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04.02.2014
Portraitfoto von Mathias Wagner vor grauem Hintergrund.

Mathias Wagner zu: Regierungserklärung des Ministerpräsidenten Bouffier "verlässlich gestalten – Perspektiven eröffnen"

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Schäfer-Gümbel, Sie haben mit dem Dschungelcamp geschlossen. Das ist jetzt eine große Verlockung. Sie haben gesagt, die Regierungsfraktionen würden sich damit beschäftigen, wie im Dschungelcamp, wer wann welche Kröte schlucken kann. Wenn ich die Teile Ihrer Rede zusammenfasse, dann würde ich sagen, sie hat auch etwas mit dem Dschungelcamp gemeinsam, nämlich den Ruf: Ich bin in der Opposition, holt mich hier raus.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ich kann das sehr gut verstehen. Ich kann mich sehr gut an die Tage im November letzten Jahres erinnern, als die Entscheidung nach den Sondierungen getroffen wurde, wer mit wem koaliert. Es war völlig klar, dass das sehr schwierige Entscheidungen waren. Es war klar, dass es Entscheidungen geben wird, dass die einen an der Regierung beteiligt werden und die anderen nicht. Das hätte alles auch anders ausgehen können. Es hätte auch sein können, dass der Hessische Landtag in einer Großen Koalition zusammenkommt. Dann wäre es uns ähnlich gegangen wie Ihnen. Deswegen habe ich ausdrückliches Verständnis für Ihre Haltung, die Sie hier artikuliert haben.

Herr Schäfer-Gümbel, wenn wir uns einen Moment lang überlegen, diese Tage im November wären anders ausgegangen, und Sie hätten jetzt hier stehen und erklären müssen, warum Sie manche Sachen anders sagen als noch vor einem Jahr, warum Sie Kompromisse eingehen mussten und warum Sie manche Sachen nicht mehr machen können, dann sind wir uns doch einig, dass dann von Ihrer Rede nur noch die Hälfte übrig bleibt. Wir sollten uns doch nicht gegenseitig vorwerfen, dass wir in Koalitionen Kompromisse eingehen müssen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf von der SPD)

Meine Damen und Herren, eine Regierungserklärung ist immer besonders. Sie ist nochmals besonders, wenn es sich um die erste Regierungserklärung einer schwarz-grünen Koalition in einem Flächenland handelt. Wer vor einem Jahr gewettet hätte, wer heute die Regierungserklärung in welcher Konstellation hält, und jemanden gefunden hätte, der diese Wette annimmt, wäre heute sehr reich. Diese Quoten wären exorbitant hoch gewesen.

Wie sah die Lage vor einem Jahr aus? Die Umfragen sagten eine klare Mehrheit für Rot-Grün voraus. Schwarz-Gelb war weit abgeschlagen, und ob DIE LINKE überhaupt im Parlament vertreten sein würde, das konnte vor einem Jahr keiner wissen. Dann kam die Landtagswahl und alles war anders.

Ich habe es eben schon einmal angesprochen. Wir hatten eine sehr intensive Phase der Sondierungen. Es bestreitet doch niemand im Haus, dass aus unterschiedlichen Gründen und aus unterschiedlichen Argumenten am Ende nur noch die Entscheidung zwischen einer Großen Koalition und Schwarz-Grün gefällt werden konnte. So war die Situation.

Ich habe die herzliche Bitte: Wenn das die Situation ist, und wenn auch die Kolleginnen und Kollegen der SPD bereit waren, in eine Koalition, eine neue schwierige Konstellation zu gehen, dass wir uns das nicht gegenseitig vorwerfen, diesen Schritt gemacht zu haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir alle im Landtag hatten vor der Wahl andere Konstellationen vor Augen. Wir GRÜNE haben schon im Wahlkampf und dann in den Sondierungsgesprächen und in den Koalitionsverhandlungen einen Gradmesser angelegt, der lautete: Ist es möglich, in einer Konstellation, mit wem auch immer, genug von unseren Inhalten zu verwirklichen? Ist es möglich, Hessen grüner und gerechter zu machen? – Meine Damen und Herren, auf Basis dieses Koalitionsvertrages ist es möglich, Hessen grüner und gerechter zu machen. Genau deshalb sind wir diese Konstellation eingegangen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir haben uns in diese Konstellation getraut, während andere sich nicht getraut haben. Ich werfe das der FDP und der Linkspartei nicht vor. Sie beide konnten oder wollten aus unterschiedlichen Gründen nicht in Regierungsverantwortung gehen.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Meine Damen und Herren, dann sollten Sie aber das Tremolo etwas gegenüber denjenigen senken, die das Wahlergebnis ernst genommen und sich dieser Verantwortung gestellt haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Wir haben uns getraut, eine schwarz-grüne Koalition einzugehen, aber wir sind nicht miteinander verheiratet. Wir bleiben zwei unterschiedliche Parteien. Wir vertreten unterschiedliche Inhalte. Wir haben aber die Kraft gefunden, für unser Bundesland für fünf Jahre zu beschreiben, was wir gemeinsam vorhaben.

