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09.06.2011
Portraitfoto von Mathias Wagner vor grauem Hintergrund.

Mathias Wagner: Wagner gegen Merkel: Mit Ideen von gestern lässt sich Zukunft nicht gestalten

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Damit es zu Beginn dieser Debatte keine Verwirrung gibt: Der Wagner, der gegen Merkel agiert hat, war nicht der Wagner von den GRÜNEN, sondern es war der Wagner von der CDU, der gegen seine eigene Kanzlerin aktiv war. Ich werde das noch näher ausführen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Am vergangenen Wochenende war es wieder einmal so weit. Die selbst ernannte Glaubenskongregation der hessischen CDU, Christean Wagner, hat es nicht mehr ausgehalten. Dieses Mal war Stein des Anstoßes nicht die geschätzte Kollegin Andrea Ypsilanti, auch nicht der geschätzte Kollege Tarek Al-Wazir, auch nicht die Personen, die Sie immer für Kommunistinnen und Kommunisten halten. Nein, dieses Mal war Stein des Anstoßes für das CDU-Mitglied Christean Wagner die eigene Bundeskanzlerin.

(Zurufe von der SPD)

Was war Ungeheuerliches geschehen? Die Bundesregierung hat gesagt, sie möchte die Wehrpflicht aussetzen. Die Bundesregierung hat nach langem Zögern gesagt, sie bekennt sich zur Rettung des Euro, und die Bundesregierung hat gesagt, sie möchte aus der Atomenergie aussteigen.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Das hat Christean Wagner nicht ausgehalten. Da musste er sich zu Wort melden. Da musste er Widerspruch gegen die eigene Kanzlerin anmelden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE) und Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Herr Kollege Wagner, bei einem der Punkte, die Sie in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ gesagt haben, haben Sie recht.

(Zurufe der Abg. Holger Bellino (CDU) und Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Die Schnelligkeit, die Wendigkeit und die Unreflektiertheit, mit der die CDU in den vergangenen Wochen ihre Position geändert hat, sind in der Tat erstaunlich. Herr Kollege Wagner, aber wird es denn inhaltlich falsch, wenn auch Leute Ihrer Partei merken, dass das, was man über Jahre und Jahrzehnte erzählt hat, nicht mehr mit der Wirklichkeit in Einklang zu bringen ist?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Wagner, wer ist denn da auf der falschen Spur? Sind es diejenigen, die es spät, aber immerhin erkennen, oder sind es diejenigen, die immer noch vor den geänderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen die Augen verschließen wie Sie, Herr Kollege Wagner? Herr Kollege Wagner, ich glaube, dass Ihre Bundeskanzlerin auf einem besseren Weg ist als Sie mit Ihrer Union in Hessen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Nancy Faeser (SPD))

In einer weltpolitischen Lage, die sich völlig geändert hat, in einer Situation, wo die Bundesrepublik Deutschland, Gott sei Dank, seit Jahrzehnten von Freunden umzingelt ist, können wir doch nicht ernsthaft an einer Bundeswehr festhalten, wie sie war. Da ist es doch völlig konsequent, dass wir das verändern. Wenn wir die Europäische Union, die europäische Einigung, dieses zentrale Friedensprojekt nicht gefährden wollen, können wir uns doch nicht so fahrlässig und populistisch gegenüber der europäischen Idee verhalten, wie Sie das hier tun, Herr Kollege Wagner.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Walter Arnold (CDU))

Ich sage es ausdrücklich: Helmut Kohl hat sich um die Europäische Union, hat sich um die europäische Idee verdient gemacht. Herr Kollege Wagner, umso peinlicher ist es doch, dass Sie mit billigem Populismus

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

die jetzt notwendigen Maßnahmen zur Stabilisierung dieser Europäischen Union infrage stellen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Wagner, Sie versündigen sich am Erbe Helmut Kohls, und nicht Ihre jetzige Bundeskanzlerin.

(Zurufe der Abg. Dr. Walter Arnold (CDU) und Holger Bellino (CDU))

Der Ausstieg aus der Kernenergie. Was ist eigentlich schlimm daran, wenn eine CDU-geführte Bundesregierung nach Jahren und Jahrzehnten erkennt,

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

dass sie nicht mehr Politik gegen die Mehrheit dieser Gesellschaft machen will? Herr Kollege Wagner, was ist daran eigentlich schlimm?

Sie nehmen für sich immer in Anspruch, dass Sie als christliche Glaubenskongregation das Sprachrohr der schweigenden Mehrheit der Gesellschaft seien. Herr Kollege Wagner, die Gesellschaft, die Sie beschwören, die Gesellschaft, die Sie gerne hätten, diese Gesellschaft gibt es seit 50 Jahren nicht mehr. Die Gesellschaft ist viel weiter. Sie sprechen nicht für diese Gesellschaft. Sie sprechen für einen Teil der Gesellschaft, das vielleicht, aber nicht mehr für die Mehrheit.

(Zuruf des Abg. Dr. Walter Arnold (CDU))

Sie sollten darüber nachdenken, in welche Isolation Sie die hessische CDU mittlerweile führen. Herr Kollege Wagner, mit Ideen von gestern kann man Zukunft eben nicht gewinnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsident Frank Lortz:

Herr Kollege Wagner, Sie müssen zum Ende kommen.

Mathias Wagner:

Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Bei der Philippika, die Sie am letzten Sonntag gegen Ihre eigene Bundeskanzlerin geschrieben haben, würde es mich nicht wundern, wenn die hessische CDU in den nächsten Wahlkampf mit dem Slogan geht: „Merkel, Seehofer und die Kommunisten stoppen“.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsident Frank Lortz:

Vielen Dank, Kollege Wagner.

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