Inhalt

31.03.2009
Portraitfoto von Mathias Wagner vor grauem Hintergrund.

Mathias Wagner zum Antrag UN-Konvention umsetzen – Gemeinsamen Unterricht von Schülerinnen und Schülern mit und ohne Behinderung von der Ausnahme zur Regel machen

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will gerade nach dem Beitrag vom Herrn Kollegen Schork noch einmal sagen, worum es geht. Die Bundesrepublik Deutschland – der Bundesrat und der Bundestag – hat die UN-Konvention, das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, unterzeichnet. Dort heißt es in Art. 24:

Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung. Um dieses Recht ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit zu verwirklichen, gewährleisten die Vertragsstaaten ein integratives Bildungssystem auf allen

Ebenen …

(Beifall des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Andere Übersetzungen sprechen sogar von einem „inklusiven Bildungssystem“. Herr Kollege Schork, dazu hat sich die Bundesrepublik Deutschland, haben sich die Bundesländer verpflichtet. Die einzige Frage ist jetzt: Wie setzen wir das um? Es geht nicht mehr um das Ob, es geht um das Wie.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Nach der Rede des Kollegen Schork und auch nach dem Antrag, der hier vorliegt, muss ich nur mit großem Bedauern feststellen, dass ein Teil dieses Hauses das Ob bestreitet, dass ein Teil dieses Hauses gar nicht über das Wie reden will, sondern das Ob bestreitet. Das finde ich sehr bedauerlich; denn eigentlich waren wir mit dem Beschluss des Bundestages und des Bundesrates einen Schritt weiter. Zwei Fraktionen gehen hier wieder einen deutlichen Schritt zurück.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der LINKEN)

Wenn Sie die inklusive Beschulung von Schülerinnen und Schülern mit und ohne Behinderungen nicht wollen, dann sagen Sie das doch hier ganz klar, und machen Sie keine Arabesken. Dann sagen Sie, dass Sie das nicht richtig finden. Meine Fraktion findet es richtig. Deshalb legen wir Ihnen heute einen Antrag vor, mit dem wir Punkt für Punkt, Schritt für Schritt zeigen, wie wir die UN-Konvention in Hessen endlich umsetzen können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wir schlagen Ihnen als ersten Schritt vor, dass wir die Stellen für den gemeinsamen Unterricht weiter ausweiten. Wir alle kennen die Realität in Hessen. Die Stellen wurden deutlich gekürzt. Es gibt schon jetzt eine wesentlich höhere Nachfrage, als es ein Angebot gibt. Deshalb müssen wir diese Stellen Schritt für Schritt ausweiten, damit wir der Nachfrage nachkommen.

29 Aber wir müssen ein Zweites tun, und das ist der systemische Schritt, den wir gehen müssen. Wir müssen dorthin kommen, dass der GU von der Ausnahme zur Regel wird, dass der gemeinsame Unterricht von Schülerinnen und Schülern mit und ohne Behinderungen die Regel wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Dann können wir darüber entscheiden, ob es in einzelnen Fällen, wo die Eltern es wünschen, die Ausnahme von der Regel gibt. Derzeit haben wir genau das umgekehrte Prinzip. Die gemeinsame Beschulung ist die Ausnahme, und die Beschulung an den Förderschulen ist die Regel. Das wollen wir umkehren, und dazu sollte sich dieser Hessische Landtag heute bekennen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Wir wollen die Umkehrung dieses Prinzips zunächst in einem Schulträgerbezirk erproben, damit wir dort Erfahrungen machen. Dass sich Offenbach-Land mit einem Modellversuch auf den Weg macht, begrüßen wir ausdrücklich. Für unseren Geschmack dürften es noch mehr Schulträger sein. Auf der Grundlage dieser Erfahrungen wollen wir dann den nächsten Schritt gehen und es in ganz Hessen machen. Wir finden, das ist ein klares Konzept, ein umsetzbarer Stufenplan.

An die Kollegen der LINKEN kann ich nur sagen: Wer selbst kein eigenes Konzept hat, sollte an den Konzepten der anderen nicht herumnörgeln.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist unsere klare Zielsetzung. Wir wollen den gemeinsamen Unterricht von Schülerinnen und Schülern mit und ohne Behinderungen. Wir wollen, dass er die Regel in Hessen wird. Schritt für Schritt wollen wir das umsetzen. Ich bin einigermaßen überrascht über den Antrag, den CDU und FDP hier vorlegen. Wir reden hier über das Recht auf gemeinsame Beschulung, aber Sie legen einen Antrag vor, in dem Sie beschreiben, wie Sie die Beratungs- und Förderzentren ausweiten wollen, also nicht die integrative Beschulung, sondern die Beschulung in gesonderten Schulen.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Dann haben Sie den Sinn von Förderzentren nicht verstanden!)

Das kann es nicht sein. Herr Kollege Irmer, Sie sagen zum Versuch Ihres eigenen CDU-Landrats in Offenbach-Land, Sie wollen das begleiten und anschließend ergebnisoffen evaluieren. – Selbst in Ihrer eigenen Partei sind die Leute doch längst viel weiter und haben erkannt, dass die inklusive Beschulung richtig ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann kommt das Beste in Ihrem Antrag. Sie wollen Schülerinnen und Schülern an Schulen für Lern- und Erziehungshilfe den Hauptschulabschluss ermöglichen. Darf ich Sie daran erinnern, dass der gesetzliche Auftrag der Lern- und Erziehungshilfeschulen die Integration in die Regelschule ist und nicht der dauerhafte Verbleib an diesen Schulen? Es ist das genaue Gegenteil von Inklusion, was Sie hier beschreiben, meine Damen und Herren von der Union.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Es geht darum, ein klares Signal zu setzen: Dieses Bundesland will hin zur inklusiven Beschulung. Es liegen klare Vorschläge vor, wie wir dorthin kommen können. Ich hoffe, dass wir in den Ausschussberatungen ein gutes Stück weiter kommen, sodass sich Hessen auf den Weg macht, dass alle Schülerinnen und Schüler mit und ohne Behinderungen gemeinsam unterrichtet werden können. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Kontakt