In dieser lagerübergreifenden Konstellation kann ja vielleicht auch eine Chance liegen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Es kann vielleicht darin eine Chance liegen, dass man jetzt genauer hinhört, was in diesem Landtag gesagt wird, dass Dinge noch weniger danach beurteilt werden, welche Partei oder welche Fraktion darüber steht, dass weniger nach Ideologien und mehr nach Inhalten entschieden wird. Wenn es das wäre, was diese schwarz-grüne Koalition für sich, aber auch für den Landtag insgesamt bewirkt, dann hätte es sich auch schon deshalb gelohnt, diese Koalition einzugehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir wollen Hessen grüner und gerechter machen. Deshalb sind wir diese Koalition eingegangen und deshalb haben wir Volker Bouffier und dem Kabinett das Vertrauen ausgesprochen – und ja, meine Damen und Herren, es fühlt sich doch ungewohnt oder komisch oder merkwürdig an, wenn man in Hessen einen Wahlvorschlag für den Landtag bekommt, über dem nicht nur CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stehen, sondern auch noch Volker Bouffier zur Wahl des Ministerpräsidenten vorgeschlagen wird. Das fühlt sich ungewohnt an. – Herr Bouffier, ich kann Ihnen sagen: Wir haben es in den vergangenen 17 Tagen noch nicht bereut, Sie gewählt zu haben, und wir wollen gemeinsam daran arbeiten, dass es auch so bleibt.

(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Hessen grüner und gerechter machen – was heißt das konkret? Wir wollen eine Umweltpolitik, die die Reichhaltigkeit und Schönheit unserer Natur, unserer Wälder und Landschaften für uns und unsere Kinder erhält. Wir werden ein Klimaschutzkonzept voranbringen, damit auch Hessen seinen Beitrag zum Klimaschutz leistet, damit wir die Erderwärmung stoppen können und um zu verhindern, dass sie immer schlimmer wird. Wir werden von Hessen aus die Welt nicht retten, aber wir wollen unseren Beitrag dazu leisten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir wollen die ökologische Landwirtschaft voranbringen – nicht im Konflikt mit den konventionellen Landwirtinnen und Landwirten, sondern als wichtige Ergänzung und auch als Anspruch dessen, was die Verbraucherinnen und Verbraucher in unserem Land immer mehr nachfragen. Deshalb wollen wir den Bäuerinnen und Bauern diesen Weg ermöglichen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir wollen für mehr Verbraucherschutz sorgen und wir wollen unsere Wälder schützen. Wir haben das ehrgeizige Ziel, 5 Prozent des Waldes in unserem Land sich selbst zu überlassen, damit dort die Urwälder der Zukunft wachsen, damit diese Wälder naturbelassen bleiben, damit auch unsere Kinder sehen, wie sich ein Wald entwickelt, der nicht bewirtschaftet wird. Wir wollen das Zertifikat für den Staatswald einführen – FSC, für diejenigen, die sich auskennen –, weil wir um die Bedeutung des Waldes für die Erholung und die Natur in unserem Land wissen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Wer hätte vor Kurzem noch gedacht, dass CDU und GRÜNE gemeinsam beschließen, dem Europäischen Netz gentechnikfreier Regionen beizutreten? – Das ist doch ein schöner Erfolg und ein Fortschritt für die Landespolitik.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Wir werden dem Tierschutz neue Bedeutung geben und einem Anliegen der Kollegin Ursula Hammann Nachdruck verleihen, endlich eine Stiftung Tierschutz zu bekommen, aus der dann unbürokratisch und schnell den vielen Initiativen in diesem Bereich geholfen werden kann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Und wir wollen, dass die Werra wieder ein Süßwasserfluss wird – so banal uns so einfach es auch klingt, aber das wollen wir erreichen. Dafür lohnt es sich doch, in einer Regierung zu arbeiten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Frau Ministerin Hinz, ich bin mir sicher, die Themen Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz sind bei Ihnen in erfahrenen und guten Händen. Ich erlaube mir die Bemerkung, dass die Herausforderungen in diesem Bereich während der vergangenen 15 Jahre auch nicht kleiner geworden sind. Diese Bemerkung sei mir erlaubt.

