierungen insgesamt möglich gemacht werden. Denn nur so, liebe Freundinnen und Freunde, meine Damen und Herren, werden wir es schaffen, den Menschen, die das Potenzial mit sich bringen, ausreichende Unterstützung zu gewähren, und dann werden wir auch die vorhandenen Potenziale nutzen können. Denn es geht um etwas Wichtiges: Es geht um die Arbeitsmarktintegration der Menschen mit Migrationshintergrund. Das ist eine Teilhabeform, die wir endlich realisiert wissen wollen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Landesregierung war schnell, aber nicht sehr gut, sage ich einmal.

(Zuruf des Abg. Dr. Rolf Müller (Gelnhausen) (CDU))

Da wir aber noch die Möglichkeit haben, im Rahmen der Anhörung die eine oder andere Schwäche auszugleichen, bin ich positiver Dinge. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und hoffe, dass wir ein gutes Gesetz beschließen werden, das zum Wohle und im Interesse des Landes Hessen und seiner Menschen sein wird. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Heike Habermann (SPD) und Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Vizepräsident Heinrich Heidel: 

Schönen Dank, Frau Öztürk.