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05.03.2015
Portraitfoto von Mathias Wagner vor grauem Hintergrund.

Mathias Wagner: Befristetes Aufenthaltsrecht für Asylsuchende in Ausbildung

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In diesem Jahr jährt sich das Ende des Zweiten Weltkrieges. Wir leben in unserem Land seit 70 Jahren in Frieden und Freiheit. Wir haben ein Grundgesetz, das die individuelle Entwicklung und Entfaltung jedes einzelnen Menschen in unserem Land garantiert. Trotz aller sozialer Probleme, die wir haben, leben wir in unserem Land, verglichen mit anderen Ländern, in relativem Wohlstand.

Leider ist das nicht die Entwicklung in allen Ländern dieses Planeten. Leider müssen wir feststellen, dass unsere Welt gerade in den letzten Jahren nicht friedlicher geworden ist. Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass über 50 Millionen Menschen auf diesem Planeten auf der Flucht sind. Über 30 Millionen davon sind Flüchtlinge im eigenen Land. Über 15 Millionen sind vor Krieg, vor Menschenrechtsverletzungen, vor Gewalt und vor Terror in andere Länder geflohen. Über eine Million Menschen suchen Asyl. Niemand dieser 50 Millionen Menschen, dieser 50 Millionen Schicksale, hat sein Land und seine Heimat ohne Grund verlassen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Wenn wir abends in der Tagesschau die Bilder aus den Krisengebieten dieser Welt sehen, bekommen wir einen Eindruck, worunter diese Menschen leiden und wovor diese Menschen fliehen. Wir bekommen auch einen Eindruck davon, welche erheblichen Leistungen andere Staaten zur Aufnahme dieser Flüchtlinge erbringen. Im Vergleich zu anderen Staaten ist unser Beitrag relativ bescheiden. Das soll zu Beginn dieser Debatte auch gesagt sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU und der SPD)

Was abends in der Tagesschau doch etwas abstrakt und fern – im wahrsten Sinne des Wortes „Fernsehen“ – ist, das wird jeden Tag in der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Hessen in Gießen ganz nah und ganz konkret. Denn dort kommen die Menschen in unserem Bundesland an, die vor Vertreibung, Gewalt und Terror fliehen. Da geht es dann um ganz konkrete Hilfe für diese Menschen, um neue Lebensperspektiven.

Deswegen möchte ich in meiner Rede ein ganz herzliches Dankeschön an all die Menschen richten, die sich um diese Flüchtlinge und Asylsuchenden kümmern.

(Allgemeiner Beifall)

Ich möchte den vielen engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Erstaufnahmestelle, aber auch in den Kommunen danken. Ich möchte den beiden Regierungspräsidenten namentlich und explizit danken, die vor allem mit dieser Aufgabe betraut sind. Das ist Frau Lindscheid für das Regierungspräsidium Darmstadt, vor allem aber auch Herr Kollege Witteck als Regierungspräsident in Gießen, der wirklich tagtäglich einen Superjob macht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ich möchte Herrn Minister Grüttner und Herrn Staatssekretär Dippel danken, die diese Arbeit im Sozialministerium koordinieren, den vielen Kommunalpolitikern, ob haupt- oder ehrenamtlich, die sich in vorbildlicher Weise darum kümmern, den Kirchen, den vielen ehrenamtlichen Initiativen, aber auch ein ganz herzliches Dankeschön an die breite Solidarität der Zivilgesellschaft zu flüchtlingspolitischen Fragen. Das war in unserem Land schon einmal anders. Ich bin gottfroh, dass wir diese Situation nicht mehr haben, sondern eine breite Solidarität.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU sowie des Abg. Ernst-Ewald Roth (SPD))

Dieses Engagement, diese Solidarität der Zivilgesellschaft muss für uns als Politik ein Ansporn sein, alles zu tun, um Flüchtlinge und Asylbewerber in unserem Land willkommen zu heißen, um diese positive Grundstimmung aufzugreifen und in konkrete Hilfe umzumünzen.