Wir wollen Schulen und Hochschulen, in der alle Kinder – unabhängig vom Hintergrund und Geldbeutel ihrer Eltern – gleiche Chancen haben. Deshalb wollen wir einen Schulfrieden, Herr Schäfer-Gümbel, und laden hierzu auch ernsthaft alle im Landtag vertretenen Parteien sowie die bildungspolitischen Akteure ein. Deshalb wollen wie die Bildungs- und Betreuungsgarantie umsetzen, damit junge Menschen in der Grundschule von Anfang an besser gefördert werden können und Eltern Familie und Beruf endlich vereinbaren können. Wir wollen eben mehr Chancengerechtigkeit in unserem Land haben, und nicht weniger, weil endlich alle dabei sein und die Möglichkeit haben sollen, sich in unseren Bildungseinrichtungen verwirklichen zu können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir halten an 105 Prozent Lehrerversorgung in unserem Land fest. 105 Prozent – das gibt es in keinem anderen Bundesland. Das ist mehr als eine Zahl, meine Damen und Herren, denn mit diesen 5 Prozent über Grundunterrichtsversorgung können die Schulen tatsächlich Neues auf den Weg bringen, spezifische Förderprogramme umsetzen und für die soziale Gerechtigkeit sorgen, die Herr Schäfer-Gümbel will, die die CDU will und die BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN will.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir wollen an unseren Schulen längeres gemeinsames Lernen und Inklusion. Aber auch an den Hochschulen wollen wir den Hochschulpakt weiterentwickeln, um auf steigende Studierendenzahlen zu reagieren. Und angesichts dessen, was wir für die Fortentwicklung des Hochschulpakts vereinbart haben, was wir beim Hochschulbauprogramm HEUREKA vereinbart haben, was wir beim Forschungsprogramm LOEWE vereinbart haben, davon zu sprechen, wir würden dort kürzen – da muss man den Vertrag schon sehr mutwillig falsch lesen, Herr Schäfer-Gümbel.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Herr Minister Lorz, Herr Minister Rhein, seien Sie als zuständige Minister für den Kultus- und den Hochschulbereich versichert: Sie haben bei Ihren schwierigen Aufgabe uns GRÜNEN an Ihrer Seite. Da ich eine Vermutung habe, wie es in der Schlussphase von Schwarz-Gelb zugegangen ist, füge ich hinzu, dass dies keine Drohung des kleineren Koalitionspartners ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wollen ein soziales Hessen, in dem alle teilhaben können, Menschen in Not verlässlich geholfen wird und alle dazugehören. Mit dem Sozialbudget schaffen wir es endlich, dass die vielen Initiativen in unserem Land, die sich um Menschen in Not kümmern, die sich um Menschen kümmern, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen, die sich um Menschen in schwierigen Lebenslagen kümmern, endlich verlässlich finanziert werden und nicht von Haushaltsjahr zu Haushaltsjahr leben – das ist ein konkreter Beitrag zu mehr sozialer Gerechtigkeit in Hessen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir wollen mit der Fortsetzung des Bauprogramms und mit der Wiedereinführung der Fehlbelegungsabgabe die Wohnungssituation in unserem Bundesland entspannen. Und, zum Mitschreiben: Wir wollen ein Tariftreue- und Vergabegesetz, Herr Schäfer-Gümbel; auch das haben wir vereinbart – wenn Sie es im Vertrag nicht gefunden haben, sage ich es Ihnen jetzt noch einmal: Wir wollen ein Tariftreue- und Vergabegesetz in Hessen, weil wir anständige Arbeitsbedingungen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wie auch faire Wettbewerbsbedingungen für den Mittelstand in unserem Land haben wollen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Wir werden das Gleichberechtigungsgesetz novellieren, um die Förderung von Frauen in unserem Land zu verbessern. Bei all diesen und noch viel mehr Aufgaben wünschen wir Ihnen Erfolg, Fingerspitzengefühl und Fortune, Herr Minister Grüttner. Wir werden Sie dabei nach Kräften unterstützen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir wollen in der Wirtschafts- und Verkehrspolitik mit grünen Ideen schwarze Zahlen schreiben und ein verlässlicher Partner für Arbeitnehmer und Arbeitgeber sein. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Ich hätte mir vor einem Jahr, vor drei Monaten oder auch vor einem Monat noch nicht träumen lassen, dass die erste Amtshandlung des grünen Ministers für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung die sein wird, die Energiewende gegen den Bundeswirtschaftsminister der SPD zu verteidigen; ich hätte es mir nicht träumen lassen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir setzen uns für kleine und mittlere Unternehmen ein, auch für die Unternehmen, die bislang vielleicht nicht richtig im Fokus der Politik standen, beispielsweise in der Kreativwirtschaft. Wir wissen, dass eine erfolgreiche Energiewende nur dann gelingen kann, wenn wir auch eine Verkehrswende auf den Weg bringen, wenn wir Bussen, Bahnen, Radfahren, Carsharing, und dem Zufußgehen eine ganz andere Bedeutung einräumen, als es in unserem Land im Moment der Fall ist.

(Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken übernimmt den Vorsitz.)

