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16.11.2011
Portraitfoto von Mathias Wagner vor grauem Hintergrund.

Mathias Wagner: Einzelplan 04 – Hessisches Kultusministerium

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich gebe gerne zu, dass es dieses Jahr für die Opposition beim Einzelplan 04 nicht einfach ist. Es ist nicht einfach. Das ist nicht so, weil die Regierung so gut wäre, sondern weil es noch nie so viel Opposition gegen einen Haushaltsplanentwurf der Kultusministerin wie in diesem Jahr gegeben hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Barbara Cárdenas (DIE LINKE))

Kaum hatte die Kultusministerin ihren Entwurf vorgelegt, hatte schon die CDU-Fraktion erklärt: Das kommt mit uns so nicht.

Das ging dann wochenlang mit immer wilderen Spekulationen so weiter. Irgendwann trug Herr Greilich für die FDP-Fraktion vor, was die Kultusministerin eigentlich machen soll. Danach haben wir in den Zeitungen gelesen, dass die FDP-Fraktion wild darüber diskutiert, ob sie den Staatssekretär und die Ministerin ablöst, nur den Staatssekretär oder doch beide. Herr Kollege Irmer, Ruhe und Verlässlichkeit ist das, was diese Koalition hinsichtlich der Bildung bietet, nun wirklich nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

So viel Opposition gegen das Kultusministerium hat es nie in diesem Haus gegeben. Wir begrüßen ausdrücklich die CDU-Fraktion in der Reihe der Oppositionsfraktionen gegen Kultusministerin Henzler. Da sind Sie in guter Gesellschaft. Sie haben auch Recht, dass Sie gegen diese Politik Opposition erheben.

(Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

– Die Mitglieder der FDP-Fraktion sind sich noch ein wenig unschlüssig. Nachdem die Ablösung der Ministerin gescheitert und nur die Demontage der Ministerin geblieben ist, wissen die Mitglieder der FDP-Fraktion jetzt noch nicht, wo sie so genau stehen. Sie können das aber noch ein bisschen diskutieren.

Wir haben also Irmer gegen Henzler. Wir haben da Herrn Greilich in seiner bekannten Bescheidenheit, der sich für den besseren Minister hält. Auch er ist gegen Henzler. Wir haben die Bundes-CDU gegen Schwarz-Gelb in Hessen insgesamt. Denn was hat die Bundes-CDU denn am letzten Wochenende hinsichtlich der Bildungspolitik beschlossen?

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

– Das werde ich gleich tun. Herr Kollege Irmer, man muss in der Haushaltsdebatte aber auch eine Einordnung hinsichtlich der Frage machen: Ist der Kurs richtig, den Sie da fahren? – Darum geht es in der Haushaltsdebatte.

Sie haben erkannt, dass der Kurs dieser Ministerin nicht der richtige ist. Frau Schavan, ihre Bundesbildungsministerin, hat erkannt, dass das, was Sie in Hessen nahezu als Einzige im gesamten Bundesgebiet vertreten, nämlich das strikte Festhalten an einem gegliederten Schulsystem, keine Zukunft mehr hat. Ihre Partei hat das auch beschlossen. So viel Opposition gegen die Bildungspolitik dieser Landesregierung gab es noch nie.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Bis heute ist völlig unklar, was bei der Lehrerausbildung geschehen soll. Das ist der wichtigste Bereich für gute Schule. Denn ohne gut ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer kann man keine guten Schulen haben.

Da veranstaltet die Koalition bis zum heutigen Tag ein völliges Chaos. Frau Kollegin Habermann hat schon darauf hingewiesen: Es gibt ständig neue Zahlen. – Jetzt hat Herr Irmer wieder gesagt, das letzte Wort sei da immer noch nicht gesprochen.

Ich glaube, so können wir doch mit dem wichtigsten Bereich für gute Schulen nicht umgehen. Da entsteht ein völliges Chaos. Bis zum heutigen Tag ist für die Ausbilder und für die angehenden Lehrerinnen und Lehrer nicht klar, wohin die Reise geht. Frau Ministerin, das zeigt doch: Ihre Bildungspolitik und Ihr Ansatz, bei der Bildung zu sparen, ist komplett gescheitert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Dann haben Sie versprochen, es sollten 8,7 Millionen Euro für die Verbesserung der Situation der Mentorinnen und Mentoren an unseren Schulen verwendet werden. Wir stellen fest: versprochen, gebrochen, das Wort dieser Kultusministerin gilt nichts.

Sie haben eine Lehrerversorgung in Höhe von 105 Prozent versprochen. Auch in diesem Haushaltsentwurf finden wir keine Lehrerversorgung in Höhe von 105 Prozent. Wir finden gerade einmal 102,5 Prozent. Auch hier ist es wieder so: Das Wort dieser Kultusministerin gilt nichts. Die Schulen in unserem Land können sich nicht mehr auf ihre oberste Dienstherrin verlassen. Das ist ein untragbarer Zustand.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Henzler, Sie stürzen über diesen Haushalt. Sie wurden von Ihren eigenen Leuten gestürzt. Sie sind zwar noch im Amt, aber Sie sind nicht mehr an der Macht. Jeder in diesem Land weiß das. Das ist ein unmöglicher Zustand für unsere Schulen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Irmer hat beschrieben, was in den vergangenen zwölf Jahren alles gemacht wurde. Wenn es irgendjemand in der bildungspolitischen Debatte weiter hilft, sage ich: Ja, in den vergangenen zwölf Jahren war nicht alles, bildungspolitisch gesehen, schlecht. Es wäre auch komisch, wenn man alles falsch machen würde.