Meine Damen und Herren, das tun wir in Hessen. Im Landeshaushalt 2015 haben wir die Mittel im Bereich der Flüchtlingsunterbringung mehr als verdoppelt. Wir haben gesagt, in Anerkennung der Leistungen, die unsere Kommunen in diesem Bereich erbringen, erhöhen wir die Pauschalen, die die Kommunen für die Flüchtlingsbetreuung erstattet bekommen, um 15 Prozent. Und wir sagen, wir schaffen zwei neue Erstaufnahmeeinrichtungen, neben der in Gießen, um auch bei der Erstaufnahme bessere Bedingungen, bessere Fördermöglichkeiten und bessere Unterstützungsmöglichkeiten zu haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir kümmern uns aber auch um Bildung für die Menschen, die in unser Land kommen. Wir haben die Lehrerstellen für Flüchtlinge und Asylsuchende – natürlich kommen die auch in unsere Schulen und werden dort unterrichtet – aufgestockt, um ihnen das entsprechende Rüstzeug mitzugeben und sich in unserem Bildungssystem, mit unserer Sprache zurechtzufinden.

Wir werden ein eigenes Programm für diejenigen erarbeiten, die schon über 16 Jahre sind und deshalb formal nicht der Schulpflicht unterliegen. Auch diesen Flüchtlingen, auch diesen Asylsuchenden wollen wir ein Angebot machen, damit sie sich hier besser zurechtfinden können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir haben die Hürden in der Härtefallkommission gesenkt, um bei besonderen humanitären Schicksalen leichter Hilfe leisten zu können. Wir haben in Hessen eine Asylkonferenz einberufen, und es waren die Hessische Landesregierung und Sozialminister Grüttner, die die Initiative zu einer bundesweiten Asylkonferenz ergriffen haben.

Meine Damen und Herren, diese Ergebnisse können sich sehen lassen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Es ist nicht nur die Vereinbarung, dass den Ländern zusätzliche Mittel für die Betreuung von Flüchtlingen und Asylsuchenden zur Verfügung gestellt werden, sondern es gibt aufgrund der bundesweiten Asylkonferenz erstmals eine Öffnung und eine Bereitschaft des Bundes, dass für Asylbewerber und Flüchtlinge eine Gesundheitskarte geschaffen wird, sodass wir diesen Menschen bei der Gesundheitsversorgung ein besseres Angebot machen können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Diese Landesregierung ist auch im Bundesrat für Flüchtlinge und für Asylsuchende aktiv. Im Zuge der Verhandlung im Bundesrat ist es nicht zuletzt auf der Grundlage des Engagements von Ministerpräsident Bouffier und dem stellvertretenden Ministerpräsidenten Tarek Al-Wazir gelungen, bundesweit die Residenzpflicht aufzuheben und bundesweit eine Erleichterung beim Arbeitsmarktzugang für Flüchtlinge zu schaffen. Das sind ganz wesentliche Bausteine, um eine bessere Lebenssituation zu schaffen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Zu dieser Reihe der Maßnahmen kommt nun noch ein neuer Vorschlag hinzu, den die drei Ministerpräsidenten bzw. die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Hessen ergriffen haben. Herr Kretschmann, Frau Dreyer und Herr Bouffier haben die Initiative ergriffen, eine weitere Verbesserung beim Arbeitsmarktzugang für Flüchtlinge zu erreichen, eine weitere Verbesserung bei der Ausbildung der Flüchtlinge, indem sie den eigentlich ganz einfachen, aber unheimlich wirkungsvollen Vorschlag gemacht haben, dass Flüchtlinge und Asylsuchende, die in unserem Land eine Ausbildung begonnen haben, diese Ausbildung auf jeden Fall abschließen können, unabhängig davon, wie ihr Asylverfahren aussieht. Das ist wieder ein ganz praktischer Schritt, um Menschen, die viel Leid, viel Grausamkeit erfahren haben, neue Perspektiven zu eröffnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir gehen noch einen Schritt weiter und sagen: Wenn diese Menschen hier eine Ausbildung erfahren haben und wenn sie im Anschluss in ein Beschäftigungsverhältnis eintreten, auch dann sollen sie einen Aufenthaltstitel bekommen.

Meine Damen und Herren, das alles, was ich Ihnen dargestellt habe, sind konkrete Maßnahmen für eine an Humanität orientierte Flüchtlingspolitik, eine Flüchtlings- und Asylpolitik, die auf konkrete Verbesserungen setzt und nicht die Augen vor den Problemen verschließt, die wir in diesem Bereich haben, sondern die den vielen Menschen, denen es nicht so gut geht wie uns oder den meisten in unserem Land, die fliehen mussten, die viel Schreckliches in ihrem Leben erfahren haben, hilft und ihnen eine neue Perspektive gibt. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vizepräsidentin Heike Habermann:

Vielen Dank.

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