Herr Minister Al-Wazir, als stellvertretender Regierungschef und mit den Zuständigkeiten für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung sind Sie in Hessen so etwas wie Sigmar Gabriel auf Bundesebene. Herr Minister Al-Wazir, ich bin mir jetzt schon sicher, Sie werden es sehr viel besser machen als Herr Gabriel auf Bundesebene.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir wollen eine Gesellschaft, in der keiner ausgegrenzt wird und jeder unabhängig von seiner Herkunft leben und lieben kann, wie sie oder er es mag. Dazu gehört eine Willkommenskultur für die Menschen, die in unser Land kommen, weil sie hier qualifizierte Jobs wahrnehmen, aber auch für diejenigen Menschen, die unser Land kommen, weil sie Schutz vor den Bedingungen in ihrem Land, Schutz vor Vertreibung, Schutz vor Diskriminierung in ihren Heimatländern suchen, auch eine Willkommenskultur für diejenigen Menschen, die Asyl in unserem Land begehren.

Wir wollen die Integrationskonferenz zu einem festen Beratungsgremium der Landesregierung machen, damit wir ein Stück weit wegkommen von dem, was in einzelnen Projekten durchaus erfolgreich begonnen wurde, hin zu einer strukturellen Förderung in unserem gesamten Land.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir wollen einen Aktionsplan für Akzeptanz und Vielfalt in Bezug auf die sexuelle Orientierung.

Meine Damen und Herren, ich hoffe sehr, dass wir uns diese Debatten, die zurzeit politisch in Baden-Württemberg über das Coming-out von Schwulen und Lesben in Schulen geführt werden, im Hessischen Landtag ersparen.

(Allgemeiner Beifall)

Wir sind froh, mit Jo Dreiseitel als Beauftragten der Landesregierung für Integration und Antidiskriminierung eine in diesen Fragen so erfahrene Person gewonnen zu haben. Lieber Herr Dreiseitel, wer diese Themen als Kommunalpolitiker in der vielfältigen Stadt Rüsselsheim so erfolgreich bearbeitet hat, der wird auch für unser Land Hessen erfolgreich arbeiten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Wir wollen Freiheit und Sicherheit in der richtigen Balance halten und die Rechte unserer Bürgerinnen und Bürger wahren und stärken. Dazu gehört die Verteidigung der Bürgerrechte. Aber es gehört auch eine aktive und gut ausgestattete Polizei dazu, die Bürgerinnen und Bürgern das Sicherheitsgefühl gibt, das sie brauchen.

Zur Polizei gehört auch, dass wir eine Kennzeichnungspflicht auf den Weg bringen, damit, wenn es einmal Probleme gibt – es gibt selten Probleme –, diese Probleme dann auch geklärt werden können, entweder um Beamtinnen und Beamte zu entlasten, was auch manchmal sein kann, oder um Verfehlungen, die es vielleicht vereinzelt gibt, nachgehen zu können. Auch das wollen wir in dieser Legislaturperiode auf den Weg bringen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Wir werden Konsequenzen aus dem NSU-Skandal ziehen und haben dafür vorgeschlagen, eine Regierungskommission einzusetzen.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Herr Schäfer-Gümbel, hier bitte ich einfach darum: Was ist an dem Ansatz falsch, wenn wir sagen, wir wollen das Problem angehen, wir wollen eine Kommission einsetzen, wir wollen einen konkreten Vorschlag machen und dann über diesen Vorschlag mit den anderen Fraktionen im Haus reden? Was ist daran eigentlich falsch? Wieso müssen wir auch bei diesem Thema über die Form streiten, statt über den Inhalt zu debattieren, Herr Schäfer-Gümbel? Ich begreife es nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

– Was ist das Problem?

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

– Herr Schäfer-Gümbel, wir haben kein Gespräch zurückgewiesen.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Nein, wir haben gesagt: Wir wollen gemeinsam mit Ihnen den Dialog suchen. Das wollen wir machen.

(Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Herr Schäfer-Gümbel, Sie vermuten und lesen im Koalitionsvertrag Sachen, die darin nicht stehen.

(Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))

– In dem Schreiben steht, dass wir auf Grundlage eines Konzepts mit Ihnen reden wollen. Was ist daran eigentlich falsch?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Zurufe der Abg. Nancy Faeser und Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Wir wollen das Quorum in der Härtefallkommission senken, um Menschen in Not in Einzelfällen humanitär helfen zu können. Der Verfassungskonvent ist heute schon angesprochen worden. All diese Bereiche, die ich erwähnt habe, fallen in die Verantwortung von Frau Ministerin Kühne-Hörmann und Herrn Minister Beuth. Wir wissen, angesichts der Herausforderungen unserer Zeit wird das nicht einfach, was Sie vor sich haben. Aber gemeinsam mit Ihnen wollen wir diese Themen bearbeiten.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Meine Damen und Herren, wir haben uns vorgenommen, am Ende dieser fünf Jahre den ersten Haushalt in der Geschichte unseres Bundeslandes ohne neue Schulden vorzulegen, zum ersten Mal seit 50 Jahren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir wollen dabei unsere Kommunen fair finanzieren, nicht nur schauen, wie sich das Land die Haushaltslage gestalten kann, sondern auch Verantwortung für die Kommunen übernehmen. Wir wissen, dass dafür schwierige Entscheidungen notwendig sein werden. Ich gehe später noch darauf ein. Wir wissen auch, dass die Einnahmen- und die Ausgabenseite dazu gehören. Beides gehört zusammen, die Einnahmenseite und die Ausgabenseite.

