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07.10.2009
Portraitfoto von Mathias Wagner vor grauem Hintergrund.

Mathias Wagner zu: Schulsozialarbeit endlich auf den Weg bringen – Engagement der Kommunen nicht ins Leere laufen lassen

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Schon oft haben wir in diesem Haus über die Bedeutung von Schulsozialarbeit gesprochen – man kann das nicht oft genug betonen. Oft haben wir hier über die Fraktionsgrenzen hinweg geredet. Die Situation an unseren Schulen hat sich verändert. Die Aufgabe ist anspruchsvoller geworden. Schülerinnen und Schüler kommen heute mit anderen Voraussetzungen in die Schule. Schule muss neue Antworten finden und sehr viel mehr als bisher auch erzieherische Aufgaben übernehmen. Schule muss auch stärker als früher das familiäre Umfeld von Schülerinnen und Schülern mit in den Blick nehmen.

Genau dafür brauchen wir Schulsozialarbeit. Genau dafür brauchen Lehrerinnen und Lehrer an unseren Schulen die Unterstützung durch Schulsozialarbeiterinnen und -sozialarbeiter: damit sie Schülerinnen und Schülern in ihrer Vielfalt gerecht werden und wirklich alle Schülerinnen und Schüler individuell fördern können.

Ich frage mich: Warum ist das, worüber wir uns hier in diesem Haus über die Fraktionsgrenzen hinweg in sehr vielen Debatten der vergangenen Zeit, der vergangenen Jahre einig waren, jetzt auf einmal nicht mehr Konsens – wenn es darum geht, das konkret umzusetzen?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Alle Fraktionen dieses Hauses haben die Bedeutung der Schulsozialarbeit betont. Allen Fraktionen dieses Hauses unterstelle ich zunächst, dass sie es damit ernst gemeint haben und auch bereit waren, entsprechende Mittel dafür zur Verfügung zu stellen.

Ich bin Herrn Staatsminister Banzer ausdrücklich dafür dankbar, dass er im vergangenen Jahr einen konkreten Finanzierungsvorschlag gemacht hat, einen konkreten Umsetzungsvorschlag – wie wie das, was im letzten Jahr noch alle Fraktionen wollten, also auch FDP und CDU, nämlich die Schulsozialarbeit tatsächlich finanzieren können. Herr Banzer hat gesagt: Lasst uns die Kosten aufteilen: ein Drittel Land, ein Drittel Schulträger, ein Drittel Kommune.

Das ist deshalb schlau, weil es ein finanziell anspruchsvolles Projekt auf drei Schultern verteilt. Inhaltlich ist es unglaublich schlau, weil es endlich die drei Akteure zusammenbringt, die bei der Schulsozialarbeit auch zusammenarbeiten müssen.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Meine Damen und Herren, das ist ein völlig sinnvolles und gutes Modell.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Frau Ministerin Henzler, wir müssen schon etwas erstaunt feststellen, wie Sie sich als neue Ministerin zu dem äußern, was alle Fraktionen in diesem Hause noch vor einem Jahr wollten und wozu es von Herrn Staatsminister Banzer einen konkreten Vorschlag zur Umsetzung gibt. Wir müssen beispielsweise in der „HNA“ vom 5. September 2009 lesen, dass das, was Herr Banzer angefangen hat, nämlich Verträge zur Drittelfinanzierung zur Schulsozialarbeit zu schließen, illegal sei. Die Überschrift der „HNA“ vom 5. September heißt: „Verträge waren illegal“.

Frau Ministerin, wie groß muss Ihre inhaltliche Not eigentlich sein, dass Sie dem damals amtierenden Justizminister – zu dem Zeitpunkt, als er die Verträge geschlossen hat, war Herr Banzer Justiz- und geschäftsführender Kultusminister – unterstellen, er habe illegale Verträge geschlossen. Wie groß muss Ihre inhaltliche Not eigentlich sein, dass Sie zu solch falschen Behauptungen greifen, Frau Ministerin?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Sie mussten es mittlerweile zurücknehmen. In der „HNA“ vom 2. Oktober lesen wir: „Das Hessische Kultusministerium hat festgestellt, dass die von Schulamt, Kommunen, Schulen und Kreis getroffenen Vereinbarungen zur Schulsozialarbeit doch rechtsgültig sind.“

Frau Ministerin, dann sind wir nämlich beim entscheidenden Punkt – Herr Banzer, wir haben es schon immer gewusst; wir haben Sie schon immer verteidigt; Sie haben da nicht immer die Unterstützung der Koalition, aber in dieser Frage haben Sie die unsrige –: Sie wollen das politisch nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zurufe von der FDP)

Wenn man etwas politisch nicht will, dann soll man sich nicht hinter juristischen Winkelzügen verstecken und dem früheren Justizminister dieses Landes illegale Verträge unterstellen, sondern muss den Mumm und den Mut haben, den Schulen zu sagen: Ich will das politisch nicht. Diese Klarstellung hat Ihr Staatssekretär dem Landkreis Waldeck-Frankenberg im Übrigen bereits am 13. August – also schon vor Ihren verwirrenden Zeitungsinterviews – in erfrischender Offenheit mitgeteilt. Ich zitiere aus einem Schreiben an den Ersten Kreisbeigeordneten:

Die Hessische Landesregierung wird nicht in eine direkte eigene landesweite Mitfinanzierung der Schulsozialarbeit eintreten können. Dies verbietet sich schon aus den zwingenden Gründen der Haushaltskonsolidierung, die in den nächsten Jahren auch ganz besonders auf das Land Hessen zukommen wird.

