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23.06.2016
Portraitfoto von Mathias Wagner vor grauem Hintergrund.

Mathias Wagner: Aktuelle Stunde – Abstimmung im Bundesrat über sichere Herkunftsstaaten verschoben

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Rentsch, Sie haben recht. Politik muss Handlungsfähigkeit in Fragen der Flüchtlingspolitik zeigen.
(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))
Aber das Handeln muss auch Sinn machen und es muss auch verantwortbar sein.
(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))
Deshalb war ich Ihnen sehr dankbar, dass Sie im ersten Teil Ihrer Rede durchaus zur Sache gesprochen haben und durchaus über die schwierigen Abwägungen gesprochen haben, um die es bei diesem Thema geht. Leider haben Sie es im zweiten Teil Ihrer Rede dann wieder auf irgendwelche Koalitionsarithmetik reduziert. Herr Kollege Rentsch, darum geht es nicht, sondern es geht um die Menschen, die hier Schutz haben wollen. Es geht um schnelle Asylverfahren – nicht um die billige parteipolitische Münze, die Sie hier heute machen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))
Herr Kollege Rentsch, es war eine verantwortliche Entscheidung, dass die Ministerpräsidenten aller Bundesländer letzte Woche gesagt haben, lasst uns bei dem Thema noch einmal inhaltlich in die Tiefe gehen, lasst uns dieses Thema vertagen, lasst uns dieses Gesetz, das auf dem Tisch liegt, nicht beschließen. Das war eine verantwortliche und richtige Entscheidung.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)
Natürlich beklage ich mit Ihnen, dass die Bundesregierung nicht vorher das Gespräch mit den Bundesländern gesucht hat und man sich nicht vorher um eine Einigung bemüht hat. Herr Kollege Rentsch, das kann doch jetzt nicht der Grund dafür sein, dass wir eine suboptimale oder aus grüner Sicht eine falsche Lösung beschließen. Das kann doch nicht wirklich die Antwort sein.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)
Worum geht es in der Sache? – Wenn wir über die Sache sprechen, geht es um das Konstrukt der sicheren Herkunftsländer. Meine Damen und Herren, dieses Konstrukt der sicheren Herkunftsländer ist in der Konzeption falsch. Warum ist es falsch? – Weil das Konstrukt der sicheren Herkunftsländer eine Aussage macht über die Sicherheitslage in den Herkunftsländern, nämlich dass sie angeblich sicher sind. Worum es aber eigentlich gehen müsste, ist nicht ein Urteil über die Lage in den Herkunftsländern, sondern es muss um eine Aussage über das Verwaltungsverfahren in Deutschland gehen. Dass die sicheren Herkunftsländer diese beiden Fragen so falsch verknüpfen, ist der Grund, warum wir vertiefend über die Sache reden müssen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)
Es muss doch im Interesse von uns allen sein, dass jeder Mensch, der in seinem Heimatland verfolgt wird, bei uns Schutz genießt. So steht das bei uns im Grundgesetz: Politisch Verfolgte genießen Asyl. Wir müssen alles daran setzen, dass uns niemand durch die Lappen geht und keiner durch den Rost fällt. Da helfen pauschale Einteilungen von Ländern eben nichts. Meine Damen und Herren, deshalb ist dieses Konstrukt falsch.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Auf der anderen Seite müssen wir natürlich sehen, dass wir schnelle Verfahren in Deutschland brauchen – für die Menschen, die anerkannt werden und schnell Klarheit brauchen aber natürlich auch für die Menschen, die aus durchaus nachvollziehbaren Gründen zu uns gekommen sind aber dann kein Anrecht auf Asyl haben. Darum geht es in der Debatte. Das ist der Kern.
Die einen sorgen sich darum – das ist keine parteipolitische Debatte; es ist eine gesellschaftliche Debatte –, wie für jeden einzelnen Menschen sichergestellt sein kann, dass er, wenn er verfolgt wird, Asyl bekommt. Das ist die eine Seite der Medaille. Die anderen in unserer Gesellschaft sorgen sich ebenfalls zu Recht, wie wir die Verfahren so gestalten können, dass sie schnell genug sind und wir tatsächlich auch Kapazitäten haben, um uns um die wirklich Schutzbedürftigen zu kümmern. Das sind die zwei Pole der Debatte. Wenn es um die Sache geht – nicht um Symbolpolitik, nicht um Populismus –, dann kann man diese beiden Pole der Debatte zusammenführen. Genau das haben die Ministerpräsidenten jetzt beschlossen, nämlich dass wir uns ein paar Wochen Zeit geben, um diese beiden Pole zusammenzuführen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU –Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))
Das ist doch eine verantwortliche Entscheidung, die hier getroffen wurde. Herr Kollege Rentsch, ich sage Ihnen, ich finde es ausdrücklich gut, dass es diese Hessische Landesregierung war, dass es diese Koalition war, die gesagt hat, lasst uns endlich über die Sache reden, wobei ganz wesentlich der Ministerpräsident seinen Beitrag dazu geleistet hat, dass wir in dieser Frage jetzt über die Sache reden.
Das ist Handlungsfähigkeit, Herr Kollege Rentsch.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU –Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))
Also lassen Sie das ganze Parteipolitische weg, nach dem Motto: Der Ministerpräsident müsste sich gegenüber dem Koalitionspartner durchsetzen. – Herr Kollege Rentsch, das mag bei Ihnen so gewesen sein, dass man nicht über die Sache geredet hat, sondern dass Sie sich immer haben überstimmen lassen. Das sagt mehr über Sie als über uns aus. Der Weg dieser Koalition lautet: Wir wollen eine sachgerechte Lösung finden, die den Menschen, die Schutz brauchen, Schutz gewährt und gleichzeitig dafür sorgt, schnelle Verfahren zu bekommen. Das geht ohne das Konstrukt der sicheren Herkunftsstaaten.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Wolfgang Greilich:

Vielen Dank, Herr Kollege Wagner.

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