Herr Minister Schäfer, ich könnte es mir einfach machen und sagen: Einer muss für das Geld zuständig sein, die Aufgaben würden wir gerne Ihnen überlassen. – So einfach machen wir es uns nicht. Wir wollen gemeinsam mit Ihnen dieses große Ziel eines Haushalts ohne neue Schulden erreichen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Meine Damen und Herren, eine Regierung kann nicht funktionieren ohne eine Person, die das Ganze zusammenhält, die die Regierungsgeschäfte leitet und in den gebotenen kurzen Strichen erklärt.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

– In den gebotenen kurzen Strichen. – Herr Ministerpräsident Bouffier, Ihnen und den Ministern Puttrich und Wintermeyer an Ihrer Seite in der Staatskanzlei eine allseits glückliche Hand für unser Bundesland.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf des Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Mit dieser Regierung und den Fraktionen von CDU und GRÜNEN wollen wir Hessen grüner und gerechter machen. Aber, und das sage ich, Frau Wissler, auch an die Kolleginnen und Kollegen der Opposition: Wir sind uns selbst nicht genug. Wir reichen die Hand, um Dinge mit Ihnen gemeinsam zu gestalten. Wir wollen den ernst gemeinten Dialog. Wir wollen einen runden Tisch für Kinderbetreuung. Wir wollen über den Schulfrieden gemeinsam mit Ihnen reden. Wir wollen über den Verfassungskonvent sprechen, und wir wollen eine Fortsetzung des Energiegipfels für den Verkehrsbereich.

Meine Damen und Herren, hier verstehe ich die Reaktionen der Opposition nicht. Was ist daran falsch, wenn wir Sie in diesen Prozess einbinden? Was hätten Sie denn gesagt, wenn wir es anders gemacht hätten, wenn wir in den Koalitionsvertrag hineingeschrieben hätten: „So ist es, so wird es durchgestimmt, und was andere dazu sagen, ist uns egal“? Das haben wir nicht gemacht, weil gerade wir von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aus der Opposition wissen, was es für eine Erfahrung in der Opposition ist und dass es manchmal schlauer ist, zu versuchen, das ganze Haus zu einen. Was ist an diesem Ansatz eigentlich falsch?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wieso erwarten Sie von diesen Gesprächsangeboten, ohne dass bislang der konkrete Vorschlag vorliegt, nur Schlechtes? Herr Schäfer-Gümbel, ich habe bei Ihrer Rede genau zugehört. Sie unterstellen uns Sachen, wir wollten mit dem Schulfrieden irgendetwas diktieren, wir wollten Sie bei der NSU-Kommission nicht richtig einbinden, wir würden es beim Kinderförderungsgesetz nicht ernst meinen, wir würden den Verfassungskonvent nur als Showveranstaltung machen. Wie kommen Sie darauf, dass wir dieses Dialogangebot nicht ernst meinen?

(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Dann sagen Sie, wenn die Regierungsfraktionen und die Regierung Ihnen Gesprächsangebote machen, das sei eine Politik der langen Bank. Auch da frage ich wieder: Wenn wir es denn anders gemacht hätten, wenn wir es denn alleine gemacht hätten, dann wäre für Sie die Rolle der Reservebank geblieben. Wäre Ihnen das lieber gewesen? Ich glaube, auch nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Damit bin ich bei den Punkten, die Herr Schäfer-Gümbel in seiner Rede angesprochen hat und die er an dieser Koalition kritisiert hat. Ich will sehr genau darauf eingehen; denn ich finde den Ansatz von Herrn Schäfer-Gümbel, Politik lebt von Alternativen und von der Auseinandersetzung über Alternativen, ausdrücklich richtig.

Es ist keine Margaret-Thatcher-Koalition. Wir erinnern uns an Margaret Thatchers TINA-Politik: There is no alternative. – Nein, es gibt immer eine Alternative in der Politik. Das ist völlig richtig. Darüber sollten wir auch debattieren.

