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21.11.2012
Portraitfoto von Mathias Wagner vor grauem Hintergrund.

Mathias Wagner: Hessischer Rechnungshof – Landesrechnungshof ist kein parteipolitischer Selbstbedienungsladen

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Finanzminister, das waren ziemlich viele Worte für einen angeblich ganz normalen Vorgang.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Der Rechnungshof in unserem Land ist etwas Besonderes. Es war bis vor kurzem in diesem Hause unstrittig, dass der Rechnungshof für parteipolitische Spielchen, für eine parteipolitische Versorgung tabu ist. Offenkundig gilt das nicht mehr. Wir bedauern das ausdrücklich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Wir erleben in diesen Tagen einen unverfrorenen Angriff auf die Unabhängigkeit des Rechnungshofs.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Zurufe von der CDU und de SPD)

Es ist das große Verdienst des amtierenden Präsidenten, Prof. Eibelshäuser, der sich um die weitere Professionalisierung des Rechnungshofs bemüht hat, und seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, dass der Rechnungshof heute eine ungeahnte Qualität hat, dass er uns allen ein wichtiger Berater bei unseren Entscheidungen ist, dass er ein wichtiger Mahner für uns im Parlament ist, dass er unabhängige Berichte liefert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Er liefert unabhängige Berichte, die manchmal der Opposition nicht gefallen, weil sie aussagen, dass das, was wir für einen Skandal gehalten haben, gar keiner war, und die manchmal der Regierung nicht gefallen, weil sie aussagen, dass die Opposition doch recht hatte. Das ist die Unabhängigkeit, das ist die Qualität, die der Rechnungshof unter Prof. Eibelshäuser erlangt hat. Dafür Ihnen, Herr Prof. Eibelshäuser, und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU, der SPD, der FDP und der LINKEN)

Weil Herr Prof. Eibelshäuser die Professionalisierung derart vorangetrieben hat, gilt eine ganz einfache Feststellung: Herr Noll würde bei diesem Rechnungshof mit seiner Qualifikation nicht als Mitarbeiter eingestellt.

Sie wollen ihn aber zum Vizepräsidenten dieser Behörde machen. Das ist unanständig, und das zeugt von mangelndem Respekt vor den Institutionen unseres Landes. Meine Damen und Herren, Sie versündigen sich damit an der Lebensleistung von Professor Eibelshäuser.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zurufe von der FDP)

Herr Minister, wenn Sie schon aus dem Rechnungshofgesetz zitieren, zitieren Sie auch bitte § 12. Dort steht:

Ein Mitglied des Rechnungshofs darf nicht tätig werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Zweifel an seiner Unbefangenheit zu rechtfertigen.

Weiter heißt es:

Die Mitglieder des Rechnungshofs dürfen nicht bei einer Angelegenheit tätig werden, an der sie selbst beteiligt gewesen sind oder für die sie selbst Verantwortung tragen.

Wie soll das bei dem Abg. Noll gehen? Der Abg. Noll wird in diesen Tagen in diesem Haus den Landeshaushalt 2013/2014 mit beschließen. Dann wollen Sie ihn zum Vizepräsidenten genau der Behörde machen, die den Landeshaushalt 2013/2014 prüfen soll. Meine Damen und Herren, befangener kann man eigentlich überhaupt nicht sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zurufe von der FDP)

Der Rechnungshof prüft zurzeit die ordnungsgemäße Mittelverwendung in der European Business School.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Herr Noll gehört einer Fraktion an, die eine glühende Verfechterin der European Business School ist. Die Mitglieder dieser Fraktion sagen in diesem Parlament immer, bei der European Business School sei alles in Ordnung gewesen.

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Wie soll ein Vizepräsident Noll des Hessischen Rechnungshofs unbefangen prüfen, ob bei der European Business School alles in Ordnung ist?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Herr Blechschmidt, als parlamentarischer Geschäftsführer wissen Sie das: Die Fraktionen haben den Hessischen Rechnungshof einmal im Jahr zu Gast. Die Vertreter des Rechnungshofs schauen sich an, ob wir die Mittel bestimmungsgemäß ausgegeben haben. Es ist gut, dass es so ist.

(Zuruf des Abg. Dr. Frank Blechschmidt (FDP))

Wie soll Herr Noll als stellvertretender Präsident des Rechnungshofs die Fraktionsfinanzen unbefangen prüfen, wenn er sie vorher selbst mit beschlossen hat? Meine Damen und Herren, Ihnen muss doch jetzt klar werden, dass das nicht geht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Nein, meine Damen und Herren, Sie haben hier allen Anstand und jedes Maß verloren. Sie wollen jetzt auch noch den Rechnungshof zu Ihrer parteipolitischen Beute machen. Hier muss nun Schluss sein. Sie haben eine Grenze des Anstands überschritten, die gerade von Parteien, die sich als „bürgerlich“ bezeichnen, nicht überschritten werden sollte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, der Finanzminister hat es eben gesagt – ich habe sehr gut zugehört –, es gebe keine Entscheidung der Landesregierung zu dieser Personalie. Ich werte das jetzt als positives Signal dafür, dass Sie im Lichte dieser Debatte vielleicht noch einmal darüber nachdenken. Aber was ist denn das für eine Landesregierung, wenn es von ihr zwar keine Entscheidung gibt, aber dafür ein FDP-Pressesprecher mitteilt, was sie zu tun hat? Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, wie lange wollen Sie sich das noch gefallen lassen?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Deshalb bekommen Sie morgen Gelegenheit – wir werden morgen über alle Anträge abstimmen –, sich zur Unabhängigkeit des Rechnungshofs zu bekennen. Wir haben einen Antrag eingebracht, der vier einfache Punkte enthält.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

– „Der ist gut“, sagt Kollege Bellino. Dann werden wir sehen, wie Sie morgen abstimmen. Vor allem, Herr Kollege Bellino, werden wir schauen, ob Sie sich auch daran halten. Der Hessische Rechnungshof lebt von seiner Unbestechlichkeit und seiner Unabhängigkeit. Er lebt davon, dass er nicht in den Parteienstreit hineingezogen wird, und davon, dass das bisher auch keine Partei in Hessen gemacht hat. Kommen Sie deshalb zur Besinnung. Herr Noll kann nicht Vizepräsident dieser Behörde werden. Ziehen Sie Ihre Pläne zurück. – Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Vizepräsident Heinrich Heidel:

Schönen Dank, Herr Wagner.

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