Wenn es irgendwie weiter hilft, sage ich: Ich gebe zu, dass unter Hartmut Holzapfel und rot-grüner Verantwortung Fehler gemacht wurden. Herr Kollege Irmer, ich frage aber: Hilft uns das bei der Lösung der aktuellen Probleme unserer Schulen, dass wir immer wieder diese alten Sachen diskutieren? Hilft uns das irgendwie?

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Wäre es nicht sinnvoll, zu fragen – das will ich tun –, ob Sie mit diesem Haushaltsplan wirklich die Probleme unserer Schulen lösen können? Glauben Sie ernsthaft, dass Sie mit diesem Haushaltsplan eine angemessene Antwort darauf geben, dass wir alle in diesem Haus die frühkindliche Bildung stärken wollen? Glauben Sie das ernsthaft?

Wie wollen Sie denn mit diesem Haushaltsplan bei dem dringend notwendigen Ausbau der vorschulischen Bildung weiterkommen? Die Stichworte dazu lauten: U3, Kindergarten.

Wie wollen Sie mit diesen Haushaltsplänen bei der Vernetzung der Grundschule und der Kindergärten weiterkommen? Sie führen die Debatte über ein Schulvorbereitungsjahr. Früher war das bei der FDP einmal die Kinderschule. Da passiert überhaupt nichts. Dabei gibt es ein funktionierendes Konzept, das 97 Schulen in unserem Land schon haben, nämlich den Flexiblen Schulanfang.

Der richtige Ansatz ist nicht, die Kinderschule der FDP künstlich am Leben zu erhalten. Vielmehr wäre der richtige Ansatz, alle Anstrengungen in den Ausbau des Flexiblen Schulanfangs zu stecken, so wie wir das mit unseren Änderungsanträgen zum Haushaltsentwurf vorschlagen, werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Glauben Sie ernsthaft, dass Sie eine adäquate Antwort darauf geben, wie wir die 20 % Schülerinnen und Schüler fördern können, die zur sogenannten Risikogruppe zählen und unsere Schulen mit voraussichtlich höchsten Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt und höchsten Schwierigkeiten in der individuellen Lebensgestaltung verlassen? Glauben Sie, dass Sie darauf eine Antwort geben? Darauf wäre die Antwort: Mehr Förderung, mehr Zeit für Förderung, mehr individuelle Förderung. Das würde einen deutlich schnelleren Ausbau des Ganztagsschulprogramms bedeuten, als Sie ihn vorschlagen.

Glauben Sie, dass Sie der UN-Behindertenrechtskonvention gerecht werden? Glauben Sie, dass Sie mit diesem Haushalt ein inklusives Schulwesen auf den Weg bringen? – Wir glauben das nicht, meine Damen und Herren.

An die Frau Kultusministerin und die Koalition: Glauben Sie, dass Sie dem Wunsch der Eltern nach einem einfacheren Bildungssystem, nach einem Bildungssystem, was man versteht, nach einem Bildungssystem, bei dem man sich nicht völlig neu orientieren muss, wenn man das Bundesland wechselt, wirklich Rechnung tragen? Glauben Sie, dass Sie mit der Einführung einer neuen Schulform, der Mittelstufenschule, unser Bildungssystem übersichtlicher machen? Oder wäre es nicht sinnvoller, auch in Hessen das zu machen, was die Bundesbildungsministerin Frau Schavan vorschlägt, nämlich ein zweisäuliges Schulmodell, was das Bildungssystem wirklich einfacher machen würde und wie wir GRÜNEN es beantragen?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Heinrich Heidel:

Ich will Sie nur auf die Zeit hinweisen, Herr Kollege Wagner.

Mathias Wagner:

Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich komme zum Schluss. Dieser Haushaltsplan der Kultusministerin ist erneut von dem Irrglauben geprägt, man könne an Bildung kürzen. Frau Ministerin, wir werden noch auf lange Zeit hin nicht an Bildung kürzen können. Wir sind mit unserem Bildungssystem noch nicht so gut, als dass wir da kürzen könnten. Wir brauchen weitere Investitionen.

Dieser Haushaltsplan hat gezeigt, dass Sie nicht mehr Herrin des Verfahrens im Kultusministerium sind. Sie wurden von Ihren eigenen Leuten gestürzt. Sie sind im Amt, aber nicht mehr an der Macht. Das ist ein trauriger Zustand für unsere Schulen. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsident Heinrich Heidel:

Schönen Dank, Herr Kollege Wagner.

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