Herr Schäfer-Gümbel, aber vielleicht könnten wir uns nach drei oder vier Wochen dieses Spielchen sparen: Was habt ihr vor drei Wochen vertreten, oder was habt ihr vor einem Jahr vertreten? – Ich habe eingangs schon einmal erwähnt, das können wir wunderbar machen. Wir holen Ihre alten Beschlüsse aus Berlin heraus, was Sie vor der Großen Koalition gesagt haben, und halten Ihnen das alles vor. Herr Schäfer-Gümbel, wir alle wissen, wir sind unterschiedliche Parteien, wenn wir in Koalitionen gehen. Wir bleiben unterschiedliche Parteien, wenn wir in Koalitionen gehen. Und wir müssen Kompromisse machen. Wenn das Ihre einzige Freude bleiben sollte, uns das in den nächsten fünf Jahren vorzuwerfen,

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

dann ist uns nicht bange vor dem Regierungsgeschäft in unserem Land.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Sie werfen uns vor, der Koalitionsvertrag sei zu unkonkret. Dann machen wir doch jetzt einmal eine Blindverkostung. Ich lese Ihnen einmal drei Passagen aus dem Koalitionsvertrag vor:

Mit einer gezielten Förderung der Kinder unter Einbeziehung der Eltern, dem weiteren Ausbau von Kitas zu Eltern-Kind-Zentren und der Einbindung von älteren Menschen in die Arbeit von Kindertageseinrichtungen für ein generationenübergreifendes Miteinander wird die frühkindliche Bildung qualitativ ausgebaut.

Nächstes Zitat:

Angesichts des rasanten gesellschaftlichen Wandels (Demografie, Digitalisierung, Integration etc.) sollte die kulturelle Infrastruktur in Deutschland fortentwickelt, modernisiert und an die neuen Herausforderungen angepasst werden.

Drittes Zitat, mein absolutes Highlight:

Die Zeiten sind nicht einfach. Doch die Vergangenheit hat gezeigt, dass wir in Sachsen schwierige Situationen erfolgreich meistern. Das gibt uns die Kraft und Zuversicht für neue Herausforderungen.

Herr Schäfer-Gümbel, ich bekenne mich voll schuldig im Sinne der Anklage: wahnsinnig unkonkrete Aussagen eines Koalitionsvertrages. – Keine Aussage aus dem Koalitionsvertrag hier von Schwarz-Grün in Hessen: Das Erste war die rot-rote Koalition in Brandenburg als Grußadresse an die Kolleginnen und Kollegen der LINKEN. Das Zweite war der Koalitionsvertrag der Großen Koalition in Berlin. Und das Dritte war Sachsen unter Schwarz-Gelb – eine solche Koalition haben wir noch.

Ja, Koalitionsverträge sind manchmal unkonkret. Ist das der einzige Gegenstand der Auseinandersetzung hier im Hessischen Landtag?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Dann wird es spannend im Sinne der Alternativen bei der Haushaltspolitik, Herr Schäfer-Gümbel. Was haben wir da an Vorwürfen: Wir haben zu wenig gespart mit dem, was wir im Koalitionsvertrag vorhaben; wir haben gleichzeitig an den falschen Stellen gespart, und wir haben zu viel beim Personal gespart.

Das kann alles ja richtig sein. Aber eine Frage ersparen wir den LINKEN, der SPD und der FDP nicht, ganz im Sinne von dem, was Thorsten Schäfer-Gümbel gesagt hat: Was ist Ihre Alternative?

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Benennen Sie die Alternative zu dieser Politik.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Es gibt immer Alternativen zu dieser Politik.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Nur haben wir in der Haushaltspolitik nicht so wahnsinnig viele Stellschrauben. Da würde mich schon die Antwort interessieren. Eine Stellschraube war über Jahrzehnte: Wir machen einfach Schulden und lösen die Konflikte nicht im Hier und Jetzt. – Das steht nicht mehr zur Verfügung.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Die andere Möglichkeit ist, man spart auf der Ausgabenseite, anders, als wir das vorgeschlagen haben. Da bin ich sehr gespannt, ob es Vorschläge gibt, ob man das anders machen kann. Wir werden jeden Einzelnen prüfen. Das sage ich Ihnen jetzt schon zu. Aber es muss am Ende halt auch eine Summe zusammenkommen.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Herr Schäfer-Gümbel – Frau Wissler, darin sind wir uns ja einig –, der dritte Weg sind die Einnahmeerhöhungen. Ich sage sehr deutlich, wir erhöhen die Grunderwerbsteuer hier in Hessen. Wo sind denn die angekündigten Steuererhöhungen der SPD auf Bundesebene? – Sie haben die nicht durchgesetzt. Wir hätten uns sehr gefreut, wenn Sie da geliefert hätten, Herr Schäfer-Gümbel.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD) zu Abgeordneten der CDU)

– Auch das finde ich jetzt einen unfairen Vorwurf. Gönnt doch der CDU einmal, dass sie entscheiden kann,

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

welcher Koalitionspartner ihr besser gefällt: die SPD auf Bundesebene oder die GRÜNEN hier in Hessen. Ich freue mich immer, wenn ihr die GRÜNEN hier in Hessen besser gefallen als die SPD auf Bundesebene. Insofern vielen Dank für die Unterstützung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Einen Vorwurf kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Herr Schäfer-Gümbel, Sie tragen den immer vor.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD) – Gegenruf des Abg. Manfred Pentz (CDU))