War da nicht irgendetwas mit Schwerpunktsetzung auf Bildung im Haushalt? – Offenkundig nicht, meine Damen und Herren!

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Frau Ministerin, Herr Staatssekretär

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

– Herr Kollege Rentsch –, dieses Argument ist doppelt kurzsichtig. Ich habe auf die inhaltliche Bedeutung der Schulsozialarbeit hingewiesen. Ich habe darauf hingewiesen, wie sinnvoll es ist, wenn Land, Schulträger und Kommunen gemeinsam an diesem Thema arbeiten.

(Zuruf des Abg. Wolfgang Greilich (FDP))

Meine Damen und Herren, wir als Haushaltsgesetzgeber können den Euro nur einmal ausgeben.

(Zuruf des Abg. Wolfgang Greilich (FDP))

Das ist richtig. Deshalb geht es im Landeshaushalt um Prioritätensetzungen. Wir haben aber bei der Schulsozialarbeit, bei der Drittelfinanzierung die Chance, aus einem Euro Landesgeld drei Euro für die Arbeit der Schulen zu machen, eben weil wir zwei Partner haben, die mitfinanzieren wollen.

Meine Damen und Herren, gerade angesichts knapper Haushalte muss das für uns doch eine Gelegenheit sein, die wir ergreifen wollen. Wir können aus einem Euro drei Euro für die Arbeit der Schulen machen. Die Kommunen haben in ihren Haushalten die Gelder eingesetzt: in Waldeck-Frankenberg, im Schwalm-Eder-Kreis, in Frankfurt, im Main-Kinzig-Kreis, im Hochtaunuskreis und in vielen weiteren Landkreisen. Die Gelder sind auf kommunaler Ebene da. Durch ihre falsche Prioritätensetzung sorgen Sie dafür, dass diese Gelder jetzt eben nicht für die Schulen ausgegeben werden. Das ist finanzpolitisch und inhaltlich völlig falsch, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Ich will Ihnen das sehr konkret vorrechnen, und weil der Landeshaushalt noch nicht verabschiedet ist, will ich auch bei den Kolleginnen und Kollegen der CDU – ich sehe, Herr Kollege Beuth ist schon ins Nachdenken gekommen –

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der SPD)

sehr konkret dafür werben.

Meine Damen und Herren, ich will bei Ihnen für die Idee werben, dass wir im Landeshaushalt, der ein Gesamtvolumen von rund 20 Milliarden Euro hat, schauen, ob wir bei 20 Milliarden Euro 3 Millionen Euro finden – nicht 3 Millionen Euro zusätzlich, das ist keine Wünsch-dir-was-Politik –, die wir für die Schulsozialarbeit ausgeben und damit als Land unseren Anteil für die Drittelfinanzierung erbringen. Dann können wir durch die Kofinanzierung aus diesen 3 Millionen Euro 9 Millionen Euro für die Arbeit der Schulen machen. Das wären rund 250 Stellen für die Schulsozialarbeit. In jedem Landkreis und jeder Stadt wären das rund zehn Stellen für die Schulsozialarbeit. Das ist nicht das, was man sich wünschen kann, aber es wäre ein bedeutender Anfang. Es würde die vielen Kommunen, die sich auf den Weg gemacht haben und die die Gelder in ihren Haushalten stehen haben, in die Lage versetzen, das auch wirklich zu machen.

Meine Damen und Herren von CDU und FDP, ich appelliere noch einmal an Sie – das steht auch in unserem Antrag –: Lassen Sie uns in einem Landeshaushalt von 20 Milliarden Euro gemeinsam auf die Suche nach 3 Millionen Euro gehen, um endlich ein riesen Stück in Richtung Schulsozialarbeit zu gehen.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Herr Kollege Milde, ich bin zu jedem Gespräch mit Ihnen bereit. Wir gehen wirklich jeden Einzelplan gemeinsam durch. Sie können der interessierten Öffentlichkeit aber nicht erzählen, dass es mit dem entsprechenden politischen Willen nicht möglich wäre, in einem 20-Milliarden-Euro-Haushalt 3 Millionen Euro umzuschichten. Wahrscheinlich hat Herr Banzer den Vorschlag nicht ohne Grund gemacht. Er kann rechnen; er weiß, dass das sehr gut möglich gewesen wäre.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Meine Damen und Herren, der Vorschlag von CDU und FDP des vorliegenden Antrags, dass es die Schulen aus ihrem Budget nehmen sollen, wenn sie etwas für die Schulsozialarbeit machen wollen, greift schlicht und ergreifend zu kurz. Man kann nur etwas aus einem Budget nehmen, das man hat. Die Ministerin hat dieser Tage der erstaunten Öffentlichkeit erklärt, dass auch zum Schuljahr 2010/2011 kein Einstieg in die einhundertfünfprozentige Lehrerversorgung stattfinden wird. Das heißt, die Schulen haben überhaupt keine Mittel, um im Jahr 2010/2011 in die Schulsozialarbeit einzusteigen. Deshalb appelliere ich noch einmal an Sie: Lassen Sie uns auf die Suche nach diesen 3 Millionen € gehen.

Herr Banzer, Sie wissen, wir hätten uns gewünscht, dass die Kultusministerin in dieser Legislaturperiode Priska Hinz geheißen hätte.

(Zurufe von der FDP)

– Das hätten wir uns gewünscht. Aber da die Wählerinnen und Wähler das anders entschieden haben, sage ich zum Schluss meiner Rede: Wir würden uns aber mittlerweile Sie zurückwünschen. Das wäre immerhin ein Anfang; und das wäre besser, als die Kultusministerin, die wir jetzt haben. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Heinrich Heidel:

Schönen Dank, Herr Kollege Wagner.

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