– Herr Schäfer-Gümbel, ich rede die ganze Zeit über unsere Politik. Deshalb möchte ich sehr konkret über das Thema Gerechtigkeit und Soziales reden. Sie sagen immer, im Koalitionsvertrag stünde zu diesen Themen nichts.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Ich muss Ihnen sagen, ich kann das absolut nicht nachvollziehen. Herr Schäfer-Gümbel, darin steht das Sozialbudget. Darin steht, dass wir uns um die Frühförderung in den Kitas und Schulen kümmern wollen. Darin steht, dass wir zusätzlich 10 Millionen Euro für die Kitas ausgeben wollen. Darin steht, dass wir eine Bildungs- und Betreuungsgarantie für jede Grundschülerin und für jeden Grundschüler verwirklichen wollen.

Wir wollen den flexiblen Schulanfang auf den Weg bringen, um Kinder von Anfang an früh fördern zu können, gerade aus benachteiligten Haushalten. Wir wollen die Lehrerzuweisung nach Sozialindex verdoppeln, 600 Stellen, die ausschließlich für das Thema mehr soziale Gerechtigkeit im Bildungswesen zur Verfügung stehen. Wie kommen Sie darauf, dass das Thema soziale Gerechtigkeit in diesem Koalitionsvertrag nicht verankert wäre?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir wollen mehr Möglichkeiten für längeres gemeinsames Lernen. Wir wollen Migrantinnen und Migranten besser fördern. Herr Schäfer-Gümbel, wir haben das große Ziel als schwarz-grüne Koalition, jedem jungen Menschen eine Berufsausbildung zu ermöglichen, damit jeder junge Mensch im Anschluss an die Schule die Erfahrung macht: Ich werde gebraucht, ich habe eine Ausbildung, ich bin qualifiziert für den Arbeitsmarkt. – Wie kann man dann davon reden, wir würden uns nicht um soziale Gerechtigkeit in diesem Koalitionsvertrag kümmern?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir wollen einen sozialen Arbeitsmarkt schaffen. Ich habe darüber gesprochen: Wir wollen die Wiedereinführung der Fehlbelegungsabgabe, um den Kommunen die Möglichkeit zu geben, auf die teilweise angespannte Wohnraumsituation zu reagieren. – Und weil Sie es gefragt haben, sage ich es noch einmal: Wir wollen ein Tariftreue- und Vergabegesetz. – Ich kann nicht feststellen, wo sich dieser Koalitionsvertrag dem Thema soziale Gerechtigkeit nicht widmen würde, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Herr Schäfer-Gümbel, wir schätzen die soziale Kompetenz der SPD. Wir wissen auch, was die SPD in den 150 Jahren ihres Bestehens für soziale Gerechtigkeit, für kleine Menschen, für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserem Lande getan hat. Aber ich habe eine herzliche Bitte: Bloß weil die SPD nicht an einer Regierung beteiligt ist, heißt das nicht zwangsläufig, dass diese Regierung keine soziale Politik macht, Herr Thorsten Schäfer-Gümbel.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Beim Thema Flughafen wird es schon unübersichtlich mit der Opposition, muss ich ehrlich sagen.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD) – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

– Frau Wissler, bei den LINKEN ist immer alles einfach. Das würde ich nie bestreiten. So einfach wie Sie hätte ich es auch manchmal gern. Da bekenne ich mich schuldig.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Die FDP sagt: Die CDU hat sich von den GRÜNEN beim Thema Flughafen über den Tisch ziehen lassen.

(Zuruf des Abg. René Rock (FDP))

Die Linkspartei sagt: Die GRÜNEN haben sich von der CDU beim Thema Flughafen über den Tisch ziehen lassen. – Und die SPD sagt: Beides stimmt irgendwie, Hauptsache drauf auf die Regierung.

(Heiterkeit bei der CDU)

Meine Damen und Herren, angesichts dieser Lage könnte man vielleicht auf die Idee kommen, dass es CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gelungen ist, in dieser schwierigen Frage tatsächlich einen Kompromiss zu finden. Auf diese Idee könnte man dann ja kommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Es ist ein Kompromiss, der uns als GRÜNE viel abverlangt. Wir wissen, dass sieben Stunden Lärmpause in der Nacht weniger sind als acht Stunden. Das ist uns sehr bewusst. Aber wir wissen eben auch, dass sieben Stunden mehr sind als sechs Stunden und dass es sich dafür lohnt, für jede Minute Nachtruhe für mehr Lärmschutz für die Menschen in dieser Region zu streiten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir stellen uns den Erwartungen der Menschen rund um den Flughafen, die mehr Schutz vor Fluglärm wollen. Wir suchen mit ihnen das Gespräch. Meinen Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, eines geht nicht: Das ist, dass Sie als Ausbaubefürworterpartei uns vorwerfen, wir würden nicht genug für den Lärmschutz tun. Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, das geht so nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Sie waren immer glühende Befürworter der Nordwestbahn. Sie haben unsere Forderung nach einer Ausweitung des Nachtflugverbotes nie geteilt. Jetzt fangen Sie an, uns an etwas zu messen, was Sie nie wollten. Das ist Oppositionsrhetorik. Mit der Sache hat das nicht mehr viel zu tun.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren der SPD, Sie sind eingeladen, mit uns gemeinsam an dem Ziel „sieben Stunden Nachtruhe“ zu arbeiten, wenn Sie es denn jetzt teilen. Das wird ein harter Kampf werden. Da werden viele Auseinandersetzungen zu führen sein. Es werden viele schwierige Gespräche zu führen sein.

Wir wüssten jetzt von Ihrer Seite einmal gerne: Sind Sie jetzt an unserer Seite, wenn es um mehr Lärmschutz geht, wenn es um sieben Stunden Nachtruhe geht, oder sagen Sie: „Das ist wirtschaftlich nicht zu verantworten“? Ich habe aus der Rede des Herrn Kollegen Schäfer-Gümbel nicht so genau heraushören können,

(Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))

was jetzt eigentlich die Position der SPD in dieser Frage ist.

Damit sind wir bei spannenden Fragen: Wie wird es in diesem Hessischen Landtag in den nächsten Jahren sein? Wie werden sich die Fraktionen aufstellen? – Ich habe in groben Strichen erläutert, wie die Mitglieder der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gemeinsam mit dem Koalitionspartner CDU dieses Land gestalten wollen, wie wir Hessen grüner und gerechter machen wollen.

Aber ich frage mich natürlich – auch das ist spannend –: Wie werden sich die Mitglieder der Opposition zu dieser lagerübergreifenden Koalition verhalten? – Ich habe in den Zeitungen gelesen, das sei die Olé-Opposition. Das ist nach den Farben der spanischen Fahne benannt: rot, gelb, rot. Es ist also die Olé-Opposition.

Herr Kollege Rentsch, wie wird das denn sein? – Werden Sie der CDU in den nächsten Jahren vorwerfen: „Bloß weil ihr euch mit den GRÜNEN eingelassen habt, droht jetzt in Hessen der Niedergang des Kapitalismus, die CDU verrät die Interessen der Wirtschaft“? – Frau Kollegin Wissler von der Partei DIE LINKE, wie wird das sein? Werden Sie sagen: „Weil ihr GRÜNEN euch mit der CDU eingelassen habt, ist der Sozialismus in noch weitere Ferne gerückt“?

(Heiterkeit bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, wie wird das sein? Wie werden Sie sich zwischen diesen Kassandrarufen, „Niedergang des Kapitalismus“ auf der einen Seite und „Niedergang des Sozialismus“ auf der anderen Seite verhalten? Werden Sie irgendwo dazwischen sein, einmal so und einmal so? Ich finde, das ist alles sehr spannend.

Ich kann nur eines sagen: Wenn es in diesem Hessischen Landtag so sein wird, dass die Mitglieder der FDP den Kapitalismus bedroht sehen und die Mitglieder der Partei DIE LINKE gleichzeitig den Sozialismus bedroht sehen, dann sind wir mit Schwarz-Grün auf einem verdammt guten Weg.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir sind für die bessere Idee, den klügeren Vorschlag und Alternativen offen. Ich glaube, diese lagerübergreifende Koalition bietet sehr viel Raum, Sachen neu zu denken und neue Vorschläge zu machen. Aber wir werden diese Vorschläge auch einfordern. Wir werden den neuen Stil selbst pflegen und von anderen erwarten. Wir wollen dann über konkrete Vorschläge und nicht mehr so sehr über Sprüche reden.

Auch das wäre ein Beitrag einer lagerübergreifenden Koalition für die politische Kultur, dass man sich nämlich im Hessischen Landtag wieder besser zuhört, dass entscheidend ist, was gesagt wird, und nicht mehr, wer es sagt, und dass wir im Landtag um Inhalte und nicht um Parolen streiten oder jahrzehntelang bestehenden Parteienstreit immer wieder neu aufbrühen. Das könnte eine Chance aufgrund dieser Koalition sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Wenn uns das alles gelingen wird, dann werden wir, so glaube ich, verdammt viel erreicht haben, auch für die politische Kultur in diesem Haus und in Hessen.

Meine Damen und Herren, in diesem Sinne: Es geht los, machen wir uns an die Arbeit! Packen wir es mit Volker Bouffier, Tarek Al-Wazir, dem gesamten Kabinett, mit den Abgeordneten der CDU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und, ja, auch mit den Kolleginnen und Kollegen der Opposition, wenn sie es denn wollen, an! – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Anhaltender und lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf von der CDU)

Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken:

Herr Wagner, vielen Dank.

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